38 | Kein Bock auf Menschen

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Hatte diese Missgeburt jetzt schon angefangen, seinen Vasallen genau die Ausdrucksweise beizubringen, die er selbst verwendete? Das war doch lächerlich. Wer hatte schon Bock, dass da draußen unzählige Klone von einem selbst herumrannten?

Okay, eigentlich war es Bullshit, ausgerechnet darüber nachzudenken. Viel wichtiger war: Was zur Hölle wollte Kiral von mir

Ich kniff die Augen zusammen. Ich würde mich garantiert nicht von so einem dahergelaufenen Hund aus dem Gleichgewicht bringen lassen. »Schön für ihn«, sagte ich so mit unbeirrter Stimme. Kiral konnte mir nichts mehr. Wir hatten meine Schuld beglichen.

Der nächste Gedanke ließ meinen Herzschlag für einen Moment aussetzen. Was, wenn an Tareks Plan irgendetwas schiefgegangen war? Wenn der aus irgendeinem Grund nicht seine Abmachung erfüllen hatte können und Kiral nur darauf wartete, es mir heimzuzahlen?

Okay, Schwachsinn. Dann würde er mich wohl nicht zu sich bestellen, sondern hätte direkt ein paar Leute mit Waffen losgeschickt. Die mich niedergeschossen hätten wie vor ein paar Wochen diesen Kerl am Mehringdamm.

»Er erwartet dich morgen Abend. Enttäusche ihn lieber nicht«, fuhr der Typ fort, ehe er mir zunickte und sich dann wieder von mir abwandte. Ich kniff die Augen zusammen, während er über den dunklen Hinterhof in Richtung der Straße verschwand. Ballte meine Hände zu festen Fäusten, fühlte den Druck, der sich von meinem Kiefer aus in meinem ganzen Körper verbreitete.

Ich hasste Kiral. Wie er es für angebracht hielt, andere Menschen herumzudiktieren.

»Was geht, Bruder?«, erklang auf einmal Endris' Stimme neben mir. Ich fühlte, wie er mir auf den Rücken schlug und wandte mich ihm dann mit einem Nicken zu.

»Nichts, bei dir?«

»Ja, alles gut so«, antwortete er und wir liefen nebeneinander in Richtung der Straße.

»Ey, ich hab so 'n Kampfsportdude auf YouTube gefunden, der erklärt das richtig nice. Ich schick dir das mal, ey, das lohnt sich echt«, fing Endris an. Er war einer dieser Menschen, die viel zu viel Zeit im Internet hingen und deren Maß an Scheiße-Bauen sich auf ein für dieses Viertel vernünftige Maß reduzierte. Einer, der sich die ganze irgendwelche Russian Crash Compilations reinzog und auf Instagram der Inhaber einer Memeseite war, bei der er Almans vs Kanax, Dieser Moment wenn und so einen Bullshit postete.

»Ja, mach' ma'«, erwiderte ich, desinteressiert wie immer. Kiral beherrschte noch immer mehr meiner Gedanken, als ich es gerne gehabt hätte. Viel mehr.

Kaum, dass ich mich von Endris an dessen neuer Karre verabschiedet hatte und mich auf den Weg zu der nächsten Bahnstation machte, klemmte ich mir meine brennende Kippe in den Mundwinkel und wählte Tareks Nummer. Drückte mein Handy ans Ohr und wartete auf ein Freizeichen.

»Wo bist du?«, fragte ich ihn anstelle einer Begrüßung. Mittlerweile hatte es wieder zu schneien begonnen und ein paar weiße Flocken tanzten vor meiner Nase herum. Die Shishabars, Friseurläden und Wettbüros, die den Straßenverlauf säumten, waren hell erleuchtet. Manchmal standen Menschen zusammen, unterhielten sich. Andere kamen mir abgehetzt entgegen.

»Bin gerade unterwegs, zu einem Kollegen.« Die Geräusche im Hintergrund verrieten, dass Tarek gerade am Autofahren war.

»Lass uns treffen. Jetzt. Ich bin in der Sonnenallee.«

»Ja, okay. Ist nicht weit, habibi. Fünf Minuten«, erklärte er und legte wieder auf.

Die Zeit, bis Tareks klappriger Škoda neben mir an der Straße zum Stehen kam, fühlte sich dennoch wie eine Ewigkeit an. Mittlerweile war meine Kapuze dank der immer mehr werdenden Schneeflocken durchnässt und ich war froh, dass ich mich neben ihm auf dem Beifahrersitz niederlassen konnte. In seinem Auto war es kuschelig warm.

Die Verlierer - Sklaven des ErfolgsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt