7 | Gnadenlos untergehen

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Das Gefühl von vorhin an der U-Bahn-Station war noch immer nicht verklungen und jetzt, als ich allein war, wurde es nur noch immer stärker. Es war ein beschissenes Gefühl. Okay, das waren alle irgendwie, aber das hier besonders.

Ich zog meine Bettdecke weiter über meinen Körper und drehte mich auf die andere Seite. Was sollte das, dass ich jetzt nicht pennen konnte? Dabei hatte ich vorhin, als ich von Rashid nach Hause gekommen war, noch einen fetten Joint geraucht.

Ein bisschen war es, als würde mir etwas fehlen.

Als hätte ich was falschgemacht und könnte eigentlich viel mehr haben.

Wie lächerlich. Ich hatte alles, was ich wollte. Wachsende Anerkennung auf den Straßen, Kontakte zu krassen Kerlen. Kam an genug Drogen zum spottbilligen Einkaufspreis ran. Einen festen Kundenstamm, der es mir ermöglichte, mehr Kohle zu machen als die ganzen Spasten, die sich an ehrlicher Arbeit versuchten.

Und den festen Plan, weiter und weiter aufzusteigen. Solange, bis ich wirklich was im Viertel zu sagen hatte.

Durch die dünnen Wände war Lexies ausgelassenes Lachen aus dem Nebenzimmer zu hören. Sie war dort mit irgendeinem ihrer komischen Typen, die sie in besetzten Häusern und auf Punkkonzerten aufgabelte.

Dumme Fotze. Aber Hauptsache vor ein paar Tagen noch rumheulen, weil ich laut war. Ich hatte gut Lust, ihr aufs Maul zu schlagen. Direkt in ihre Fresse, in der in den letzten Monaten immer mehr Piercings dazugekommen waren. Als würde sie deswegen besser aussehen.

Ich richtete mich ein wenig auf. »Halt deine verfickte Fresse, du Schlampe!«, brüllte ich dann und schlug mit ganzer Kraft meine geballte Faust gegen die Wand. Die Dinger waren hier so dünn, dass es mich nicht gewundert hätte, wenn sie einfach zerbrochen wäre. Schmerz zog sich durch meine Hand.

»Hey, wie redest du mit deiner Schwester? Das geht mal gar nicht!«, muckte der Kerl auf. War wohl richtig geil drauf, von mir noch ordentlich zu kassieren.

»Maul jetzt, sonst komm' ich und du bereust das«, gab ich drohend zurück. Irgendetwas sagte Lexie zu ihm, das ich durch die Wände nicht verstehen konnte, danach waren die beiden tatsächlich ruhig.

Ich spürte die Anspannung in meinem Kiefer, als ich mich wieder ins Bett zurücksinken ließ. Einen Moment lang starrte ich an die Decke, ehe ich mich auf die andere Seite drehte. Endlich war es ruhig. Langsam klang die Aggression in mir wieder ab, mein Atmen wurde gleichmäßiger.

Federico kam mir in den Sinn, wie er an der Kinokasse stand und Popcorn verkaufte. In diesem blöden schwarzen Shirt und der gebräunten Haut. Auf den Lippen das immer spöttische Grinsen.

Ich vermisste ihn. Das war es. Brachte eigentlich auch nichts, mich anzulügen oder es irgendwie zu verdrängen oder so.

Vielleicht sollte ich ihn einfach anschreiben. Fragen, ob er Bock hatte, mal wieder was zu machen. Ich drehte mich auf den Bauch und tastete auf dem staubigen Fensterbrett nach meinem Handy, das ich dort zum Laden angeschlossen hatte. Das helle Licht ließ mich instinktiv meine Augen zusammenkneifen.

Ich öffnete meine Nachrichten und gab seinen Namen in die Suchleiste ein. Mein Herz klopfte ein wenig schneller, als ich auf den Chat drückte. Warum auch immer. Dämliches Teil.

Im Vergleich zum letzten Mal hatte er kein Profilbild mehr drin. Zuletzt online am 03.08.14 verriet mir die Anzeige. Verdammt.

Es versetzte mir einen Stich, dass er mittlerweile eine andere Nummer hatte. Aber kein Wunder. Ich hatte ihm auch die ganze Zeit das Gefühl gegeben, es würde mich absolut nicht jucken, was mit ihm war. Warum hätte er dann an mich denken sollen, als er seine Nummer wechselte?

Die Verlierer - Sklaven des ErfolgsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt