A C H T

91 14 9
                                    




Nichts ist so leicht wie dich zu lieben
Alles was mir schwer fällt, wiegt nicht mehr so viel
Du hilfst mir es zu tragen
und du merkst es nicht mal

H a l l e r - es ist leicht


Eigentlich war ich ein relativ vergesslicher Typ. Man konnte mir Dinge sagen und in zehn Minuten hatte ich keine Ahnung mehr, worum es überhaupt ging. Aber Gespräche oder Momente mit Menschen, die mir wichtig waren, brannten sich in mein Gehirn.

Sie liefen vor meinem inneren Auge wie ein Film ab. Dazu gehörte der Moment, als ich mit ungefähr fünf Jahren der Meinung war, ich würde der nächste Van Gogh werden und die Schlafzimmerwände meiner Eltern mit Filzstiften bemalte. Ebenso hatte sich eingebrannt, wie meine Mutter mich anschrie, während mein Vater sich mühselig das Lachen verkniff, und mir hinter ihrem Rücken ein Kompliment zu meiner Kunst machte.

Oder das eine Mal mit sechszehn, als Alex und ich darum gewettet haben, wer unsere spanisch Lehrerin zu einem Date überreden kann. Die Versuche endeten, als wir gemeinsam mit ihr ins Kino gingen und uns einen Film auf Spanisch ansahen. Mit der ganzen Klasse. Aber gewonnen hatten wir irgendwie beide. Und noch heute sehe ich uns dort neben ihr sitzen und unseren kleinen Triumph feiern. Auch wenn ich mir ziemlich sicher bin, dass er einen halben Ständer bekommen hatte, als sie gleichzeitig nach den Nachos griffen.

Einer der schönsten Momente, der in meinem inneren Kinosaal lief, war jedoch der erste Kuss mit Mia. Ich war viel zu nervös gewesen, obwohl ich es schon unzählige Male getan hatte. Es war auch kein filmreifer Moment gewesen. Nichts hatte sich angebahnt. Wir verabschiedeten uns gerade von unserem vielleicht dritten Date und da ergriff sie die Initiative und drückte mir einen schnellen, etwas zu dollen Kuss auf. Perplex hatte ich sie angestarrt und wieder zurückgezogen. Selbst wenn ich jetzt meine Augen schloss, sah ich noch ihr atemberaubendes Lächeln, das nach dem Kuss erschienen war.

„Ich will deinen malerischen Künsten nicht zu nahe treten, aber wie oft willst du noch über diese Stelle gehen?", riss Mia mich aus meinen Gedanken und ich zuckte leicht zusammen.

Zwar hatten wir uns erst gestern gesehen, doch kam heute spontan die Nachricht, dass sie den Drang verspürte, ihr Zimmer zu streichen, und ob ich Lust hätte, mitzumachen.

Nachdem wir eine halbe Stunde damit verbrachten, ihre Möbel umzuräumen und alles sorgfältig abzudecken, hatten wir uns daran gemacht, die grauen Wände weiß zu streichen. Musik lief im Hintergrund, die rein zufällig einige ihrer Lieblingssongs in der Warteschlange hatte. Sie war verblüfft über die Ähnlichkeit unseres Musikgeschmacks und ich tat so, als wäre ich das auch.

Ich maßregelte mich, nicht ständig auf ihren Hintern zu schauen, doch die Shorts, die sie trug, machten es fast unmöglich. Zwar kannte ich ihren Körper nur zu gut, trotzdem lenkte mich der Anblick immer noch ab. Nur Freunde, Theo. Solange du mit ihr befreundet bleibst, kannst du auch länger leben.

„Dein Handy klingelt", sagte Mia mit einer eigenartigen Stimme und überreichte es mir sogleich. Cara rief mich bei FaceTime an und ich wusste, dass wenn ich nicht rangehen würde, Mia auf falsche Gedanken kommen könnte. Also ging ich ran und Cara fing an laut zu lachen. „Welcher Gang bist du denn beigetreten?", fragte sie und machte sich offensichtlich über mein Outfit lustig.

Ich hatte mir wahllos ein viel zu großes weißes Shirt und eine graue Jogginghose übergezogen. Mit dem Cap hatte ich lediglich versucht, meine wirren Locken zu bändigen und vor der Farbe zu schützen, da ich ein riesiger Tollpatsch sein konnte. Mich erschrak es noch ein wenig, dass manche in meinem Alter das als normalen Alltagslook sahen.

„Bin gerade ein wenig beschäftigt, ist es was Wichtiges?", gab ich zurück und versuchte subtil anzudeuten, dass Mia gerade mithörte, indem ich den Kopf leicht in ihre Richtung neigte. Sie seufzte leicht. „Wollte mich nur in Rage reden, da ich gerade mal wieder ein Date mit einem Vollidioten hatte, aber die Geschichte erzähl ich dir dann später. Viel Spaß und mach keine Dummheiten!"

Ich sah deutlich, wie Mia sich anstrengte, so zu wirken, als hätte sie nicht zugehört, jedoch hatte sie sich auch merklich entspannt, als Cara ihr Date erwähnt hatte und somit ausschließen konnte, das etwas zwischen uns lief.

Es dauerte zwar eine Weile, jedoch schafften wir es irgendwann, uns nicht allzu sehr abzulenken und wirklich zu arbeiten. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen und so ließen wir uns geschafft auf, den mit Folie abgedeckten, Boden sacken und lehnten gegen ihr Bettgestell. Es roch nach Farbe und auch, wenn wir es nicht merkten, taten uns die Dämpfe wohl nicht gut.

Ich erlaubte es mir, sie einen Moment anzusehen und es zu genießen. Farbspritzer hatten sich in den schwarzen Locken verteilt und auch der Zopf konnte sie davor nicht schützen. Ebenso viel Farbe war an ihren Klamotten, Händen und ein wenig im Gesicht gelandet. Es wirkte, als hätte sie sich teilweise einfach nur an die nassen Wände gelehnt. Sie schenkte mir ein erschöpftes Lächeln und ich vermisste es erneut, dass wir nicht einfach wir sein konnten.
Ihr Blick richtete sich konzentriert auf mein Gesicht. Hätte ich nicht gewusst, dass sie mich keinesfalls unattraktiv fand, hätte mich der Blick wohlmöglich verunsichert. Sie lächelte.

„Du hast da was", murmelte sie und strich dann vorsichtig mit den Fingern über meine Wange. Ich spürte, dass sie versehentlich Farbe verteilt hatte, und sie zeigte mir entschuldigend den Daumen mit meiner aufgesammelten Wimper dran. Nun konnte ich mir kein Lachen mehr verkneifen, da sie einerseits schuldig wirkte, andererseits aber viel zu amüsiert.

Plötzlich änderte sich was in ihrem Blick. Je länger wir uns ansahen, desto intensiver wurde er. Und ich kannte diesen Gesichtsausdruck nur zu gut. Nie würde ich ihn vergessen können. Ich wollte es jedoch nicht verhindern. Ich konnte es einfach nicht verhindern.

Mia tat das, was sie auch Jahre zuvor schon getan hatte. Sie ergriff die Initiative. Es sollte wieder ein schneller und doller Kuss werden, doch diesmal ließ ich das nicht zu.

Ihre Lippen trafen meine und ich fühlte mich das erste Mal wieder wie ich selbst. Ich fühlte mich Zuhause. Der Kuss fühlte sich an, als wäre es wirklich unser erster. Aufregend. Das Herz schlug mir bis in die Ohren. Sie wollte sich schnell zurückziehen, doch schnell fand meine Hand den Weg zu ihrer Wange und ich zog sie vorsichtig zurück. Ich versuchte in ihren Augen zu erkennen, ob sie es überhaupt auch wollte. Die Antwort bekam ich, als ihre Lippen wieder ihren Weg zu meinen fanden. Es war kein hitziger, heißer Kuss. Es wurde keine Lust geweckt, sondern pure Wärme die meinen Körper durchströmte. Er war vorsichtig, als hätten wir beide Angst den Anderen zu zerbrechen. In diesem Moment fühlte ich mich nirgendwo so sicher wie bei ihr.

Es spielte in dem Moment keine Rolle, ob Hades mich sofort kommen holen würde oder ich gerade dabei war, ein längeres Leben aufzugeben. Und auch wenn es nur für diesen Moment war, lohnte es sich.

Unsere Lippen lösten sich voneinander und während ich sie ansah und merkte, wie ihr Blick den Schock über die gesamte Situation zu Ausdruck brachte, realisierte ich es. Ich war dabei, mich noch mehr in Mia zu verlieben.

___________________________

Shalom, nach gefühlt drei Jahren wieder zurück

keene Sorge das nächste Kapitel ist fast fertig. Ein Datum kann ich jedoch noch nicht nennen, da ich ein inkonsequentes Weib bin. Mucho sorry.

Hoffe jedoch, dass der erste Kuss nicht enttäuscht hat und würde mich über Feedback freuen.

Wie wird wohl Hades darauf reagieren?

xx

was wäre wennWo Geschichten leben. Entdecke jetzt