Kapitel 15

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,,Verdammt, verdammt, verdammt", fluchend lief ich durch mein kleines Zimmer. Der Grund dafür der Junge in meinem Bett, der eigentlich tot sein sollte.
Nachdem Jack plötzlich vor meiner Tür aufgetaucht und zusammengebrochen war, hatte ich ihn mit in mein Zimmer genommen. Er war seit dem nicht mehr ansprechbar. Er zitterte am ganzen Körper, seine Haut war blass und beinahe durchsichtig. Ich hatte das Gefühl das Blut durch seine Adern fließen zu sehen und genau das war unmöglich.
Ich wusste, dass er nicht mehr lange leben würde, wenn ich nicht etwas unternahm. Ich setzte mich vorsichtig ebenfalls aufs Bett und griff nach meinem Handy. Ich musste den Notarzt rufen. Genau!
Zitternd rief ich mir den Deutschen Notruf in den Kopf und wählte die Nummer, doch bevor ich auf den grünen Knopf drücken konnte, spürte ich eine kühle, schwache Hand um mein Gelenk greifen.
,,Nicht", Jacks Stimme war nur ein schwaches Flüstern aber er klang überzeugt.
,,Du stirbst wenn ich niemanden hole, Jack"
,,Bitte", seufzend legte ich das Handy wieder weg. Er sank wieder in sein Kissen und seine Hand fiel von mir ab. Seine Augenlider schlossen sich und ein erneuter Zitteranfall lies seinen Körper erbeben. 
Panik hatte jegliches Gefühl aus meinem Körper vertrieben und jede meiner Zellen eingenommen. Ich wusste nicht was ich machen sollte, nur, dass ich etwas machen musste.
Ich lies meinen Kopf in meine Hände sinken. Ich musste runterkommen.
Ich musste versuchen rational zu denken. Rational. Wie Jonah.
Okay, das war ein Anfang.
Was würde Jonah tun? Er würde den Notarzt holen, egal was Jack sagen würde. Aber ich wusste den Grund nicht, warum er keinen Arzt wollte. Was wenn er etwas verbrochen hatte? Wenn er dann weggesperrt werden würde und ich ihn niemals wieder sehen würde?
,,ARGH", frustriert schlug ich auf die Matratze, die schweißgebadet war. 
Ich legte meine Hand auf Jacks glühende Wange und strich ihm eine seiner feuchten Strähnen aus dem Gesicht. Ich hab's!
,,Warte hier. Ich muss jemanden holen", ich sprang vom Bett auf, aus der Wohnung, ohne mir darüber Gedanken zu machen wie dumm meine Bitte gerade gewesen war. 

Ich stolperte beinahe die Treppe hinunter und war so schnell wie noch nie vor Lewis' Tür angekommen. Hoffentlich war er da. Ich klopfte. Erst einmal, dann zwei Mal und nochmal. Komm schon Lewis, bitte.
Von aller Hoffnung verlassen klopfte ich ein letztes Mal und tatsächlich: die Tür öffnete sich.
,,Hör zu, Ally. Ich will dich gerade echt nicht sehen"
,,Ich weiß. Aber ich brauche deine Hilfe. Es ist wichtig", Lewis runzelte seine Stirn und musterte mich zweifelnd.
,,Bitte", meine Stimme überschlug sich und er gab nach und nickte.
,,Na gut. Worum geht es?", erleichtert erläuterte ich ihm so gut es ging die Situation.

,,Oh meine Güte", Lewis trat einen erschrockenen Schritt zurück als er Jack entdeckte.
,,Was ist mit ihm? Was können wir machen?", Lewis schüttelte den Kopf und setzte sich auf das Bett und legte seine Hand auf Jacks Stirn.
,,Ally wir müssen einen Notarzt rufen", er schaute verzweifelt zu mir.
,,Das können wir nicht. Ich weiß nicht ob er eine Straftat begangen hat, oder irgendwas anderes", Lewis sagte für einen Moment nichts und schaute mich an als würde er etwas überlegen.
,,Ich weiß weder wer er ist, noch was du mit ihm zu tun hast, aber ich werde dir helfen", lächelnd nickte ich.
,,Ich schätze das sind Entzugserscheinungen er hat wohl Drogen genommen oder so und jetzt-"
,,Ich weiß", unterbrach ich ihn. 
,,Was können wir dagegen machen?", fragte ich. Lewis strich sich durch seine blonden Haare.
,,Er muss viel trinken, wir müssen seine Körpertemperatur runter bekommen und hoffen, dass er kein Herzrasen bekommt. Das überlebt er nicht", ich nickte wie ein kleines Kind, das gerade getadelt wurde und Lewis stand vom Bett auf.
,,Hol einen nassen Waschlappen, ich hole etwas für ihn zum trinken und Aspirin", wie mir befohlen rannte ich ins Bad um einen Lappen zu benässen und eilte dann wieder ans Bett zu Jack. Ich legte ihm den Lappen auf die Stirn, als sich plötzlich sein Rücken durch bog. Erschrocken wich ich zurück. Alles an ihm verkrampfte sich und seine Augen rollten nach hinten.
,,Verdammt! Ally hilf mir!", ich hörte Lewis wie durch eine Wand durch ins Zimmer kommen. Konnte aber keinen Muskel bewegen. Stattdessen merkte ich wie mir die Tränen die Wange hinunter rannten. Er würde sterben. Ein zweites Mal würde ich das nicht überstehen.
,,Ally bitte, wir müssen ihn zur Seite drehen. Sonst erstickt er", wie auf Knopfdruck erlangte ich die Kontrolle über meinen Körper wieder und rannte zu Lewis. Zusammen schafften wir es ihn zur Seite zu drehen und wenig später entspannte Jack sich wieder. Lewis schaute schwer atmend zu mir, nun auch er mit Schweißtropfen auf der Stirn.
,,Alles gut?"
,,Alles gut, ja", Lewis legte seine Arme um mich und ich schloss die Augen. Alles war gut.

,,Das war ein Krampfanfall, es kann noch öfter passieren. So lange du dabei bist und ihn zur Seite drehen kannst, wird es gut gehen", erklärte Lewis, während er den Lappen erneut in einer Schüssel befeuchtete und Jack damit abtupfte und schließlich den Lumpen auf seiner Stirn ablegte.
,,Es tut mir Leid, ich wollte helfen, aber irgendwie ging es nicht", ich schaute ihn nicht an, stattdessen starrte ich auf Jack, der mittlerweile beinahe friedlich in dem Bett lag und seine Augen geschlossen hatte. Wäre Lewis nicht da gewesen wäre er jetzt meinetwegen tot.
,,Kein Grund sich zu entschuldigen. Er ist dir auf irgendeine Weise wichtig und ich kann mir vorstellen wie schlimm das für dich sein muss", sagte Lewis, aber ich antwortete nicht.
,,Woher wusstest du, dass ich dir helfen könnte?", fragte er stattdessen und ich lachte leise auf.
,,Reiner Glückstreffer. Für mich gehört ärztliches Wissen zur Grundausbildung der Nerds", Lewis lachte trotz des in dieser Situation unpassenden Witzes.
,,Dann hattest du ja Glück, dass ich der totale Klischee - Nerd bin, was?"
,,Ich bin dir ehrlich dankbar. Ich hätte nicht wissen wollen wie das ohne dich ausgegangen wäre", er grinste leicht, stand dann aber auf.
,,Du hättest das auch so hinbekommen, da bin ich mir sicher. Ich muss jetzt aber los, habe noch eine Schicht im Cafe. Sollte etwas passieren, ruf mich an, ich komme dann sofort", mittlerweile stand er vor mir, seine Hände auf meiner Schulter abgelegt. Nach kurzem Zögern zog ich ihn in eine Umarmung.
,,Wie auch immer. Denk dran ihm so oft es geht Wasser zu geben. Sollte er sich übergeben ist es nicht weiter schlimm du musst nur aufpassen, dass er nicht daran erstickt. Wenn er aufwacht kannst du ihm eine Aspirin geben und wenn er clean bleibt wird es ihm bald besser gehen. Ich komme morgen wieder vorbei um nach dir... Nach ihm zu schauen", mit geröteten Wangen löste er sich wieder von mir und drückte mir die Tabletten in die Hand bevor er ging.

Langsam führte ich das Glas zu Jacks Lippen um ihm etwas Wasser einzuführen. Mit einer befeuchteten Ecke eines Handtuches wisch ich ihm einige seiner Locken aus dem Gesicht. Vorsichtig, beinahe beängstigt ihn zu zerbrechen, fuhr ich mit dem Handrücken seine Konturen nach. Sein Brustkorb hob und senkte sich regelmäßig unter dem Gewicht meines Arms und ich konnte es kaum glauben. Der Junge den ich geliebt hatte und gedacht hatte ihn durch den Tod verloren zu haben, lag hier in meinem Bett, in Deutschland. Ich wusste nicht was passiert war. Was ihm passiert war. Aber ich konnte nicht leugnen, dass ich unglaublich dankbar war, dass er dadurch hier bei mir gelandet war.
Ich hörte das Schloss knacken und schreckte zusammen. Das hatte ich total vergessen. Meine Mutter.
,,Ally? Bist du da?", ich stürmte so schnell es ging aus meinem Zimmer und konnte meine Mutter direkt vor meiner Tür abfangen.
,,Heyyyy", meine Mutter schaute mich skeptisch an.
,,Heyyyy?", gab sie etwas verwirrt zurück, aber lächelte leicht. Ich zog die Tür hinter mir so unauffällig wie möglich ins Schloss. Betend, dass Jack nicht genau jetzt aufwachen würde.
,,Na, ich wollte nur fragen, ob du hunger hast. Ich habe etwas vom Chinesen mitgenommen. Bei all dem Trubel heute im Büro konnte ich mich nicht mehr aufrappeln zu kochen", sagte sie schließlich und lief zurück in die Küche. Und mit großer Erleichterung folgte ich ihr. 
Sie zog eine Box voll Reis und Nudeln aus einer Plastiktüte und drückte sie mir in die Hand.
,,Würdest du dann bitte schon ein Mal den Tisch decken?", verdammt, so lange konnte ich Jack nicht alleine lassen und ihr von ihm erzählen schloss ich sowieso aus.
,,Weißt du was, ich würde gerne alleine essen", meine Mutter schaute mich mit gekräuselter Stirn an.
,,In meinem Zimmer", sie sagte noch immer nichts.
,,Allein", Super, Ally. Noch seltsamer kann man die Situation nicht mehr machen.
,,Meinetwegen. Aber bring bitte den Müll später aus deinem Zimmer", sagte sie sichtlich geknickt. Aber auf ihre Gefühle konnte ich gerade wirklich nicht achten.
Ich nickte hastig und nahm mir den Reis und eine Gabel aus einer Schublade um danach wieder in mein Zimmer zu eilen.

Ich schloss die Tür hinter mir und atmete aus um etwas runter zu kommen. Das war wirklich knapp.
,,Ally?"
,,Du bist wach!", ich schlug mir die Hand vor den Mund um nicht noch lauter zu werden. Ich kniete mich vor das Bett. Jack blinzelte und versuchte verzweifelt die Augen offen zu halten. 
,,Willst du etwas trinken?", er nickte kaum sehbar und ich führte das Glas, welches immernoch neben dem Bett stand, zu seinem Mund, woraus er einige Schlücke trank. Danach stellte ich es wieder zurück. Er suchte mit seiner Hand nach meiner und ich gab sie ihm. Stärker als erwartet umklammerte er sie und ihm nächsten Moment war er wieder weg. Seine Augen fielen zu und er antwortete nicht mehr auf meine Fragen. Ich versuchte mich nicht davon einschüchtern zu lassen. Er würde nicht vom einen auf den nächsten Moment wieder gesund werden. Ich versuchte mich wieder aus seinem Griff zu befreien, aber er löste sich nicht von mir. Langsam legte ich mich neben ihn ins Bett, seine Hand dabei nicht los lassend. Ich schmiegte mich an ihn und bemerkte das Kribbeln, das sich durch meinen Bauch zog und das ich so vermisst hatte.

Whatever you do - Why don't we FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt