Liebe ist nicht nicht kompliziert, okay?

977 51 100
                                    

Es war einer dieser normalen, gähnend langweiligen Tage.
Die Sonne schien, das Wetter war lauwarm, alle Kinder kreischten und tobten draußen herum und Ray saß - wie immer - an seinem Lieblingslesebaum angelehnt und las gelangweilt ein Buch. Ob das jetzt wirklich Rays Lieblingslesebaum war, kann man schwer sagen, da er ausschließlich immer am diesem Baum saß. Vermutlich lag es wohl daran, dass es in den nächsten Umkreis von hundert Metern keinen weiteren Baum gab, der in der Nähe vom Haus stand. Und wer möchte bitteschön kilometerweit laufen, nur um ein Buch zu lesen? Ray zumindest nicht.
Er saß - wie schon erwähnt - an seinen gezwungen Lieblingslesebaum und las das Fantasybuch Das ferne Ufer von der Erdsee-Chroniken.
Mehrmals fing Ray beim Lesen immer wieder an zu gähnen.
»Mann, ist das Buch langweilig«, dachte er sich, »Ich will mir echt nicht vorstellen, wie wohl damals der animierter Kinofilm dazu ankam. Tja... Vielleicht könnten wir ja mal so etwas wie Filme schauen, wenn wir mal endlich einen Videoprojektor besitzen, wo man das abspielen kann!«
Aber dann fiel Ray ein, dass er diesen Wunsch noch gar nicht zu Mama geäußert hat. Und da der Tag dieses Kapitels noch sehr lange vor Folge 1 des Animes spielt, hatte Ray sich noch nicht mal gewünscht, eine Kamera zu bekommen.
»Na gut... Wenn es soweit ist, wünsche ich mir zuerst einen klobigen Fernseher, Glasfaserkabel, einen Videorekorder und VHS-Kassetten.«
Ray war gerade mit dem Lesen des Buches fertig, da rannte Norman auf ihn zu, griff nach dem Buch, schmiss es direkt in Rays Gesicht und brüllte ihn an: »Ray, ich hab mich dazu entschieden! Ich werde es machen!«
»Gah!«, brüllte Ray zurück, nahm das Buch aus seinem Gesicht, klappte es zu, wunderte sich nicht über die Blutspritzer und legte es zur Seite. Kaum zu glauben, dass er mal vom Lesen Nasenbluten bekäme.
Ray schaute gelangweilt Norman an: »Gut, und was genau willst du nun machen?«
Norman wurde ein bisschen rot, schaute Ray ernst an und sprach nun etwas leiser: »Ich werde heute Emma meine Liebe gestehen.«
Rays gelangweiligter Blick blieb weiterhin gelangweiligt.
»Viel Glück dabei. Ist ja nicht so, dass du das eh sowieso jeden Tag machst.«
»Was meinst du jetzt damit, ich würde das jeden Tag machen?«
»Ähm... Deine komplette Art?! Jedes zweite Wort von dir ist Emma, du glotzt sie ständig an und murmelst immer ich liebe sie
»Ach komm, Ray, du hast wohl ein kleines bisschen zu dick aufgetragen.«
Ray stand langsam auf.
»Naja, ist ja auch egal. Du kannst meinetwegen - so wie jeden Tag - deine Liebe gestehen, aber du weißt schon, dass Emma dich nur als Bruder ansieht.«
Diesmal schaute Norman Ray genervt an.
»Ja, schön, dass du das vielleicht so erwähnst, Ray, aber dir ist schon klar, dass wir alle so oder so Emmas Brüder und Schwestern sind. Wir sind doch alles Kinder, die keine leiblichen Eltern haben«
»Ähm...«, Ray guckte nachdenkend zur Seite, »Ach jaaaa... Da war ja was...«
Aber Ray fing trotzdem an zu lächeln und klopfte Norman kumpelbruderhaft auf die Schulter: »Naja, trotzdem viel Glück, Normi. Vielleicht klappt es ja diesmal.«
»Normi?«
»Passt dir Normi nicht? Dann doch eher Broman
»Ray, hör auf mit diesen dummen Witzen!«
»Mann, okay, ist ja gut!«, antwortete Ray sarkastisch, steckte beide Hände in seine Hosentaschen und grinst Norman schelmisch an.
»Auch wenn wir in einem Alter sind, wo uns das mit der Liebe egal ist, bin ich doch echt erstaunt, wie sehr du dich zu Emma angezogen fühlst. So, wie ich dich kenne, würdest du, als Mathefetischist, doch eher von der Mathematik entjungfernt werden, als von einer menschlichen Person. Falls das überhaupt gehen sollte...«
»Ja doch, das kann schon funktionieren. Wenn man das Mathebuch richtig verwendet-«
»Boah, Norman! Hör auf damit! Das will ich gar nicht hören!«
Norman fängt an zu lachen.
»Mensch Ray, das glaubst auch nur du! Das war doch nur ein dummer Witz.«
»Du bist viel zu klug um einen dummen Witz zu reißen!«
»Naja... Wie auch immer. Ich liebe Mathe und Emma löst bei mir Nasenbluten aus.«
»Ähm... Was?«
»Huch, das habe ich wohl vertauscht.«
»Norman, das macht das Ganze nicht besser-«
»Wie auch immer«, unterbrach Norman ihn und schmiss wieder das Buch in Rays Gesicht, »ich werde jetzt zu Emma gehen. Drück mir dir Daumen.«
Daraufhin ging Norman weg.
Ray wischte sich mit der Hand unter seiner Nase, schaute sich seine blutverschmierte Hand an und murmelte: »Und ich bekomme vom diesem Buch Nasenbluten, aber auf eine andere Art.«

Pommes Neverland [Fail Fiction]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt