Mein Herzschlag raste, als ich meine Augen schloss und Fede näher kam, meine Lippen auf seine legte. Dieses Mal fühlten sich seine Wange nicht glatt unter meinen Fingern an, sondern rau dank der Bartstoppeln. Seine Haut fühlte sich warm an. Vorsichtig begann ich damit, ihn zu küssen, versenkte grob meine Hand in seinen Haaren, während mein verficktes Herz beinahe meinen Brustkorb auseinanderriss.
Endlich war ich ihm so nahe, wie ich mir das die letzten Tage über so oft ausgemalt hatte.
Meine Küsse wurden ein wenig länger, intensiver. Wollte mich auf ihn einlassen, noch länger seine rauen Lippen auf meinen spüren. Nur noch diesen Moment erleben. Und tief in mir war wieder das Verlangen, die Leidenschaft, die auch damals zwischen uns gewesen war. Doch dann spürte ich, wie Fede seine Hand auf meine Brust legte.
Mich bestimmt zurückdrückte.
Es dauerte einen Moment, bis ich realisieren konnte, was das zu bedeuten hatte. Fede hatte keinen Bock darauf, mich zu küssen. Und das tat weh. Fuck. Ein schmerzhafter Stich, der sich tief in meine Brust bohrte, immer weiter.
»Jay, ernsthaft, ich mag das nicht, wie du immer anderen deinen Willen aufzwingen willst«, erklärte Fede und suchte meinen Blick. Obwohl er sich offensichtlich um einen erklärenden Tonfall bemühte, konnte er nicht verhindern, dass er aufbrausend klang. »Ich muss mich nicht wie so eine Marionette behandeln lassen, ehrlich.«
Keine Ahnung, was gerade in Fede vorging und warum in seinen Augen ein wütendes Funkeln aufgetaucht war. Ich konnte das nicht wirklich deuten. Genauso wenig, was diese ganze Scheiße hier überhaupt sollte. Alter.
Warum ich ihn so abgefuckt hatte, obwohl er doch bei unseren letzten Gesprächen definitiv so gewirkt hatte, als wäre er ebenfalls interessiert. Verdammt, ich konnte mir das doch nicht eingebildet haben. Wie er ebenfalls meine Nähe gesucht und Anspielungen gemacht hatte.
Allein, dass Fede wissen hatte wollen, wozu ich wichste.
»Ja, okay«, sagte ich mit ausdrucksloser Stimme. Hey, klang ja besser als erwartet. Nicht eingeschnappt. Ich musste unbedingt alles tun, damit das hier nicht noch zu einer größeren Lachnummer wurde. Ich hatte ihn geküsst. Er wollte nicht. Na und, so etwas passierte. War doch nichts dabei. »War eh nur'n Spaß so.«
Einfach cool bleiben.
Mir nichts anmerken lassen.
Keine Emotionen. Fede war mir egal. Der Schmerz in meiner Brust existierte nicht.
Alles runterschlucken.
»'n Spaß?«, fragte Fede nach und lachte. Gott, wie sehr ich ihn für diese Überheblichkeit hasste. Er hatte absolut kein Recht, sich über mich lustig zu machen. Er war noch nur so ein lächerlicher Streber. Ein Niemand.
Ich wollte ihm irgendwelche Beleidigungen an den Kopf werfen. Ihn so verletzen, wie er mich verletzt hatte. Oder meine Fäuste sprechen lassen. Doch für einen Moment bekam ich nichts raus, konnte die tief in mir lodernde Wut nicht freimachen. Sie war da, doch mein Mund war wie verschlossen.
Zu groß die Ungewissheit, die Unschlüssigkeit, all das, das ich nicht verstand.
»Naja, also, bis bald dann«, sagte ich und klang seltsam belegt dabei. Tief vergrub ich meine Hände in den Hosentaschen und bemühte mich um meinen unbeteiligten Blick. Bisschen Grinsen. Und Arroganz nicht vergessen. Ging doch irgendwie.
Für einen kurzen Moment sah Fede aus, als wolle er noch etwas sagen und fände die richtigen Worte nicht. Als wolle er mich zurückhalten. Mit nachdenklich gerunzelter Stirn biss er auf seine Unterlippe und schaute mich unschlüssig an. Tief in mir kam diese dumme Hoffnung auf, dass er jetzt einfach vortreten würde und mich mit einem Grinsen an sich ziehen. »Hab dich nur verarscht, du Trottel«, würde er lachen und dann seine Lippen auf meine drücken.
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Die Verlierer - Sklaven des Erfolgs
General Fiction[TEIL 2] Während Jay alles gibt, um der gefürchtetste Dealer der Stadt zu werden, dafür, dass jeder in Berlin seinen Namen kennt, sitzt Federico am Schreibtisch und lernt. Für ein besseres Leben, um eines Tages das Viertel mit seinen versifften Pla...