33 | Niemals entschuldigen

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»Ich find' das scheiße, dass ich jetzt bei dem ankriech'«, maulte ich Tarek an, als wir im Auto saßen und Berlin an uns vorbeizog. Im Gegenzug zu den letzten Tagen erhellte die tiefstehende Sonne dieses hässliche Moloch.

»Ja, Jay, träum weiter. Bis du der harte Oberboss bist, der bei Problemen nur seine Hündchen losschickt, dauert's noch ein bisschen«, grinste Tarek. Die aus den Boxen klingenden Geigen kamen zu ihrem dramatischen Höhepunkt, dann wurde das Geklimper wieder langsamer. Jeder, der klassische Musik machte, gehörte gesteinigt.

Ich verdrehte die Augen und wurde im nächsten Moment nach vorne geschleudert, weil Tarek die Idee, das Bremspedal langsam zu drücken, fremd war. Er war glühender Verfechter von Vollbremsungen.

»Und das zum Glück, sonst müsste ich jeden Tag ausrücken und dich wo rausboxen«, fuhr er lachend fort. Und das so seelenruhig, als wäre er nicht beinahe auf das Auto vor uns draufgefahren.

Mit quietschenden Reifen kam Tarek schließlich auf dem weitläufigen Parkplatz zum Stehen, hinter dem sich das Gebäude mit dem Flachdach erstreckte. Neben uns ein nachtschwarzer, unscheinbarer BMW mit getönten Scheiben, aus dem Moussa und ein Kollege von ihm ausstiegen. Auch der hatte eine Ausstrahlung, die klarmachte, dass er keine Kompromisse machte.

Türen, die zuknallten. Autos, die verschlossen wurden. Ein kurzes Nicken und wir gingen gemeinsam auf das Casino zu, während die Sonne hinter den grauen Häusern verschwand.

Ich genoss Momente wie diesen. Ich hatte genau die Menschen an meiner Seite, die ich bei dieser Scheiße hier brauchte. Kriminelle, die bereit waren, meine Probleme zu lösen. Und das, obwohl ich nur irgendso'n respektloser Wichser war.

Der eines Tages ganz oben stehen würde.

Die Zweifel aus den letzten Tagen waren weg, schließlich konnte ich diese Scheiße hier nur gewinnen. Ein letztes Mal zog ich die eisige Luft in meine Nase, ehe wir ins Innere der Spielothek traten. Das hier herrschende Dämmerlicht, das nur von den bunt flackernden Automaten und einer schwachen Lampe im Barbereich erhellt wurde, verschluckte uns.

Wie immer stand der hünenhafte Kerl hinter dem Tresen und ich fragte mich, ob es einen Zeitpunkt gab, an dem er hier nicht anzutreffen war. Musste doch verdammt nervig sein, so sehr das Hündchen seines Bosses zu spielen.

»Was wird das für'n Aufmarsch?«, spottete er und stützte seine volltättowierten Arme auf dem blankgewischten Tresen auf. Ich erkannte eine Schlange, die ihre Zähne fletschte, und ein paar unleserliche Schriftzüge.

»Abend, Bruder.« Manchmal war mir Tareks ruhige Art echt suspekt. Zum Beispiel in solchen Situationen, da war die doch mal gar nicht angebracht. Aber gut, irgendwie bekam er dadurch immer, was er wollte. »Ist Kiral da?«

»Der Chef hat jetzt keine Zeit«, fuhr Sigge uns an und machte eine herrische Bewegung in Richtung Eingang. »Raus.«

»Ich glaube, das hast du nicht zu entscheiden.« Unbeirrt ging Tarek auf den Durchgang zu.

Ein knappes Nicken von Sigge und mit einem Mal waren wir nicht mehr allein mit dem Typen. Vier andere Menschen erhoben sich und kamen aus einem dunklen, schwer einsehbaren Eck hervor. Hinter ein paar Automaten befanden sich dort ein paar Couches und ein Tisch.

Erst als sie sich um uns herum aufbauten, erkannte ich, dass auch eine Frau unter ihnen war. Es handelte sich dabei um die Schwarzhaarige, die ich schon ein paar Mal hier gesehen hatte.

Waren da bei meinen letzten Besuchen auch Leute gewesen? Verdammt, bestimmt – als ob Kiral seinen heiligen Schuppen nur unter Bewachung von Sigge ließ. Wie hatte es mir eigentlich entgehen können, obwohl ich mir doch immer so viel Mühe gab, selbst die kleinsten Details aufzunehmen?

Die Verlierer - Sklaven des ErfolgsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt