when I watch the world burn,
all I think about is you
B a s t i l l e - doom days
Ich hörte den nervtötenden Ton des Weckers, der mich die gesamte Zeit meines Studiums geplagt hatte. Es fühlte sich wie ein Kampf gegen die Schwerkraft an, meine Augen zu öffnen, und erst Sekunden später schaffte ich es, den Kampf zu gewinnen. Die Geschehnisse der letzten Nacht spielten sich noch einmal vor meinem inneren Auge ab. Mia. Antrag. Unfall. Nichts.
Was war mit mir passiert, nachdem ich das Bewusstsein verloren hatte? Lebte ich überhaupt noch? Ich wusste selbst nicht, was ich erwartet hatte. Vielleicht ein Empfangskomitee, das mich im Himmel begrüßen würde. Obwohl ich es im nächsten Moment bezweifelte, denn nach all den kleinen Alkohol-Exzessen und Zigaretten, hatte man wohl kaum Platz im Himmel für mich. Das Jenseits war für Menschen wie Mia reserviert. Mia.
„Fuck", murmelte ich vor mich hin und begann erst jetzt, die Umgebung wahrzunehmen.
Ich befand mich nicht in unserer Wohnung, in die wir frisch eingezogen waren. Hier lagen nirgendwo Umzugskartons herum, die ich irgendwann noch ausräumen wollte. Meine alte Konsole, die ich mir mit dem Minijob als Kellner mit 17 finanziert hatte, stand unter dem alten Fernseher, den mein Vater mir als Belohnung für den Studienplatz geschenkt hatte. Mein altes Bett knarrte bei jeder Bewegung, deshalb hatte ich es auch eigentlich ausgetauscht und es dämmerte mir immer mehr. Ich war in meinem alten Zimmer.
„Dachte schon, du wachst nie auf. Wegen des Schnarchens würde ich übrigens mal einen Arzt aufsuchen. Ziemlich ätzend und laut."
Die Stimme kam von einem Mann, der es sich auf meinem alten Stuhl bequem gemacht hatte und dessen Füße auf dem weißen Schreibtisch ruhten. Das alles musste ein schlechter Scherz sein. Gleich würde mein bester Freund lachend durch die Tür kommen und sich für seinen Meisterstreich feiern.
Ich sah ihn nur an. Antwortete nicht. Er konnte nicht viel älter sein als ich. Höchstens siebenundzwanzig.Sein Haar war ein schlecht gefärbtes Weiß.
Er trug eine rote Kapuzenjacke und blaue Jeans. Meinem verwirrten Blick entgegnete er mit einem schalkhaften Gesichtsausdruck. „Zunge verschluckt? An deiner Stelle würd' ich mal auf das Datum schauen."
Der Fremde nahm mein Handy, das völlig veraltet war, von der Kommode und warf es mir auf den Schoß.Das war völlig unmöglich. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken, als ich langsam realisierte, dass das kein dummer Scherz war. Um mich zu versichern, dass niemand mein Handy nur zurückgestellt hatte, fragte ich Google, was das heutige Datum sei und erhielt die gleiche Antwort. Ich konnte unmöglich fünf Jahre in die Vergangenheit gereist sein, aber das Datum auf meinem grellen Bildschirm, brannte ein anderes Bild in meine Augen.
„Was passiert hier und wer zum Teufel bist du?" Meine Stimme hörte sich jämmerlich an. Ich hatte Angst. Das konnte ich nicht verbergen.
„Du bist letzte Nacht gestorben. Also in fünf Jahren letzte Nacht." Er hielt inne und winkte ab. „Ach, du verstehst schon was ich meine. Aber du bist ein Glückspilz, denn du hast eine zweite Chance bekommen. Alles, was du tun musst, ist dich von Mia fernzuhalten." Er kramte in seiner Jackentasche rum und zog eine angebrochene Schachtel Marlboro Red hervor. Geübt zündete er sich eine Kippe an.„Ich bin also gestorben?", erwiderte ich mit einem trockenen Lachen. „Sag mal, für wie dumm hältst du mich eigentlich?"
„Ziemlich. Aber das tut hier nichts zur Sache. Ka-„, weiter ließ ich ihn nicht sprechen.
„Wenn ich gestorben bin, wieso fühle ich mich dann ziemlich lebendig? In was für einer kranken Show bin ich hier gelandet? Willst du mir wirklich sagen, ich bin wieder zwanzig?" Ich atmete tief durch. Er schien jedoch ziemlichen Spaß an meinen Fragen zu haben und unterdrückte sein Lachen ziemlich schlecht.
„Lässt du mich auch auf deine Fragen antworten oder magst du lieber weiterhin mit dir selbst diskutieren? Langsam bekomme ich das Gefühl, du hast mir gar nicht richtig zugehört", sagte er beleidigt, ließ sich jedoch das schelmische Grinsen nicht nehmen.
„Du hast eine zweite Chance bekommen. Das wird dir nicht noch ein mal passieren, also nutze sie lieber. Du musst nur deinen kleinen Freund in der Hose behalten und deiner Freundin aus dem Weg gehen. Das sollte deine eine Gehirnzelle doch hinbekommen."
„Was hat das alles mit Mia zutun? Und was sollst du darstellen - einen Engel?"
Als ich das Wort Engel aussprach, fing er laut an zu lachen und dann zu husten. Sein Hustenanfall dauerte einen Moment und als sich dieser gelegt hatte, nahm er einen weiteren tiefen Zug und hielt mir seine Schachtel hin. Ach, was soll's, dachte ich mir und nahm mir eine Zigarette. Das Rauchen hatte ich schon vor einem Jahr ihr zu liebe aus meinem Leben verbannt, aber das hier war eine Ausnahmesituation.
„Jede Entscheidung, die du in deinem Leben triffst, führt zu einem daraus resultierendem Geschehnis. Du kannst dir das wie eine Kettenreaktion vorstellen. Die Entscheidung Mia zu heiraten, hat dich das Leben gekostet. Eure fast fünfjährige Beziehung besteht aus tausenden Dominosteinen, die nacheinander fallen. Nimmt man jedoch einen Stein weg, so regt sich auch der Rest nicht mehr."
Der Fremde lief an mir vorbei zum Fenster und schnipste seine Zigarette raus. Ein Engel konnte er nicht sein, dafür sah er zu verbraucht aus. Er sah aus, wie jemand der das erste Mal ein Wochenende durchgehend im Berghain verbracht hatte. Die dunklen Augenringe bildeten einen Kontrast zu der aschfahlen Haut.
„Wenn es dich in Sicherheit wiegt, kannst du mich ruhig Engel nennen. Aber eigentlich sehe ich das eher als Beleidigung. Ich bin weder Teil des Himmels, noch Teil der Hölle oder woran du auch sonst glauben magst. Ich bin zwischen den Welten. Eigentlich bin ich dein persönlicher Babysitter, muss nur dafür Sorgen, dass du keinen Mist baust, also mach mir meinen Job nicht allzu schwer und sei ein braver Junge."
Wütend nahm ich den letzten Zug und warf auch meine Zigarette aus dem Fenster. Er sah mich weiterhin mit diesem dämlichen Grinsen an.
„Willst du mir mal deinen scheiß Namen verraten, statt weiterhin Ghandi zu spielen mit deinen Weisheiten?" Endlich klang meine Stimme weniger jämmerlich.
„Nenn mich, wie du willst. Ich lasse dich die ganzen Informationen erstmal verdauen. Hoffentlich hast du den Ernst der Lage kapiert und bist nicht so dumm, wie ich glaube."
Eine Sekunde später war er verschwunden und hinterließ mich mit ungefähr eine Million fragen. Wovon sprach er?
Es dauerte eine Weile, bis mein Gehirn anfing, alles zu verarbeiten und mir auffiel, was für ein Tag heute war. Es war der Tag, an dem ich Mia das erste Mal gesehen hatte.
Wie sollte ich mich von der Frau fern halten, die mein Leben so positiv komplett auf den Kopf gestellt hatte? Sie hatte mich zu einem besseren Menschen gemacht und ich wusste nicht, was für ein Mensch ich ohne ihren Einfluss geworden wäre. Nur sie könnte mich jetzt wieder beruhigen.
Ich musste sie sehen, wenigstens ein letztes Mal.
___________________________________
Hier ist mein neues Baby! Hab relativ lange gebraucht, um mich endlich dazu zu entscheiden, diese Geschichte auch wirklich zu schreiben.
Lass mich wissen, wie du den Anfang fandest.
Fettes Danke an @havelostmyself für den nötigen Arschtritt!!
DU LIEST GERADE
was wäre wenn
Novela JuvenilEntscheidungen müssen getroffen werden - bevor sie einen selbst treffen. Stell dir vor, du machst dich auf den Weg, deiner großen Liebe einen Antrag zu machen und stirbst stattdessen. Du wachst fünf Jahre vorher auf und irgendein Fremder vercrackter...