Ich hatte Glück. An den Klingeln waren Namensschildern angebracht, und ich ließ meinen Blick nach links und rechts gleiten, auf der Suche nach Schwenke.
Mit einem Mal schien alles ganz einfach zu sein. Wie unnötig, dass ich mir in den letzten Tagen überhaupt so viele Gedanken gemacht hatte. Jetzt war es ein wenig so, als hätten diese nie existiert. Ich nahm mir vor, in Zukunft einfach gar nicht mehr zu zweifeln. Das wollte ich nicht, das brauchte ich nicht und dann würde ich das auch nicht tun. Ganz einfach.
Genau wie ich es auch hinkriegen würde, dass zwischen mir und Fede etwas laufen würde. So schwer konnte das doch gar nicht sein. Mit den Weibern schaffte ich es auch.
Okay, meistens.
Auf der rechten Seite entdeckte ich ein unscheinbares Klingelschild mit dem passenden Namen. Elektronische Musik klang gedämpft in den Flur und wurde lauter, als ich mich der richtigen Wohnungstür näherte. Mit der flachen Hand schlug ich darauf. Fester, als sich nichts regte.
»Macht mal auf, ihr Wichser«, brüllte ich ungeduldig. Ich biss meine Zähne aufeinander. Ich sollte da echt weniger gestresst und vor allem weniger unbeherrscht da rangehen. Das brachte doch nichts, außer mögliche negative Konsequenzen. Und vor allem nicht zweifeln, da war ich doch gerade schon.
»Ruhe da draußen, es ist nach zweiundzwanzig Uhr!«, erklang eine schrille Stimme aus einer der Nachbarwohnungen, als ich nochmal gegen die schlichte braune Tür schlug. »Sonst hol' ich die Polizei.«
Sollte sie halt. Bis die Cops hier gewesen wären, wäre ich schon längst wieder weg und selbst wenn sie mich erwischen würden, würde ich halt schießen. Deutsche Bullen zögerten doch eh viel zu sehr und griffen erst mal nach dem Pfefferspray anstatt zu ihrer Waffe, ganz im Gegensatz zu den Wichsern in Amerika.
Dann endlich öffnete sich doch die Tür. Langsam und zögerlich. Es dauerte ein paar stressige Augenblicke, bis sich mein Blick auf einen Kerl mit zerzausten Haaren und Pickeln richten konnte. Seine Pupillen waren erweitert und ich war mir sofort sicher, dass er drauf sein musste.
»Verpiss dich«, nuschelte er, übertönt von der Musik. Er sprach leise und undeutlich, und seine Augen flogen nervös umher. Sahen über meine Schultern und dann den Gang hinunter, als hätte er Angst davor, dass gleich noch andere Menschen auftauchen und ihn angreifen würden. Der würde schon noch verstehen, dass es klüger war, mich ernstzunehmen, auch wenn man bei so einer dahinsiechenden Gestalt sowas wie Verstand nicht erwarten konnte.
Ich machte einen schnellen Schritt auf ihn zu und stieß ihn grob zu Boden, ohne eine Sekunde zu zögern. Er versuchte noch, die Tür vor mir zuzudrücken, doch schaffte es nicht mehr. Stattdessen taumelte er zurück, kämpfte dagegen an, sein Gleichgewicht zu verlieren. Gelang ihm genauso wenig, so packte er mich am Kragen, riss mich mit sich nach unten.
Ein stechender Schmerz schoss durch mein Knie, als wir auf dem Betonboden aufprallten. Ich behielt die Oberhand, drückte Pickelfresse an seiner Schulter nach unten, um ihn von einem Angriff abzuhalten. Schnell brachte ich mich wieder auf die Beine.
Das erste, was mir in die Nase stieg, war ein chemischer Gestank, den ich nicht so recht deuten konnte. Verdammt, da war ja die Katzenpisse bei uns zuhause noch angenehmer.
Ich holte aus und trat ihm mit viel Kraft in den Bauch, sodass er sich unter einem schmerzerfüllten Stöhnen zusammenkrümmte. Reichte mir natürlich nicht und ich wiederholte meinen Tritt, um ihn wirklich handlungsunfähig zu machen. Dieses Mal ins Gesicht und ging nicht lange, bis Blut aus seiner Nase tropfte.
Noch immer drang die eintönige, elektronische Musik in meine Ohren, bei der sich die drei gleichen Elemente immer wiederholten. So eine nervige Scheiße, die wohl entspannend sein sollte, aber meinen Aggressionslevel auf einen anstrengenden Punkt trieb. Wie sollte man sich bei so einem Schwachsinn konzentrieren können?
DU LIEST GERADE
Die Verlierer - Sklaven des Erfolgs
General Fiction[TEIL 2] Während Jay alles gibt, um der gefürchtetste Dealer der Stadt zu werden, dafür, dass jeder in Berlin seinen Namen kennt, sitzt Federico am Schreibtisch und lernt. Für ein besseres Leben, um eines Tages das Viertel mit seinen versifften Pla...