Dilemmata im Sonderangebot

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Kapitel 14 Dilemmata im Sonderangebot

Es dauert einen Moment, bis seine Worte zum Grund meines Gehirns durchgesickern. Das Gefühl in meiner Brust nähert sich der Bodenlosigkeit. Maya hat seine Eltern zu ihrem Geburtstag eingeladen. Diese Tatsache wiederholt sich mehrere Male in meinem Kopf. Sie hat es getan, ohne Raphael zu fragen. Ich sehe den Ex-Freund meiner Schwester fassungslos an

„Sie hat deine Eltern eingeladen?", wiederhole ich nachhaken. Es ist im Grunde keine richtige Frage, sondern der letzte Rest Hoffnung, dass ich mich vielleicht doch verhört habe. Der Sportler, der neben mir gegen die Küchenzeile gelehnt steht, nickt und sieht mich mit seinen nun getrübten grünen Augen an. Ich fühle einen Schauer, der zuerst meinen Nacken erfasst und dann in alle Glieder meines Körpers ausstrahlt. Er ist kalt und unangenehm. Ich halte kurz die Luft an.

Seine Eltern sind bereits hierher unterwegs. Sie werden am Essen teilnehmen. Im Endeffekt heißt das, dass auch Raphael zum Essen erscheinen muss. Ich stütze mich mit beiden Armen auf der Arbeitsplatte ab. Mein Puls geht nach oben, diesmal aus reiner Wut.

„Diese miese Giftschlange!" Aufgebracht schlage ich mit beiden Händen auf die Spüle und stoße prompt eine der leeren Tassen zur Seite, sodass sie von der Arbeitsplatte fällt und zerbricht. Da waren es nur noch zwei. Ich zucke zusammen, weil der Aufschlag mit meiner malträtierten Hand heftig schmerzt. Die Stelle pocht und britzelt. Ich genieße einen Augenblick lang, wie sie meine Wut nur noch weiter entfacht. Dann beiße ich die Zähne zusammen. Ich hätte den Verband besser dran lassen sollen. Mit einem zischenden Geräusch des Schmerzes schaue ich auf meine Handfläche. Aus dem Augenwinkel heraus sehe ich, wie Raphael an mich herantritt. Seine warme Hand legt sich an meinen Arm. Sie hat nicht die vollkommen beruhigende Wirkung, die er haben möchte.

„Das war unnötig", sagt er leise und beugt sich zu den Scherben, die auf dem Boden verteilt liegen. Raphael weist mich an, mich nicht zu bewegen, denn ich bin barfuß.

„Wie kannst du nur so ruhig bleiben?", frage ich aufgebracht und schaue zu, wie Raphael vor mir auf die Knie geht. Er sammelt einige der größeren Bruchstücke zusammen und legt sie neben der Spüle ab, danach greift er sich den Handkehrbesen und fegt mir eine Schneise, so dass ich mich an den Tisch setzen kann. Es wundert mich wirklich, warum er nicht noch eine andere der Tassen hinterhergeworfen hat. Allerdings ist mir auch bewusst, dass er eher zu der beherrschten und ruhigen Sorte gehört. Genau das nutzt Maya schon seit geraumer Zeit aus. Sie hielt ihm Vorträge. Raphael nickte es ab. Maya motzt sinnlos rum. Er nimmt es schweigend hin. Maya zickt. Er zuckt. Im Augenblick regt es mich nur noch mehr auf. Ein feines Seufzen perlt von seinen Lippen als er meinen Blick bemerkt. Er richtet sich auf und bleibt vor mir stehen. Auch Raphael belastet dieser Umstand sehr. Ich kann es deutlich sehen, auch wenn er in seinen typischen Schweige-Modus verfallen ist. Das nächste Dilemma. Als wäre das Geburtstag,- und Trennungsdilemma nicht schon schlimm genug für ihn. Ich widerstehe dem Bedürfnis, einmal laut zu schreien und spüre sogar, wie es gänzlich hinfort weht als er mir einen sanften Kuss gegen die Schläfe drückt. Er wirft die kleineren Scherben in den Müll und bleibt seitlich an der Spüle gelehnt stehen.

„Es tut mir leid...", flüstert er. Ich sehe in die schönen Augen des anderen Mannes. Ich weiß, dass er an dieser Situation keine Schuld trägt und doch denke ich, dass wir nicht in dieser Lage wären, wenn er nicht versucht hätte, allem aus dem Weg zu gehen. Ich schweige und spüre, wie mir mehr und mehr der Kiefer schmerzt, weil ich meine Zähne stark aufeinanderpresse. Es ist unfair von mir, so etwas zu denken. Raphael will mit mir zusammen sein. Endlich. Und das ist alles was zählt. Ich stehe ebenfalls auf und stelle mich hinter ihn. Ich lehne mich gegen den starken Rücken und schließe meine Augen.

„Wie wäre es mit einem Oneway-Ticket zum Pluto? Wäre doch die Idee, oder? Soll um diese Jahreszeit zauberhaft sein", brabbele ich leise. Eigentlich ist mir nicht nach Scherzen zumute. Doch es kommt mir einfach über die Lippen. Ich kann nicht anders. Ein Clown in jeder Lebenslage. Raphaels Hand legt sich über meinen Arm. Sie ist warm und berauschend. Sie streichelt sich von meinem Ellenbogen zu meinem Handgelenk und wieder zurück. Es fühlt sich schön an. Liebevoll und irgendwie beruhigend. Ich drücke mein Gesicht noch mehr in seinen Rücken und atme seinen Duft ein.

Doors of my Mind 2.0 - Ihr Freund. Mein GeheimnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt