_distance

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Unser Verhalten wurde zunehmend seltsamer und distanzierter. Somin und ich liefen nebeneinander her, doch wir hielten beide gleichermaßen Abstand vom jeweils anderen.
Ich, weil ich Somin nicht wehtun wollte, wenn ich wieder einmal einen Bewusstseinsaussetzer hatte und sie vermutlich, weil sie ihren eigenen Anblick nicht einmal ertragen hatte und nun dachte, das für mich das selbe galt.
Doch für mich hatte sich an ihr nichts geändert, selbst wenn ich es zu ihr gesagt hatte, in einem Moment, in dem ich nicht einmal wusste, wer ich selbst gewesen war.
Und noch immer hatte ich nicht eine einzige Erinnerung daran, was überhaupt passiert war. Somin hatte mir bloß das ganze Grauen geschildert.

"Somin, es tut mir leid, was ich getan habe", sagte ich und linste zu ihr rüber.
Sie hatte den Kopf gesenkt und sich die Haare vor das Gesicht geschoben, damit es vor mir verborgen blieb.
"Du musst dich nicht die ganze Zeit entschuldigen", sagte sie mit leiser Stimme. Es schwang ein angedeutetes Lächeln mit, doch ich wusste, dass sie es nur mir zuliebe aufsetzte. Sie musste schreckliche Angst vor mir in diesem Zustand gehabt haben.
"Ich weiß, aber du versteckst auch die ganze Zeit dein Gesicht, obwohl sich für mich nichts ändert. Wir haben beide Angst."

Sie hob den Blick und sah mich an. Ein Auge bloß noch ein rot leuchtender Punkt auf einer von Schatten bedeckten Gesichtshälfte, das andere Auge aber war das traurig dreinblickende braune von Somin, das mittlerweile seinen kompletten Glanz verloren hatte.
Ich streckte eine Hand aus und Somin legte ihren Streitkolben in die andere Hand, um mir ihre nun freie Hand zu reichen.
So liefen wir also mit ein paar Schritten Abstand Hand in Hand über die Felder der Verdammten, bis sich der Abstand zwischen uns immer weiter verringerte und sich schon bald unsere Arme berührten.

"Lass uns keine Angst voreinander haben", sagte ich und Somin sah mich überrascht und leicht panisch an.
"Angst? Ich habe keine Angst vor dir. Hast du etwa Angst vor mir, Jimin?", fragte sie und ihre Stimme zitterte so sehr, dass ich sofort am liebsten zurückgenommen hätte, was ich gesagt hatte.
"Nein! So meinte ich das nicht. Ich meinte nur, weil ich dich angegriffen habe und weil du glaubst, dein Gesicht vor mir verbergen zu müssen", erklärte ich schnell und schluckte, weil sich ihre Miene nicht änderte.
Doch dann seufzte sie leise, schloss ihre Finger stärker um meine und bettete ihren Kopf auf meine Schulter.

~*~

Erst zur Nachmittagszeit ging ich ins Krankenhaus, um nach Somin zu sehen. Yejun hatte mich bereits am Morgen, kurz nach Eunjis plötzlichem Auftauchen, angeschrieben und gefragt ob ich auch am späten Vormittag im Krankenhaus sein würde.
Ich hatte sofort eine Ausrede gesucht und so lange wie möglich abgewartet. Aber ich konnte nicht den ganzen Tag herumsitzen und nervös wartend mit den Zähnen herumknirschen.

Also betrat ich mit gesenktem Kopf das Krankenhaus, teilweise, um nicht so viel Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen, falls mir jemand begegnen sollte, vor allem aber, weil die Sache mit Eunji noch immer schmerzte und würde ich genau ihr begegnen ... ich würde es vor Peinlichkeit und Herzrasen gar nicht überleben.
Schnell musste ich aber herausfinden, dass man mich nicht nicht ansprechen würde, selbst, wenn ich niemanden beachtete.
"Haeun?" Es war Jungkook, der auf mich zugelaufen kam, direkt nachdem er mich entdeckt hatte. Ich gab mich geschlagen und sah gezwungen lächelnd zu ihm hoch, als er bei mir ankam.

"Hey, schätze ich", entgegnete ich und ich wollte an dem Idol vorbeispazieren, doch er schob sich mir in den Weg.
"Alles okay? Warum sind deine Augen so gerötet?", fragte er und betrachtete mich eingehend. Ich seufzte und winkte ab.
"Nichts besonderes. Ich bin bloß allergisch gegen Pollen", redete ich mich schwach heraus und versuchte auf die andere Seite auszuweichen, doch Jungkook stellte sich wieder vor mich. Er verschränkte die Arme vor der Brust.
"Wir haben Spätherbst und es regnet fast jeden Tag draußen. Ich glaube nicht, dass noch sonderlich viele Pollen rumfliegen."

Ich warf die Arme in die Höhe und gab mich ein weiteres Mal geschlagen. Geknickt setzte ich mich auf einen Stuhl im Wartebereich vor der Rezeption und ließ den Kopf hängen. Es dauerte nicht lange bis Jungkook sich zu mir setzte.
"Ich will einfach nur mit Somin reden. Aber wenn ich ihr etwas erzähle, kann sie nicht antworten und es ist einfach nicht das selbe. Ich vermisse es mit ihr zu reden und ich brauche dringend ihren Rat."
Schnaubend stützte ich das Gesicht in meine Hände und blinzelte diese verdammten Tränen weg, die sich versuchten einen Weg nach draußen zu bahnen.

Ganz leicht und kaum spürbar legte sich etwas warmes, wohltuendes auf meine Schulter und ein seichtes Pulsieren floss durch sie hindurch, bis hin zu meinem nun leicht erröteten Gesicht.
Als ich mich aufsetzte, sah Jungkook mich nicht an, sondern hielt bloß meine Schulter und strich sachte mit dem Daumen darüber.
Es war nicht ganz das selbe, wie wenn sie mich anfasste, aber es fühlte sich zart, schüchtern und beruhigend an. Wie alles, was ich die ganze Zeit gesucht hatte.
Er gab mir Sicherheit. Eine Sicherheit von der ich dachte, dass ich sie bloß noch vortäuschen könnte, würde ich sie bei einem Mann suchen.

"Du kannst auch mit anderen Freunden reden. Somin ist sicherlich nicht die einzige, der du deine Probleme anvertrauen kannst. Es ist immer besser, sich alles von der Seele zu reden", sagte Jungkook und nun traf sein Blick auf meinen und ich blinzelte verzückt, als mein Herz einen Satz machte und ich laut nach Luft schnappen musste.
"Über sowas kann ich nur mit Somin reden", antwortete ich und hörte meine eigene Stimme wie von weither. "Aber vielleicht ist das gar nicht mehr notwendig."
Jungkooks Blick wurde verwirrt und seine Hand begann von meiner Schulter zu gleiten. Schnell schnappte ich sie und hielt sie fest, damit sie dort blieb, wo sie war.

Es war ein Lichtblick. Er war ein Lichtblick für mich. Ich fühlte mich so wie immer, nichts musste sich verändern, wenn er nur weiter meinen Kopf verdrehte und Eunji daraus verbannte.
"Bitte lass sie dort. Ich ... das gibt mir Hoffnung", sagte ich ehrlich und Jungkooks Miene war noch immer ein wenig verwirrt, doch er nickte. Sicherlich glaubte er, er würde meinen Schmerz lindern, den ich durch die geistige Abwesenheit meiner besten Freundin empfand und von mir aus sollte er es weiter glauben. Solange ich mich auf das stürzen konnte, was ich gerade fühlte und das sich realer anfühlte als das, was ich mit Yongjoon teilte.

Solange ich mich von ihr distanzieren konnte und mich in jemand anderen verliebte.
"Danke", sagte ich mit einem kleinen Lächeln und mein Gegenüber nickte ein weiteres mal, ehe er den Blick wieder abwandte und seine Hand unter meiner immer wärmer wurde.
Es ließ mich erleichtert aufatmen, auch wenn das ganze von außen betrachtet wirklich seltsam aussehen musste. Doch das störte mich nicht. Solange in mir drinnen alles im reinen war und mein Herz mir wieder gehorchte.
Ich hoffte es gehorchte mir auch weiter.
Selbst wenn Jungkooks zaghafte und sanfte Berührung fehlte.






[short chapter again. aber hier musste ein cut hin. yes es wird noch verwirrender, was haeun angeht und nur um es klarzustellen, ich versuche hier nicht darzustellen, dass ihre gefühle für eunji etwas schlechtes sind, aber das was haeun da gerade durchmacht ist sehr komplex und verwirrend. sowohl für sie, als auch für mich und sicherlich auch für euch. das soll es nur rüberbringen und das, was sie da gerade versucht (ihre gefühle zu unterdrücken) wird sowas von noch konsequenzen haben. ;) kleiner spoiler am rande. xD
gute nacht, alle zusammen! <3]

Dreamland Prisoners || park jiminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt