Konzentriert suchte Natasha ihre innere Balance, bevor sie einen Ausfallschritt nach vorn machte und dann einen gezielten Tritt ausübte. Fast schon freute sie sich, dass er ihr nach langem Üben endlich gelungen war, als sich ein starker Arm um ihr Schienbein schlang und sie mit einem Ruck vom übrig gebliebenen Fuß gezogen wurde. Unsanft landete sie auf der Matte und fing sich mit den Unterarmen ab. Bram grinste von oben auf sie hinab.
Er war ein absoluter Riese, fast zwei Meter groß und breit gebaut. Als Natasha ihn vor drei Jahren das erste Mal getroffen hatte, hatte er jedoch nicht wie ein Bodyguard gewirkt (ein Eindruck, den er auf die meisten Menschen zuerst machte), sondern eher wie ein sehr sehr großer Teddy, denn er war wie damals die Erstklässler in Hogwarts auf dem Campus herumgeirrt. Sie hatte ihm den Weg zur Bibliothek gezeigt, denn wie sich herausstellte war er zum einen sehr schüchtern (was lachhaft war für jemanden dieser Größe) und zu anderen ein absoluter Bücherwurm. Als sie sich dann zwei Wochen später beim uniinternen LGBT-Club wieder getroffen hatten, war das Eis endgültig gebrochen.
"Du denkst zu viel.", erklärte er. "Du versuchst, alles richtig zu machen und vergisst dabei, dass ich reagieren kann."
"Jaja." Mit einem Ruck entzog Natasha ihm ihr Bein, was er noch immer in der Hand hielt. "Ich werde wohl nie ein Nahkämpfer."
"Musst du ja auch nicht." Er hielt ihr die Hand entgegen und sie ließ sich von ihm hochziehen. "Hauptsache, wir haben Spaß."
Sie grinste und ging wieder in Grundstellung. Bevor Bram weggegangen war, hatte sie sich ein halbes Jahr lang jeden Freitag mit ihm getroffen und trainiert - und gequatscht. Die Bewegung war eine willkommene Abwechslung gewesen im Alltag, den sie zu großen Teilen an ihrem Laptop verbrachte. Umso glücklicher war sie, dass sie damit jetzt, wo er wieder hier war, so nahtlos und selbstverständlich weitergemacht hatten.
"Zeig es mir nochmal.", forderte sie ihn jetzt auf. Er stellte sich neben sie und erklärte wiederholt, was sie mit ihren Armen und Beinen gleichzeitig machen musste.
"Eigentlich musst du die Bewegungen automatisch machen, ohne darüber nachzudenken.", sagte er. "Damit du den Kopf frei hast, um mich zu beobachten und abzuschätzen, was ich als nächstes mache."
"Na dann." Sie führte eine einfache Startbewegung aus. "Lenk mich ab und wir schauen mal, wie viel ich dann noch kann."
Er parierte ihre Schläge mit Leichtigkeit und führte einige leichte Gegenschläge aus, denen sie versuchte, auszuweichen.
"Ihr wart im Sommer wieder in Rumänien, oder?", fragte er. Sie nickte, immer noch sehr auf ihre Bewegungen konzentriert.
"Ist mittlerweile eine Tradition.", meinte sie. "Es gibt da einen...Wildpark. Ein Onkel von mir hat dort früher gearbeitet. Und jetzt fahren wir im Sommer immer für ein paar Wochen da hin."
Noch immer war sie nicht ganz beim Gespräch, da sich mindestens die Hälfte ihrer Aufmerksamkeit auf die verschiedenen Schritt- und Schlagabfolgen fokussierte. Das merkte Bram offenbar auch.
"Wie oft seid ihr jetzt schon da gewesen?", fragte er also. Sie überlegte kurz. "Weitermachen.", erinnerte er sie und sie ärgerte sich über sich selbst - warum hatte sie innegehalten?
"Ähm...fünf Sommer. Immer für zwei oder drei Wochen. Nach den Prüfungen." Ihre Sätze wurden kürzer, je mehr sie außer Atem geriet. "Rain und ich, mit Rains bester Freundin Vicky und ihrem Verlobten, Teddy." Sie kickte mit ihrem Bein nach oben
"Verlobt, hm?", fragte Bram und wich dem Bein aus, bevor er sich abrollte. "Wann fragst du Rain eigentlich?"
Diese Frage brachte Natasha so aus dem Konzept, dass sie vergaß, auszuweichen und Bram sie mit einem gezielten Schlag rückwärts auf die Matte beförderte.
DU LIEST GERADE
Rain III - Snapshots
FanfictionSchnappschüsse aus dem Jahr 2023 des Rain-Universums: Leo Granger ist in Hogwarts und arbeitet mit seinen Freunden an der ultimativen Lösung, um Häuserdifferenzen ein für allemal zu beseitigen. Blöd nur, dass niemand auf ein paar Zweitklässler hö...