Wolkenmeer

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(Zomdado | Lichtermeer Fortsetzung)

Der Abend mit Micha in dem kleinen, gemütlichen Restaurant war wundervoll gewesen.
Ich hatte die Zeit völlig vergessen, bis Elfi mich schließlich fragte ob ich nicht nach hause müsste.
Mit einem erschrockenen Blick auf die Uhr hatte ich fest gestellt, dass es schon elf Uhr war und hatte mich hektisch verabschiedet.

Doch weit kam ich nicht, denn Micha war mir hinterher gestürmt um mir an zu bieten bei ihm zu schlafen, da ich doch einen recht weiten Heimweg hatte. Als ich abgelehnt hatte, wollte er es sich trotzdem nicht nehmen lassen mich zu begleiten.
Und so liefen wir nun nebeneinander her, von der Bahnhaltestelle zu mir nach hause.

Unser Gespräch hatte sich in Schweigen verwandelt, was ich anfangs nicht schlimm gefunden hatte. Doch mit der Zeit wurde es etwas unangenehm.
Michael neben mir hatte die Arme um sich geschlungen. Er hatte keine Jacke mit genommen und sein Shirt war für Februar definitiv zu dünn.
In der Straßenbahn war das nicht weiter schlimm gewesen, doch jetzt schien er zu frieren, sich aber nicht beschweren zu wollen.

Etwas unsicher darüber, ob ich das wirklich tun sollte, zog ich meine Jacke aus und hielt sie dem Jungen neben mir hin. Bevor ich etwas sagen konnte, wollte er sie ablehnen doch ich schüttelte den Kopf. "Keine Widerrede, du frierst.", grinste ich und ziemlich schnell gab er sich geschlagen. Ich zog mir die Ärmel meines Pullis über die Hände, es war frisch ohne Jacke, doch für den Rest des Weges wäre das kein Problem.

"Wir sollten ein Gesprächsthema finden, diese Stille ist etwas merkwürdig.", stellte Micha fest und ich nickte. "Wir haben bloß gefühlt alles durch."

Tatsächlich hatten wir den Abend über alles mögliche geredet. Hatten abgesprochen unbedingt miteinander zocken zu wollen, Telefonnummern ausgetauscht und uns gegenseitige von unserem halben Leben erzählt.

"Wie hast du eigentlich gemerkt, dass du nicht Hetero bist?", wollte er wissen und schob direkt ein: "Also du musst nicht erzählen wenn du nicht willst, ich kann verstehen wenn das Thema sensibel ist."
Ich lachte. "Nein alles gut, ich hab da überhaupt kein Problem mit."
"Okay.", er schien erleichtert und sah mich gespannt an: "Und?"
Etwas verwirrt schaute ich zurück und merkte erst dann, dass ich nicht geantwortet hatte. "Ach so, sorry. Durchs Internet würde ich sagen. Ich kenne echt niemanden der nicht straight ist und hab vorher dementsprechend nie drüber nachgedacht."

Er nickte: "Ich hab auch nie daran gedacht, dass ich schwul sein könnte, aber mir wurde ständig von allen gesagt wie gut das zu mir passen würde. Als ich mir das endlich eingestanden habe, ist mir erst aufgefallen, dass ich das vor Jahren schon hätte wissen können."
Ich hörte ihm gespannt zu und hätte beinahe unser Haus verpasst. "Also lebst du so zu sagen "geoutet"?", fragte ich und er lachte.
"Da der Rest der Welt es vor mir wusste bleibt kaum was anderes übrig. Und du?"

"Hmm, ich will mich nicht outen wenn ich nicht sagen kann was ich jetzt eigentlich bin. Wenn ich sage ich liebe halt einfach die Leute in die ich mich verliebe, versteht das doch keiner.", erklärte ich und zuckte mit den Schultern. "Irgendwann werde ich es schon rausfinden."

"Du wohnst hier oder?", wechselte er nun das Thema und ich nickte. "Na dann, gute Nacht.", lächelte er und wollte mir die Jacke zurück geben.

"Behalt die erstmal, sonst frierst du wieder. Ich hab noch eine andere.", lehnte ich ab und er wollte widersprechen, als mir das schlagende Argument in den Sinn kam: "Wenn du sie mitnimmst, haben wir einen Grund um uns nochmal zu treffen.", lachte ich und er grinste verschmitzt. "Du hast recht."
Damit nahm er mich in den Arm und verabschiedete sich: "Schlaf gut und bis bald."
"Du auch.", lächelte ich als er den Weg hinunter, zurück zu Haltestelle lief.

OneshotzeugWo Geschichten leben. Entdecke jetzt