Ich hatte ein Problem. Ein verficktes Problem, das ausnahmsweise nicht Fede hieß und auch kein bescheuerter Italiener war, der in schwarzen Shirts viel zu heiß aussah. Der hatte sich seit unserem Gespräch letzte Nacht zwar auch nicht mehr gemeldet, aber gut, das hatte ich genauso wenig getan.
Viel mehr hatte mich Kiral, diese selbstherrliche Missgeburt mit den Al Capone-Komplexen, nicht bezahlt. Ich hatte keinen einzigen Cent davon bekommen und es war mir vorhin erst aufgefallen, weil Rashid seinen Anteil haben wollte. Nicht früher. Anderthalb scheiß Wochen später, weil ich mir zu sehr einen drauf abgewichst hatte, auch noch die extra Kohle eingetrieben zu haben.
Das war schon echt peinlich.
In diesem Moment stieg mir ein verbrannter Geruch in die Nase und ich griff schnell nach dem Kochlöffel aus blauem Plastik, um in dem Topf herumzurühren. Was eine nervige Scheiße, dass wir kein angemessenes Fertiggericht mehr dahatten und ich nur noch eine Packung Spinat in der Tiefkühltruhe gefunden hatte. Um jeden Tag beim Lieferservice zu bestellen, verdiente ich dann doch nicht genug.
Aber egal, ich würde einfach nachher zu Kiral gehen. Dann würde ich es schon schaffen, diese Sache zu regeln und direkt noch einen Vorteil für mich rauszuschlagen. Konnte ja nicht so schwer sein.
Ich füllte den Spinat auf einen Teller und schaltete dann die Herdplatte aus, den Topf ließ ich dort stehen. Spülmaschine war ja irgendwie nicht so eine Option im Moment und der alte Abwasch stapelte sich schon auf der Arbeitsfläche.
Aus dem Kühlschrank, der ein lautes Surren von sich gab, nahm ich mir eine Packung Fertig-Frikadellen und ließ mich mit dem Essen am Küchentisch nieder. Still lag die Wohnung da, nur gelegentlich waren aus dem Hausflur Türenschlagen oder die Stimmen meiner Nachbarn zu hören.
Meine Gedanken wanderten zu Fedes Nachrichten zurück und während ich mir mit der rechten Hand einen Löffel Spinat in den Mund schob, entsperrte ich mit der anderen mein Handy. Öffnete unseren Chat.
Irgendwie hatte er mich doch zu sich eingeladen. Wollte mich sehen und erneut Kontakt. Keine Ahnung, was er sich davon erhoffte und warum ihm das ausgerechnet jetzt einfiel, nachdem ich ihn so abgefuckt hatte.
Ich spürte ein aufgeregtes Kribbeln in der Magengegend, als ich mir vorstellte, wie das mit uns beiden weitergehen würde. Auf einmal war da dieser Wunsch, ihn an mich zu ziehen, ihn grob zu küssen wie beim letzten Mal. Genauso rücksichtslos, genauso kämpferisch. Ob seine Lippen immer noch rau wie damals waren? Das war geil gewesen, verdammt, so viel geiler als die weichen, oft zu sanften Küsse der meisten Mädels.
Er dagegen war bestimmend gewesen, hatte immer wieder versucht, sich gegenüber mir durchzusetzen. Für den Moment war es einfach angenehm, in unserer schimmligen Küche zu sitzen, verbrannten Spinat zu essen und an Fedes dominante Art beim Küssen zu denken.
Auch wenn er es natürlich nie schaffen würde, gegen mich anzukommen. Würde garantiert wieder in einem Machtkampf ausarten.
Ich mochte diese Vorstellung. Irgendwie.
Verdammt, es sollte sich nicht so schön anfühlen. Es gab so viele andere Dinge, auf die ich mich konzentrieren sollte. Auf Kiral, darauf, wie ich am besten meine Kohle zurückbekommen könnte. Auf meinen eigenen Aufstieg.
Im Augenwinkel sah ich, wie Lexie in die Küche mit den grünblauen Fliesen an der Wand trat. Schnell sperrte ich mein Handy. Musste ja echt nicht sein, dass sie mitbekam, wie ich auf Fedes Chat herumging. Zum Glück gehörte Gedankenlesen nicht zu menschlichen Fähigkeiten, das hätte ich sonst nämlich echt peinlich gefunden.
Warum auch immer ich heute so viel peinlich fand.
»Stör' ich beim Pornos gucken oder was?«, grinste meine Schwester und ließ sich auf dem Stuhl mir gegenüber nieder. Sie trug noch ihre graue Arbeitskleidung, die bunten Haare hatte sie sich zu einem hohen Zopf zusammengebunden. Im Gegensatz zu mir machte sie eine total spießige Ausbildung als Schreinerin, keine Ahnung, weshalb sie sich so etwas total freiwillig antat. So viel Zeit, die für so wenig Geld drauf ging, aber irgendwie schien sie ziemlich zufrieden damit sein und sogar noch Spaß zu haben.
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Die Verlierer - Sklaven des Erfolgs
General Fiction[TEIL 2] Während Jay alles gibt, um der gefürchtetste Dealer der Stadt zu werden, dafür, dass jeder in Berlin seinen Namen kennt, sitzt Federico am Schreibtisch und lernt. Für ein besseres Leben, um eines Tages das Viertel mit seinen versifften Pla...