In routinierten Bewegungen huschte meine linke Hand über das Papier. Meine Aufmerksamkeit galt ungeteilt der Zeichnung, welche auf einer Holzplatte auf der Staffelei vor mir mit Malertape befestigt wurde, und meine Sinne waren auf jedes noch so kleine Detail geschärft, während ich unter Hochdruck an ihr arbeitete. Ich spürte die raue Struktur des Papiers, die glatten Bereich, auf denen sich bereits mehrere Schichten Buntstifte befanden und sich zu dem Abbild sieben junger Männer zusammenfügten. Ich spürte den Holzstift in meiner Hand, den Finger meiner freien Hand, den ich nachdenklich auf der Mulde über meinen Lippen gelegt hatte und scannte den sich mir bietenden Anblick nach Makeln ab, die ich noch ausbessern konnte.Hie und da korrigierte ich noch die Schatten des hinter den Männern hervorquellenden schwarzen Nebel, setzte mit dem Gelstift letzte Highlights an Augen, Lippen und Schmuck.
Mit einem dünnen Fineliner besserte ich eine kleine Unebenheit am Schriftzug aus. "BTS" stand nun in akkurat geschriebener Schrift über den Köpfen der sieben Jungs, deren Namen ich noch immer nicht kannte; darunter stand der Tourname.
Zögerlich trat ich einige Schritte zurück, um mein Werk mit etwas Abstand betrachten, zu können und erlaubte es mir, die Kopfhörer runter zu ziehen, sodass Tom Rosenthals Stimme nun leise durch mein kleines Schlafzimmer waberte. Ich atmete erleichtert auf, als die Erkenntnis langsam in mein Bewusstsein sickerte, dass ich dieses (gefühlt) niemals endende Projekt, nun doch endlich beendet hatte.
Und das mit einer wortwörtlichen Punktlandung, wie ich zugeben musste.Ein unkontrolliertes Lachen entwich meiner Kehle; irgendwo zwischen Erleichterung und purer Verzweiflung - so genau einzuordnen, vermochte es selbst ich nicht.
Aber die Situation erschien mir noch immer lächerlich.
Ich hatte mir in den vergangenen Monaten - parallel zu meinem Kunststudium, meinem Nebenjob in einem Kunstmuseum und meinem 4 wöchigen Praktikum bei einem Grafikdesigner - Zeit genommen, um diese Zeichnung zu konzipieren, skizzieren und zeichnen. Nur um dann, als ich bereits knapp die Hälfte koloriert hatte, zu erfahren, dass ich mir die Arbeit nicht, wie ich annahm, für meine Schwester gemacht hatte, sondern für mir sieben weltfremde junge Männer.Ich ließ mich mit einem bitteren Lächeln auf meinen Schreibtischstuhl sinken.
Ich hatte angenommen, Ruby würde mich bitten eine solche Zeichnung für sie anzufertigen. Schließlich war sie ein riesiger Fan von der Boyband und ließ kaum eine Gelegenheit verstreichen, mir zu sagen, wie sehr sie mich darum beneidete, dass ich in Seoul studierte und somit eine größere- wenngleich noch immer verschwindend geringe Chance, wie ich fand- hatte einen der Jungs auf der Straße zu treffen.Jedenfalls war es ihr gelungen, unsere Eltern dazu zu überreden, Tickets für ein Konzert eben dieser Band zu kaufen und hatte es mit ihrem unverschämten Glück auch noch geschafft bei einer Verlosung zwei Tickets für das Fan Signing am darauffolgenden Tag, zu ergattern. Dort plante sie nun auch die Zeichnung als Geschenk für die Band- um die meines Erachtens nach zu unrecht ein so großer Wirbel gemacht wird - zu übergeben.
Das Konzert sollte in drei Tagen stattfinden und in weniger als einer halben Stunde würden meine Eltern und Ruby vom Hotel aus hier her kommen. Ruby hat darauf bestanden, nachdem sie sich im Hotel eingerichtet haben, zu mir nachhause zu kommen, statt sich in dem Restaurant, in dem wir einen Tisch reserviert hatten, zu treffen, sodass sie die Zeichnung noch heute sehen konnte.
Einen Schlafplatz konnte ich ihnen leider in meiner kleinen Wohnung nicht bieten. Sie lag in einer der äußeren Bezirke der Hauptstadt und ich teilte sie mir mit einer Frau mittleren Alters, die jedoch so selten zuhause war, dass ich die kleine Küche mit dem Esstisch an dem gerade so zwei Personen Platz nehmen konnten und das winzige Bad, mehr oder weniger für mich alleine hatte. Von ihrem Schlafzimmer hielt ich mich rein aus Prinzip fern. Es war, soweit ich wusste, ohnehin abgesperrt. Jedenfalls war ich davon immer ausgegangen. Ich hatte es nie ausprobiert.
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Serendipity (A BTS Jimin Fan-Fiction)
Fanfiction(wird aktuell überarbeitet, allerdings lade ich die neuen Kapitel immer so hoch, dass die Geschichte weiterhin gelesen werden kann:)) Eleanore Marygolde Hawthrone, gebürtige Britin, ist vor einem halben Jahr nach Seoul gezogen, wo sie an der Univers...