24. November 2023 - Draco und Hermine

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Dracos Rache für die Geschichte mit den Schwimmnudeln kam an einem Freitag Ende November, etwa einen Monat nachdem sie den Schrank sortiert hatten (er war sogar noch ziemlich ordentlich). 

Hermine war am späten Nachmittag auf dem Weg nach Hause, erleichtert, dass die Woche vorbei war und sie ein freies Wochenende vor sich hatte. Sie hatte gerade ein recht anstrengendes Gespräch mit Kingsley Shacklebolt, dem Zaubereiminister, hinter sich, der wohl seinerseits ein sehr anstrengendes Gespräch mit dem britischen Botschafter in New York hinter sich hatte, in dem es um den völlig unfähigen Praktikanten gegangen war. 

Hermine musste zugeben, dass ihr Teddy ein bisschen Leid tat. Schließlich hatten sie ihn im Grunde den Löwen zum Fraß vorgeworfen, als sie ihn ohne diplomatische Ausbildung da hin geschickt hatten. Andererseits war ihr Plan genau aufgegangen, nämlich galt Teddy schon jetzt in der Botschaft als absoluter Trottel. Und niemand verdächtigte einen Trottel, ein Spion zu sein - was für einen Spion von unschätzbarem Vorteil war. 

Es war schon ziemlich kalt, aber das machte Hermine nichts aus. Es war trocken und sonnig und sie schwang ihr Perlenhandtäschchen in der einen Hand und eine Packung Toast, die sie gerade noch für morgen besorgt hatte, in der anderen, während sie die Straße zu ihrem Haus hinunterschlenderte. 

Ihre Instinkte, die sich in acht Monaten auf der Flucht ausgebildet und sich auch nach über zwanzig Jahren nicht wieder verflüchtigt hatten, schlugen an, als sie den Vorgarten betrat und ihre Schlüssel zückte. Sie hielt inne, Misstrauen breitete sich in ihr aus. Sie konnte nicht einmal genau definieren, was sie unruhig werden ließ. Das Haus war still, wie immer. Die Vögel zwitscherten, wie immer. Und zwei Häuser weiter hingen zwei Nachbarinnen in ihren jeweiligen Gärten die Wäsche auf und stritten sich über den Gartenzaun hinweg darum, wessen Aufgabe es war, die gemeinsame Hecke zu schneiden. 

Aber irgendetwas war anders als sonst, irgendetwas war nicht am richtigen Platz, irgendetwas...stimmte nicht. 

Angespannt steckte sie den Schlüssel ins Schloss und öffnete die Tür. Sie musste nur einmal drehen, was bedeutete, dass Draco schon zu Hause war - was aber auch normal war, er war meist früher daheim als sie. 

Der Flur lag verlassen da. Es war ein normaler Anblick, aber die Härchen, die sich in ihrem Nacken aufgestellt hatten, ließen sie unruhig werden. 

"Draco?", rief sie ins Haus hinein, während sie ihre Jacke auszog. "Ich bin zu Hause!"

Es kam keine Antwort. Das trug nicht gerade dazu bei, dass sie sich entspannte. Fest umklammerte sie das Toastbrot, welches sie noch immer in der Hand hielt und betrat die Küche. 

Schlagartig fiel alle Anspannung von ihr ab, aber sie konnte noch immer nicht erklären, warum. Draco war nicht hier. Warum war sie nicht mehr nervös? 

Erst jetzt fiel ihr Blick auf die Anrichte und ihr entglitten alle Gesichtszüge. Da, mitten in ihrer Küche, lag ein Nerf-Gun. So eine Spielzeugpistole aus Plastik, die Kinder mit kleinen Schaumstoff-Teilchen füllen und sich gegenseitig damit abschießen. Es kam ihr vage bekannt vor und ihr fiel ein, dass sie dieses und ein zweites irgendwann mal von Ginny bekommen hatte, als ihre Jungs zu alt geworden waren, damit zu spielen. Warum Ginny solches Muggelspielzeug besaß, wusste sie nicht, aber vermutlich war die Antwort "Arthur Weasley". Oder Teddy, das könnte auch sein Humor von Weihnachtsgeschenken sein. 

Sie trat näher an das Nerf-Gun heran und betrachtete es irritiert. Dann fiel ihr ein Zettel auf, der daneben lag, beschrieben in der schrägen, engen Handschrift ihres Mannes: 

Rache für die Schwimmnudel. Hier ist deine Waffe. Der Verlierer kocht Abendessen.

Kurz war sie fassungslos, dann musste sie grinsen. Sie räumte das mittlerweile etwas zerknautschte Toastbrot weg (schließlich war sie immer noch erwachsen und Ordnung musste sein), bevor sie sich die Spielzeugpistole schnappte. Kurz kontrollierte sie die Munition - zehn Schuss hatte sie, vermutlich waren nicht mehr viele Schaumstoffpfeile da gewesen. 

Sie lief hinüber ins Wohnzimmer, ihre Absätze klackerten auf den Fliesen der Küche. Sobald sie im Nebenzimmer war, streifte sie sie ab und schlich zurück in die Küche, wo sie sich hinter die offene Tür stellte. 

Draco tappte ihr direkt in die Falle, ein leises Rascheln verriet, dass er die Treppe hinunter kam, auch er war auf Socken. Er sah sich im Wohnzimmer um und sie beobachtete ihn durch den Spalt zwischen den Scharnieren der Tür, ein siegreiches Grinsen auf dem Gesicht. 

Er suchte mit den Augen das Wohnzimmer ab, versuchte herauszufinden, wo sie sich versteckt hatte. Schließlich drehte er ihr den Rücken zu, um hinter ein Vertiko zu schauen. 

Auf diese Chance hatte Hermine nur gewartet, sie schlüpfte hinter der Tür hervor, stellte sich in den Türrahmen, schoss und verschwand auf der anderen Seite der Tür. Vorsichtig spähte sie um die Ecke und blickte direkt ins Gesicht ihres Ehemannes. 

Der Schaumstoff-Dart hatte ihn um einen knappen halben Meter verfehlt, aber jetzt wusste er, wo sie war. Sie runzelte verärgert die Stirn. Mit den Dingern zu zielen war wohl doch schwerer, als sie dachte. 

Er grinste, sie grinste zurück, bevor sie ihm die Zunge herausstreckte und dann um die nächste Ecke verschwand. 

Das Erdgeschoss der Grangers war folgendermaßen aufgebaut: Wenn man zur Haustür hereinkam, trat man in einen schmalen Flur, die Hälfte davon nahm die Treppe nach oben ein, unter der die kleine Abstellkammer war, die sie vor Kurzem aufgeräumt hatten. Linkerhand vom Flur aus kam man in einen mittelgroßen Raum, in dem sich Bücherregale aneinanderreihten und der die großen Sammlungen von Hermine und Draco und später auch Rain beherbergte. Vom Flur aus geradeaus kam man in einen kleinen Zwischenraum, eine Art Esszimmer, dahinter km offen die Küche. Technisch gesehen waren die beiden vermutlich ein Raum, aber irgendwie trennten sie es gedanklich doch immer. Links von der Küche war das große Wohnzimmer. Dieses hatte auch einen Zugang zur kleinen Bibliothek. 

Dieser Aufbau hatte den Vorteil, dass Hermine jetzt vom Esszimmer aus auf den Flur, dann in die Bibliothek laufen konnte, um von da aus ins Wohnzimmer zu gelangen und ihren Mann von hinten anzugreifen. Das wäre strategisch aber natürlich absolut unüberlegt gewesen, also drehte sie auf halbem Weg um, wissend, dass ihr Mann sie in der Bibliothek abfangen würde. 

Genau das passierte auch und es entbrannte eine Schießerei, die immer durch die Bibliotheks-Flurtür und Ess-Wohnzimmertür geführt wurde. Er schoss aus der Bibliothek und aus dem Wohnzimmer, sie aus der Küche und dem Flur. Keiner traf, aber sie hatten ihren Spaß. Bis Hermine irgendwann im Flur stand und er nicht da war. 

Sie schlich sich mit gehobener Pistole in die Bibliothek, ins Wohnzimmer, ins Esszimmer, in den Flur...er war weg. Etwas ratlos stand sie wieder im Esszimmer, als sich von hinten ein Plastiklauf zwischen ihre Schulterblätter setzte. 

"Ergib dich kampflos.", forderte Draco dramatisch. Hermine hob die Hände, in der einen ihre Waffe und drehte sich langsam herum. Der alte Luchs hatte sich in der Küche versteckt und ihr aufgelauert! "Gibst du auf?"

Sie senkte ihre Hände langsam, ergeben. Dann zückte sie blitzschnell ihr Plastikgewehr. 

"Niemals!" erklärte sie feierlich und schoss ihm in die Brust (mit ihrer vorletzten Munition, in einer coolen Geschichte wäre es die letzte gewesen, aber das hier war die Realität). 

Er starrte sie völlig bedröppelt an, dann hinunter auf die Stelle, wo ihn der Schaumstoff-Pfeil getroffen hatte. Hermine grinste, trat einen Schritt nach vorn um ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken. 

"Hi, Schatz, ich bin zu Hause.", erklärte sie neckisch. "Was gibt's zum Abendbrot?"




Ein kleines aber feines Kapitelchen. Nächstes Mal werden Rain und Natasha noch einmal über die Hochzeit reden - denn da ist ja noch eine Menge an technischen Fragen offen. Außerdem hoffe ich, dass ihr bereit für literarische Diskussionen seid!

Ich bin jetzt übrigens dankenswerter Weise mitten im Abitur, wenn ich also irgendwann mal vergesse, ein Kapitel pünktlich hochzuladen, dann wisst ihr, woran es liegt. Ich habe aber noch einige Kapitel auf Vorrat, von daher glaube ich nicht, dass sie mir ausgehen, bevor ich dazu komme, neue zu schreiben. Theoretisch solltet ihr also von meinem Stress gar nichts mitbekommen (außer wenn ich mich am Ende des Kapitels darüber beschwere, so wie jetzt ;)). 

Rain III - SnapshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt