_is this our end?

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Ich musste dabei zusehen, wie sie durch die Nebeldecke fiel und verschwand. Ich konnte es nicht aufhalten, hatte sie nicht festahlten können und es gab keine Möglichkeit, sie zu retten.
Das einzige, was ich tun konnte, war ihr zu folgen und ihr zur Seite zu stehen, falls sie denn noch lebte. Wenn nicht, würde ich es auch nicht überleben.

Das Knacken unter mir war unheilvoll und als ich mich erhob und die Stufe unter mir endlich nachgab, wurde ich nach hinten gerissen. Ich wollte mich wehren, als mich jemand hinter sich her die Stufen hinauf zog, doch meine Beine bewegten sich wie von alleine, während ein Tränenschleier meine Sicht verschwimmen ließ.
Beinahe willenlos folgte ich der Person und als wir oben ankamen, überkam mich ein Ruck der Erleichterung und ich wusste, dass ich wieder auf einer der altbekannten Traumwelten angekommen war.
Doch Somin war weiter dort unten.

Ich bewegte mich zurück zum Abgrund, doch jemand brachte mich mit einem Griff an meinem Shirtkragen zum Innehalten.
"Lass mich los", mahnte ich, da ich nicht die Kraft verspürte, mich gegen den Griff zu wehren. Mit einem Ruck wurde ich wieder zurückgezogen, so dass mein Oberteil mir kurz schmerzhaft  in den Hals schnitt.
Wütend drehte ich mich um.
"Sie ist noch da unten! Somin kann da nicht bleiben!"
"Es ist zu spät."
Die Stimme der blonden jungen Frau war erstaunlich sanft und traurig. Die Eiseskälte war aus den stahlgrauen Augen verschwunden und mein Gegenüber zog die dunklen Augenbrauen schmerzhaft zusammen.

"Es ist wohl dazu gekommen, dass jeder seinen Preis zahlen musste. Somin wird sich verlieren, du hast sie verloren und ich habe ihn verloren", sagte sie und wandte mit tränennassen Augen den Blick ab.
"Zumindest spüre ich ihn hier nicht."
Endlich brachte ich die nötige Kraft auf, mich aus ihrem Griff zu befreien und sah an mir hinab. Der Schattenbefall war verschwunden, ich verspürte keinen unstillbaren Durst mehr und mein Köper fühlte sich plötzlich so leicht und frei an. Wäre da nicht das Schuldgefühl, dass ich Somin nicht hatte retten können und die Trauer, dass ich sie vielleicht nie wieder sehen würde.

Mit zitternden Beinen, sank ich auf die Knie, vergrub mein Gesicht in meinen Händen und konnte den Tränenfluss nicht mehr stoppen.
"Es tut mir leid", sagte die Frau, die mich nur vor meinem Absturz hatte bewahren wollen und mich zeitgleich von Somin getrennt hatte. Ich sollte ihr nicht wütend sein, aber in diesem Moment war ich wütend auf alles.
Wütend darüber, dass ich Somin nicht hatte retten können. Immer wieder hatte sie mir aus der Klemme geholfen, aber was hatte ich für sie getan? Ich war wütend, dass Somin auch in diesem letzten Moment ihr Leben für meines gegeben hatte. Ich war wütend, dass diese Frau nur mich gerettet hatte, nicht auch Somin. Wäre sie nur einen Moment früher zurückgekehrt-

Das Geräusch von Stahl auf Stein unterbrach meine Gedanken und ich sah auf. Am Rand des Abgrundes war eine schwarz glänzende Stahlspitze aufgetaucht, an der vier identische Klingen angebracht waren und ich erkannte diese Waffe sofort, auch wenn sie nicht mehr silbern war.
"Somin", sagte ich atemlos und stand sofort auf.
Eine in schwarzen Schatten getränkte Hand hielt sich am Rand fest und ich fasste schnell nach ihr, um sie hochzuziehen. Das war unglaublich, sie hatte es geschafft.
Als ich sie über den Rand hievte, war von Somin allerdings nichts mehr zu erkennen. Sie war nun komplett in Schatten gehüllt und ihr undurchdringlicher Blick ließ mich schaudern.

Sie machte sich von mir los, zog ihren Streitkolben aus dem Stein und lief an mir vorbei, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen. Dennoch überströmte mich heiße Erleichterung. Sie war zumindest noch am Leben.
Allerdings realisierte ich mehr und mehr, was nun aus ihr geworden war.
Mit einem Ruck packte sie die blonde Frau am Shirtkragen und zog sie so nah zu sich heran, dass sie ihr direkt in die Augen blicken konnte.
"Es ist alles deine Schuld", erklang eine bebende Stimme, die überall widerzuhallen schien, als würden tausende Stimmen Somins Worte nachahmen.
"Du kanntest den Weg von vornerein und hast uns so weit durch diese Unterwelt getrieben, bis wir eine Verbindung zu den Verlorenen aufgebaut haben. Ich höre sie, sie haben alles beobachtet. Du wolltest nur von dort wegkommen, egal, wer dabei zu schaden kommt. Es war dir verflucht nochmal egal."

Dreamland Prisoners || park jiminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt