Blut ist dicker, als Wasser,... aber kein besserer Kleister

1K 109 234
                                    

Kapitel 21 Blut ist dicker, als Wasser,... aber kein besserer Kleister

Auf Mayas Wange zeigt sich eine heraus gezwungene Träne und sie glänzt vor Scheinheiligkeit. Es ist eine Farce. Die Träne stoppt an ihrem Wangenknochen, während sich ihre Lippen für einen Moment verräterisch aufeinanderpressen. Mein Vater blickt zwischen mir und meiner Schwester hin und her und nimmt dann die Brille ab. Ein Seufzen. So laut und so schwer, dass es fast den Sauerstoff verdrängt. Erneut vollführt er diese verräterische Geste der Nervosität, doch diesmal kommt auch das leichte Zwicken an seiner Nasenwurzel dazu. Kein gutes Zeichen. Auch er verliert langsam die Geduld. Ich kann es verstehen. Ich sehe, wie meine Mutter das Besteck auf ihrem Teller hin und her schiebt. Sie platziert es fein säuberlich in der 20 nach 8-Stellung. Sie braucht eine Pause. Der stille Versuch Ordnung ins Chaos zu bringen.

Mein Onkel Tom hat mir vor Jahren die wichtigsten gastronomischen Etiketten beigebracht. Er leitete jahrelang ein gutgehendes Restaurant und machte aus mir einen geheimen Meister im Tischdecken, was allzu gern von meiner Mutter genutzt wird. Nun sehe ich auf ihre schlanken Finger, die leicht zittern. Der Blick meiner Mutter wandert zu ihrem Mann. Sie scheint genau zu erlesen, dass er mit dieser Situation vertrauter ist als sie. Sie überlässt ihm die ersten Worte.

„Ihr zwei seid unfassbar. Was bitte geht in euren Köpfen vor?", entfährt es meinem Vater, nachdem er seiner Frau einen entschuldigenden, aber wenig erklärenden Blick zugeworfen hat. Auch zwischen den beiden wird es zu weitreichenden Diskussionen kommen, dessen bin ich mir sicher. Und das ist das Letzte, was ich je wollte.

Mein Vater schließt seine Augen, streicht sich mit den Fingern über den Nasenrücken und es entflieht ihm ein schweres, ermattetes Raunen.

„Maya, dein Verhalten ist unter aller Sau und deine ständigen Provokationen, Mark, sind im höchsten Maß unangebracht..." Er hat seine Brille vor sich auf den Tisch gelegt und blickt uns mit wütenden Augen entgegen.

„Mark hat mir hinterrücks den Freund ausgespannt", platzt es aus ihr heraus. Ich schlucke schwer. Diese Worte klingen tatsächlich schrecklich, aber entfachen meine Wut.

„Weil du, nur mit Raphael zusammengekommen bist, weil du wusstest, dass ich ihn mag", belle ich zurück.

„Entschuldigt mich...", sagt meine Mutter leise. Sie rückt ihr Besteck auf dem Teller zu Recht. Fein säuberlich auf 20 nach 4. Sie ist fertig. Ein kurzes Zögern, doch dann verlässt sie den Raum. Wir anderen Drei bleiben mit gemischten Gefühlen zurück. Bei mir ist es vor allem der Schmerz und er nimmt stetig zu. Maya scheint noch immer nicht zu begreifen, was sie anrichtet.

„Warum seid ihr auf mich sauer? Mark belügt und täuscht euch schon seit Jahren", zickt Maya los und deutet mit ihrem manikürter Finger auf mich. Die quietschpinkfarbene Lackierung lässt massig Klischees in meinem Kopf aufploppen. Barbie gegen Goliath. Mister Fantastic gegen Lillifee. Hulk gegen Schlumpfine. Das wären die Comicbattle schlechthin.

„Und du kannst natürlich kein Wässerchen trüben", kommentiere ich diese Lächerlichkeit. Sie macht mich so wütend. Mayas Lippen kräuseln sich, als sie ihren Mund zu einem seltsamen Gebilde verzieht.

„Seiner eigenen Schwester den Freund klauen... Blut sollte dicker sein, als..."

„Als, was... Maya? Du spielst hier die Unschuldige und bist nichts weiter, als eine intrigante Furie. Du hast ihn dir absichtlich ausgesucht, um mir eins auszuwischen", unterbreche ich sie aufgebracht, merke erst jetzt, dass ich aufgestanden bin und meine Hände zu Fäusten balle. Dieses miese Stück. Sie zog seit Wochen ihre Spielchen durch, ergötzte sich an meinem Leid und keine Lüge war ihr zu dreckig. Wie kann sie es wagen, sich jetzt auf den Zusammenhalt einer Familie zu beziehen?

Doors of my Mind 2.0 - Ihr Freund. Mein GeheimnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt