Kapitel 29: Das Glück ist auf meiner Seite

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Es war spät, als Richards Wagen die Auffahrt hoch kam. Ich hatte mich neben dem Stall ins Stroh gesetzt und auf ihn gewartet. Als er das Auto neben dem Wagen von Leo parkte lief ich zu ihm herüber.

"Guten Abend Richard!", begrüßte ich ihn und hoffte, dass er mir meine Nervosität nicht anmerkte. Er sah müde aus und ich hoffte, dass ich ihn nicht auf dem falschen Fuß erwischt hatte.

"Hallo Roxy, ist alles in Ordnung?", fragte er und ließ seinen besorgten Blick zum Stall wandern.

"Ja, natürlich!", beruhigte ich ihn schnell. "Ich wollte mit dir über Embassy reden."

"Oh!", war alles, was er sagte. Unsicher stand ich vor ihm und versuchte nicht nervös an dem Reißverschluss meiner Jacke herumzufummeln. "Na dann, komm mal mit rein!", sagte er plötzlich geschäftig ehe er auf dem Absatz kehrt machte und schnellen Schrittes auf das Haupthaus zulief. Innerlich gab ich mir selbst ein High-Five, ich wusste, dass wir nun in sein Büro gehen würden. Und ich wusste, dass er dort die Verkaufsgespräche führte, das hieß schon einmal, dass er mich ernst nahm.

Ganze drei Stunden hatten wir über Embassy verhandelt. Doch nicht über den Preis, Richard wollte nicht viel Geld von mir. Lediglich die Kosten für den Transport nach Kanada sollte ich übernehmen. Richard war es wichtig, dass eine erfolgreiche Stute wie Embassy mit seinem Stall in Verbindung gebracht wurde. Wir hatten einen Vertrag ausgehandelt, dass ich auch in Kanada für die Hollingworth Stables reiten würde. Wir hatten über die Aufteilung der Preisgelder verhandelt und was wäre, wenn Embassy ein Fohlen bekommen würde. Zum Schluss hatten wir uns noch feierlich die Hände geschüttelt, wie man das unter "Pferdeleuten" so machte. Ich hatte den Eindruck, dass Richard sehr froh über diese Lösung war. Er hatte wohl schon geahnt, dass er Embassy niemals für einen guten Preis hätte verkaufen können, und so hatte er auch ein Pferd in Kanada am Start, welches seinem Namen alle Ehre machte. Als Geschäftsmann wusste er, dass er so einige seiner anderen Pferde an den Mann bringen würde. Ich hingegen musste mich zusammenreißen, in mir türmten sich Gefühle, es war unbeschreiblich. Ich hätte heulen können vor Freude, am liebsten hätte ich getanzt und laut geschrien, ich hätte platzen können vor Glück. Doch ich riss mich zusammen.

"Gute Nacht, Roxy!", verabschiedete mich Richard an der Haustüre.

Ich räusperte mich. "Gute Nacht!", antwortete ich höflich und ging langsam die Stufen hinunter. Kaum hatte Richard die Haustüre hinter sich geschlossen hielt ich es nicht mehr aus. Stumm hüpfte ich wie ein kleines Mädchen die restlichen Stufen hinunter und rannte über den Hof. Als ich glaubte außer Hörweite zu sein entfuhr mir ein lauter und glücklicher Lacher. Zu spät bemerkte ich die Person, die sich im Schatten des Stalls aufgehalten hatte.

"Warum so fröhlich heute?", erschrocken fuhr ich herum und verstummte augenblicklich. Angestrengt kniff ich meine Augen zusammen und als ich ihn erkannte fuhr mir der Schock durch den ganzen Körper.

"Leo!", brachte ich tonlos heraus. Er kam langsam näher und grinste mich dabei an, als würde er ahnen was für Gefühle er in mir auslöste. Ich schluckte entschlossen meine Nervosität hinunter und stellte mich aufrecht hin.

"Was machst du denn hier?"

Doch er antwortete nicht. Stattdessen blieb er unmittelbar vor mir stehen, sodass ich seinen süchtig machenden Geruch einatmete. Für einen kurzen Moment schloss ich die Augen und holte tief Luft, eigentlich um mich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren, doch in seiner Gegenwart konnte ich keinen klaren Gedanken fassen. Ich muss nicht erwähnen, dass die Frage, was er hier mache völlig überflüssig und peinlich war.

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