15 | Keine Moral

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Noch drei Mal. Dann hatte ich es geschafft. Konzentriert presste ich meine Zähne aufeinander und konzentrierte mich auf das Brennen, das ich in meinen Armmuskeln verspürte. Meine Atmung, die flach und stoßweise ging.

»Du übertreibst mal wieder total, was?«, vernahm ich auf einmal eine belustigte Stimme neben mir. Ich wusste sofort, wem sie gehörte, auch ohne meinen Blick von den Strahlern an der Decke des Fitnessstudios zu heben. Aykan. Diese Missgeburt.

Warum auch immer er ausgerechnet im selben Gym wie ich trainieren musste.

»Halt einfach deine dumme Fresse«, presste ich zwischen den Zähnen hervor, während ich die Hantel nach oben stemmte. Und wieder absenkte. Von diesem Anabolika-Opfer brauchte ich mir gar nichts sagen zu lassen. Pumpte seine Muskeln auf und hatte sie noch nie bei einem richtigen Straßenkampf eingesetzt, das war mehr als nur lächerlich.

»Entspann dich, Jay«, lachte er.

Ich machte noch einen weiteren Zug, ehe ich mich ein wenig aufrichtete und die Hantel auf die Halterung wuchtete. Es dauerte einen Moment, bis sich meine Muskeln langsam lockerten. Noch immer fühlte ich das schwere Gewicht, das ich eben gestemmt hatte.

Mit meinem Handtuch wischte ich mir den Schweiß aus dem Gesicht und wandte mich Aykan zu, der sein gestreiftes Handtuch auf einen der Sitze schmiss. Seine zerdrückte Plastikflasche stellte er auf dem Teppichboden ab, der von den vielen Besuchern abgenutzt war.

»Was machst du überhaupt noch hier? Solltest du nicht schön brav in deinem Bettchen liegen und schlafen, damit du morgen fit in der Schule bist? Is' doch total wichtig.« Es war unüberhörbar, wie viel Herablassung in meiner Stimme lag, als ich mich aufrichtete und an ihm vorbei zu der Butterfly-Maschine ging.

Langsam war ich echt verdammt erschöpft, schließlich war ich seit einer halben Ewigkeit wach und nach einem Abend bei Rashid noch trainieren gegangen.

»Weil ich ja auch so viel lerne«, lachte er spöttisch auf und stellte das Gewicht an dem Gerät ein. Würde mir persönlich ja total auf den Sack gehen, so fette Muskeln zu haben, die einem total die Bewegungsfreiheit einschränkten, aber wenn er drauf stand, dann bitte. »Nur weil ich die Schule nicht geschmissen hab', oder was?«

Ich verdrehte die Augen und trank einen Schluck aus der Wasserflasche, während mir auffiel, wie müde Aykan aussah, mit dunklen Ringen unter den Augen und einem unordentlichen Dreitagesbart.

»Heute nicht so entspannt wie sonst?«, provozierte ich. »Was'n mit deiner Ausgeglichenheit passiert?«

»Halt einfach die Fresse«, zischte er und packte noch zehn Kilo mehr drauf, ehe er energisch die Griffe des Geräts zu sich ranzog. Er trug ein Tanktop, das den Blick auf seinen durchtrainierten Bizeps freigab.

»Oho, scheinst ja echt Probleme zu haben. Armer Kerl. Hat dein Mädel fremdgefickt oder was los?« Mit einem Grinsen genoss ich es, wie seine Laune offensichtlich noch ein ganzes Stück schlechter wurde. Gab doch nichts Tolleres, als solchen Idioten den Tag zu vermiesen, vor allem dann, wenn sie ohnehin schon frustriert waren.

Eine gute halbe Stunde später verließ ich das Fitnessstudio, wo mich im Eingangsbereich eine Trainerin mit langem, blondem Pferdeschwanz, Hakennase und einem viel zu strahlenden Lächeln für diese Uhrzeit verabschiedete.

»Schönen Tag dir!«

Ich brummte etwas Unverständliches und ließ die Glastür schwungvoll hinter mir ins Schloss fallen. Noch lagen die von Schlaglöchern überhäuften Straßen und das China-Restaurant neben dem Fitnessstudio verlassen da, genauso der Waschsalon. Zwischen den umliegenden Plattenbauten kündigte ein rötlicher Schimmer den nahenden Sonnenaufgang an. Ekelhaft friedlich fielen vereinzelte Schneeflocken vom Himmel, die sich auf dem Beton direkt auflösten.

Die Verlierer - Sklaven des ErfolgsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt