Granaten

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(Kürbistumor. Dieser Os spielt im 1. Weltkrieg also entschuldige ich mich für jegliche geschichtliche Fehler, ich habe nur mäßig aufgepasst im Unterricht xD)

Der Himmel färbte sich blutrot, genau wie die Kleidung der Gefallenen auf dem Schlachtfeld. Die Sonne sank immer weiter auf den Horizont zu und hoch über unseren Köpfen funkelten die ersten Sterne. Der Tag war trügerisch friedlich gewesen, gestern erst waren wir an der Front angekommen und bisher war alles ruhig.

Einige meiner Kameraden meinten diesen Freiden genießen zu müssen und vielleicht hatten sie Recht, doch ich war zu nervös um mich zu entspannen. Wie schafften sie es nur so unbekümmert Witze zu reißen? Es auch noch zu wagen sich über die hübschen Französinen zu unterhalten, zu denen sie sich manchmal heimlich geschlichen hatten? Sie hatten ihren Spaß mit den französischen Mädchen, doch ich hatte nur Gedanken für ihn.

Claus setzte sich neben mich ganz in die Ecke der Baracke, kurz hinter dem Schützengraben. "Du kannst nicht immer nur trübsinnig sein Manuel, wir haben vielleicht nur noch wenig Zeit zu leben, die sollten wir so glücklich verbringen wie es geht." Ich schnaubte. "Wir sind im Krieg Claus, dort ist man nicht glücklich, vielleicht hoffnungsvoll, doch auch das erscheint mir eher töricht.", ich senkete die Stimme ein wenig.
"Keiner dieser Jungen wird das Elternhaus vor seinem Tod noch einmal wiedersehen, sie haben keine Vorstellung von dem was hier passieren wird. Doch du weißt genau so gut wie ich , dass wir alle dem Tod geweiht sind."

Er antwortete nicht mehr, denn er wusste, dass ich Recht hatte. Die jungen Soldaten, die heute an der Front eingetroffen waren, hatten kaum eine Ausbildung gehabt und noch viel weniger eine Vorstellung davon was ihnen bevor stand. Einige von ihnen wirkten verunsichert, die Meisten lauschten fröhlich den Geschichten der Älteren über die französischen Mädchen.

Plötzlich vernahm ich ein Geräusch, weit entfernt, doch niemals wieder würde ich vergessen was das war. Das schrillle Pfeifen, gefolgt von einem gewaltigen Lärm. Die Jüngeren, die zuvor schon ängstlich gewirkt hatten, fuhren erschrocken zusammen. Die Anderen blickten auf, nicht ängstlich doch bei weitem nicht mehr so sicher wie vor wenigen Momenten noch.
"Es fängt an. Dieser Tag war viel zu ruhig, als dass heute nicht ein Angriff statt finden würde.", sagte Claus in die Runde.

"Was sollen wir tun?", fragte ein Junge, er konnte kaum fertig mit der Schule sein, so kindlich waren seine Züge noch. "Warten. Warten und hoffen, dass wir morgen noch leben.", erklärte ich schlicht.

Mehr und mehr Granaten schlugen ein, immer lauter wurden die Schüsse und die Baracken begannen bei jedem einzelnen Donnerschlag zu erzittern. Rufe schallten von draußen umher, panische Schreie, ein Feuer musste ausgebrochen sein. Der Granatenregen verwandelte die Luft in ein Schlachtfeld aus Trümmern und Staub rieselte von der Decke, unter dem ständigen Pfeifen und Knallen.

"Feuer! Feuer!", schallte ein aufgeregter Ruf direkt zu uns und die kleine Tür wurde aufgerissen. "Feuer!"
Dann sah ich das Feuer, die züngelden Flammen an der Außenwand, gegenüber der Tür. Sie leckten am erdigen Holz und schlängelten sich durch die Schlitze in den notdürftigen Wänden. "Raus! Alle raus hier!", brüllte der Offizier der die Tür aufgerissen hatte.
Panisch stürmten die Jungen aus der Baracke, nur um draußen von noch größerem Schrecken erwartete zu werden. "Rückzug! Wir ziehen uns in die hinteren Reihen zu rück!", wurden Befehle gebrüllte.

Ich hastete duch den schlammigen Schützengraben, Claus dicht hinter mir. Das altbekannte Pfeifen bohrt sich tief in meine Gehör und nur Sekunden später wurde kurz vor uns ein der Baracken zerfetzt. Holz splitterte und ich warf mich zu Boden, die Arme schützend über dem Kopf verschränkt. Schutt und Staub landeten auf mir, doch sofort kämpfte ich mich wieder hoch.
Der tote Körper eines unbekannten Soldaten war vor uns in den Graben gerutscht und ich wandte den Blick ab. Weiter vorne sah ich unsere Kameraden und drehte mich zu Claus herum. Er war nicht mehr da.

Ich hätte weiter laufen sollen, doch ich blieb stehen suchte mit den Augen nach ihm. "Claus! Wo bist du?", sekundelang blieb ich ohne Antwort, dann sah ich ihn. Erde und Trümmer hatten den Weg versperrt, den er nun hastig frei räumte. "Los weiter!", schrie er gegen den Lärm. Ich wandte mich um und einen Sekundenbruchteil war ich wie gelähmt, als mit dem Pfeifen auch ein Geschoss in mein Sichtfeld trat.

Geistesgegenwärtig sprang ich zurück, Claus stolperte rückwärts und sah mich entsetzt an. Die Explosion breitet sich in einer Druckwelle aus und schleuderte mich durch die Luft. Für einen kurzen, verzerrten Moment nahm ich Schmerz wahr, dann wurde alles um mich herum schwarz.

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Leise Stimmen drangen an meine Ohren, doch nur vereinzelte Wörter schafften es bis in mein Gehirn.
Wo war ich?
Vielleicht tot?
Nein, der Tod würde sich sicher anders anfühlen. Leichter, nicht so drückend und schmerzhaft.
Schmerzen, ich fühlte Schmerzen in meinem rechten Bein. Sie waren dumpf und ebend so drückend wie mein gesammter Körper sich anfühlte. Unter aller Anstrengung öffnete ich die Augen einen Spalt breit.

Es war dunkel. Schemenhafte Gestalten huschten umher und Sprachen mit Leuten die ich nicht sah. Jemand drückte meine Hand und eine Stimme hob sich von den anderen ab: "Manu? Hörst du mich? Wie geht's dir?"
Ich blinzelte, wollte den Kopf drehen doch es gelang mir nicht. Also drückte ich schwach Claus Hand und antwortete leise: "Es könnte besser sein. Bist du okay?"
Er lachte leise. "Ich hatte eine ziemlich üble Wunde am Rücken, aber um dich zu den Anderen zu bringen hat es noch gereicht. Mach dir um mich keine Sorgen."
"Was ist mit mir?", fragte ich zögerlich, meine Stimme war rau und kratzig.
"Du wurdest durch die Luftgeschleudert, genau wie ich warst du bewustlos, doch ich bin wieder aufgewacht. Dein Bein ist ziemlich zerfetzt worden, die Ärtzte konnten es irgendwie zusammenflicken, aber ich habe sie sagen hören, dass du nicht mehr normal laufen können wirst."

Ich sollte betroffen sein. Bedauern, dass ich nicht mehr gesund werden würde, doch ich war es nicht. "Dann, können wir nach hause, nicht? Wir müssen nicht zurück an die Front."
Ich sah wie er matt lächelte. "Ja, du wirst nach hause zurück kehren. Aber ich werde wieder gesund."

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Fast zwei Wochen später war der Tag gekommen. Mein Bein war verheilt und doch schmerzte es bei jedem Schritt. Ich stand am Bahnhof, der Zug, der mich zurück in mein Heimatdorf bringen würde stand bereits am Gleis. Claus war bei mir, im Gegensatz zu mir trug er seine Uniform. "Du musst gehen.", stellte er fest und ich nickte traurig.
"Versprich mir auf dich auf zu passen. Vergiss, dass ich gesagt habe es gäbe keine Hoffnung und komm mich irgendwann besuchen."
Er nickte und zog mich für einen kurzen Moment in seine Arme. Ehe er sich umwandt und ging, ich schaute meinem besten Freund nach und stieg in den Zug.

Ich ließ ihn zurück, doch dafür war ich auf dem Weg nach hause, dort hin wo der Mann den ich über alles liebte auf mich wartete.
Patrick hatte nicht an die Front gemusst, er war krank. "Krebs", hatte der Artzt mit bedauerndem Blick vor einem Jahr gesagt. Er hatte bezweifelt ob Patrick noch lange zu leben hatte, doch er hielt durch und noch ging es ihm gut.

Schließlich wurde der Zug langsamer und hielt mit quietschenden Bremsen. Ich stand auf und humpelte mühsam zum Ausgang.
Verloren stand ich auf dem winzigen Bahnsteig des Dorfes, die wenigen Fahrgäste, die auch hier ausgestiegen waren, waren längst davon geeilt. Ich blickte mich um, der Platz war menschenleer, bis auf eine Person.

Als er mich sah rannte Patrick auf mich zu und so schnell ich konnte kam ich ihm entgegen. Als er mich erreichte, schlang er seine Arme um meine Tallie wirbelte mich ein kleines Stück in die Luft. Dann zog er mich fest in seine Arme.
Eng aneinander gedrückt standen wir da, Tränen rollten unablässig über meine Wangen.
Liebevoll sah er mich an und strich mir durch das schmale Gesicht. "Du bist zurück.", flüsterte er.
"Bist du... bist du sicher, dass du mich noch lieben kannst?", fragte ich erstickt. "Ich werde nie wieder richtig Laufen können. Ich bin das, was sie einen Krüppel nennen."
"Manuel du bist der schönste und wundervollste Mensch den ich kenne, ich könnte nie aufhören dich zu lieben.", hauchte er. "Du warst für mich da, als alle dachten ich würde sterben und bisher geht es mir prächtig. Ich liebe dich."
Ein Lächeln breitete sich über mein Gesich und verstohlen sah ich mich um. Immer noch waren wir allein.
Dann legte ich sanft meine Lippen auf seine.

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