Die Nachricht ging mir auch ein paar Tage später noch nicht aus dem Kopf. Keine Ahnung, wie dieser Wichser das anstellte und was eigentlich so interessant an ihm war. Doch auch als durch den dunklen Durchgang in Richtung von Tareks Hinterhof ging, erwischte ich mich dabei, wie ich einen kurzen Blick auf unseren Chat warf. Federico hatte seither nicht noch einmal geschrieben. Ich genauso wenig.
Okay schade, war das letzte, das da vor meinen Augen flimmerte. Ob er es wirklich schade gefunden hatte und mich irgendwie vermisste?
Vielleicht sollte ich ihm schreiben, dass ich heute Zeit hatte? Dass wir ja was machen könnten?
»Aus dem Weg«, wurde ich im nächsten Moment von einer Frauenstimme angeschnauzt und dann zur Seite geschoben. Seit wann lief ich eigentlich durch die Gegend, ohne auf meine Umgebung zu achten? Das war ja mal absolut nicht meine Art. Ich biss meine Zähne aufeinander. In Zukunft dürfte ich nicht mehr so nachlässiger sein, auf keinen Fall. Man konnte nie wissen, wer dort auf einen lauerte und einem schaden wollte.
Ich hob meinen Blick und in mein Blickfeld geriet eine Frau in engen, aber sportlichen Klamotten, die ein paar Jahre älter war als ich. Imara.
»Oh, hey, Jay. Du bist das.« Über ihr Gesicht huschte ein kurzes Lächeln und sie warf sich ein paar ihrer schwarzlila Braids über die Schultern nach hinten. Auf dem Kopf trug sie eine Wollmütze und in ihrem Nasenflügel glitzerte ein Piercing, das sich silbern von ihrer dunklen Haut abhob. »Lang nicht gesehen, was?«
»Zum Glück.« Ich tauschte mein Handy gegen meine Zigarettenschachtel und fummelte eine daraus hervor.
»Ganz meinerseits.«
Ich hätte fragen können, was sie hier machte, warum sie wieder bei ihrem Ex aufgelaufen war, doch ich sparte es mir. Bis auf eine dumme Antwort konnte ich mir nicht viel erhoffen.
»Krieg ich auch 'ne Kippe?«
»Klar, immer.« Ich streckte ihr die Schachtel hin. Weil sie und Tarek während ihrer Beziehung auch eine Weile zusammengewohnt hatten, hatten wir zwangsläufig zu viel Zeit miteinander verbracht. Im Grunde genommen fand ich Imara ganz okay. Sie provozierte nicht unnötig, war trotzdem kein Arschkriecher und so war es recht entspannt mit ihr gewesen.
Einen Moment lang standen wir beieinander, während wir beide unsere Kippen anzündeten. Imara fuhr sich durch das Gesicht, das wie immer ungeschminkt war, seufzte. Kurz kniff ich meine Augen zusammen, dann merkte ich, wie durcheinander sie wirkte.
Boah, wahrscheinlich hatte es irgendein Drama zwischen den beiden gegeben. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Eigentlich sprach genau so etwas dafür, dass ich mich nicht mehr bei Fede melden sollte, ich wollte garantiert nicht wie Tarek enden, der seiner Ex noch immer nachtrauerte.
»Hau rein, Alter«, verabschiedete ich mich von ihr, ehe ich auf den Hinterhof zusteuerte. Dort stand ein ausgebranntes Auto herum, Müll und ein paar Fahrradleichen. Genauso regelmäßig, wie Tarek seine Schrottkarren wechselte, landete er auch in anderen Wohnungen. Aktuell war es eine unscheinbare Mietskaserne.
Der Schnee, der überall in der Stadt lag, strahlte dank des Sonnenlichts ekelhaft weiß, sodass ich meine Augen zusammenkneifen musste. Auf gar keinen Fall wollte ich wie die beiden werden und mich in irgendwelchen unsinnigen Liebesdramen verlieren, darum war es vielleicht sogar besser, Fede einfach nicht zu schreiben. Dabei war es bei ihm und mir ohnehin nie um mehr als nur Vögeln gegangen.
Um mehr nicht.
»Ey, was wollt'n die jetzt hier?«, fragte ich, als ich mich auf Tareks Ledercouch fallen ließ. Die Bude war so vollgequalmt wie immer und genauso aufgeräumt wie sonst auch. Eine Waage auf dem Glastisch, in Alu verpackte Koksplatten, die er zu kleineren Lieferungen verarbeitete. Ein Stück davon war ein Kilo schwer, alles in allem verdammt viel Geld, das hier herumlag. »Ich dachte, die hat keinen Bock mehr auf dich.«
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Die Verlierer - Sklaven des Erfolgs
General Fiction[TEIL 2] Während Jay alles gibt, um der gefürchtetste Dealer der Stadt zu werden, dafür, dass jeder in Berlin seinen Namen kennt, sitzt Federico am Schreibtisch und lernt. Für ein besseres Leben, um eines Tages das Viertel mit seinen versifften Pla...