Umzug

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(Wintersaft)

Erschöpft stellte ich den viel zu schweren Umzugskarton auf dem gefliesten Boden ab. Eigentlich ließ ich ihn mehr fallen, so dass er nach den letzten Zentimeter mit einem Knall aufkam. Der Lärm hallte in dem lichtdurchfluteten Treppenhaus wieder. Wenigstens würden die Bücher keinen großen Schaden davon tragen. Doch auf die Kisten mit dem Geschirr oder dem Computer hatte ich noch viel weniger Lust.
Meine Eltern hatten mir all mein Zeug mit dem großen Auto gebracht und geholfen die Möbel in den dritten Stock zu bugsieren, doch nun hatten sie keine Zeit mehr und die Umzugskartons blieben mit mir alleine zurück.

Mit einem genervten Stönen machte ich mich nun schon zum vierten Mal auf den Weg nach unten um einen weiteren Karton mühsam nach oben zu schleppen. Doch auf der Hälfte der Treppe angekommen wurde ich aufgehalten. Ein junger Mann, ungefähr so alt wie ich hatte die Tür zu seiner Wohnung geöffnet und musterte mich grinsend. "Gerade beim Umzug?", wollte er wissen und ich nickte. Etwas unsicher strich ich mir die Haare aus der Stirn und sah ihn an. Ich war ziemlich schüchtern und hatte eigentlich wenig Lust mich mit nachbarschaftlichen Kontakten auseinandersetzten zu müssen.
"Du hast echt Glück gehabt, die Wohnung ganz oben ist total schön und dazu echt günstig. Ich glaube nicht, dass sie noch länger frei geblieben wäre."

Ich nickte wieder: "Ja, ich fand sie auch klasse." Ich musterte meinen zukünftigen Nachbarn. Dafür, dass er grüne, etwas ausgeblichene und verstrubbelte Haare hatte wirkte er erstaunlich unscheinbar, doch ich fand ihn wirklich hübsch. "Ich bin Fabian, aber wenn du nichts dagegen hast würde ich lieber Osaft genannt werden."

"Okay, ich bin Sven.", schmunzelte ich. "Wieso Osaft?"
Er zuckte die Schultern. "Ist mit der Zeit so entstanden, ich weiß auch nicht.", lachte er und fragte dann: "Du bist ja schon eine Weile dabei, kann ich dir vielleicht helfen?"

Ursprünglich hatte ich das Gespräch schnellstmöglich beenden wollen, doch irgendwie mochte ich Osafts motivierte Art und stimmte dankbar zu.

Wir waren Beide nicht sonderlich muskulös und die restlichen Kisten nach oben zu schleppen war mir eigentlich viel zu anstrengen, doch zu zweit stellte sich die Aufgabe als erstaunlich kurzweilig heraus. Es viel mir leichter als erwartet mit Osaft zu quatschen und herum zu albern.

Schließlich ließ er sich im Schneidersitz auf einer der Bücherkisten nieder und grinste mich an. "Es sieht ganz so aus als müssten wir noch Möbel aufbauen."

"Ich schaffe das schon, immerhin hab ich dir schon genug Zeit geraubt.", meinte ich ohne wirklich zu wollen, dass er ging.

Doch er lachte vergnügt: "Ich hab genug Zeit, was soll ein Student in den Semesterferien schon machen, abgesehen davon in seiner Wohnung zu zocken?"

Ich zog gespielt entrüstet die Augenbrauen hoch: "Lernen? Arbeiten? Dem armen, überforderten Wintercracker beim Umzug helfen?"
"Du hast also auch einen Spitznamen, das hättest du gleich sagen sollen, dann hätte ich mich viel besser gefühlt.", er verschränkte die Arme vor der Brust und ich musste lachen. "Der heilige Orangensaft möge mir verzeihen."
"Ausnahmsweise", kicherte er und zog mich an der Hand ins Schlafzimmer wo das Bett und mein Kleiderschrank darauf warteten aufgebaut zu werden.

Den Schrank bekamen wir ganz gut hin und auch zwei Regale für das Wohnzimmer bauten wir problemlos zusammen, doch am Bettgestell scheiterten wir kläglich.
Schließlich zerknüllte ich die nichtssagende Anleitung und warf sie in die Ecke. "Ich will nicht mehr.", erklärte ich genervt und Osaft machte ein zustimmendes Geräusch. "Ich schlafe heute Nacht einfach im Wohnzimmer auf der Matraze, außerdem habe ich hunger.", teilte ich mit bösem Blick auf das unfertige Bett mit.

"Ich gehe stark davon aus, dass du nichts zu essen da hast?", lachte Osaft und ich nickte. "Ich bestelle Pizza und du suchst alle Kissen die du finden kannst zusammen. Dann setzten wir uns auf die Matratze und schauen auf dem Laptop Filme. Das ist nämlich das einzig wahre, was es nach einem Umzug zu tun gibt.", erklärte er sachlich und zog sein Handy hervor.

So kam es, dass wir zwanzig Minuten später in einem Berg aus Decken und meinen Sofakissen saßen und auf dem Laptop der fünfte Teil von Harry Potter anlief. "Danke für deine Hilfe, ich wäre sonst schon an den Kartons verzweifelt.", grinste ich und Osaft lachte leise. "Hat Spaß gemacht."

Nach Teil fünf und Sechs von Harry Potter, folgte Inception und schließlich ein Marvel Film, von dem ich nur noch die Hälfte mit bekam. Ohne es wirklich zu merken nickte ich an Osaft gelehnt ein und bekam es nicht mit wie er den Laptop schließlich ausschaltete und vorsichtig einen Arm um mich legte.

Ich hoffe du magst ihn KageNoSeishin ;)

OneshotzeugWo Geschichten leben. Entdecke jetzt