Nachdem Dorothee von ihren Freundinnen im Schulbus noch getröstet wurde, während Harry deren bösen, verachtenden Blicken schutzlos ausgeliefert war, dachte er darüber nach, ob es sich tatsächlich um Tränen der Trauer handelte, welche Dorothee dort vergoss. Konnte es denn nicht genauso gut - wenn nicht sogar realistischer sein - dass Dorothee von seinen aufmunternden Worten so sehr beeindruckt oder verblüfft war, dass sie dadurch weinen musste?
Mit einem Lachen sprang er in der Schule angekommen aus dem Bus und versuchte, den nächsten Menschen auszumachen, welcher nun mit einer Komplimentswelle überrollt werden würde.
Tommy! Da war er. Er war perfekt. Auch Tommy hatte einen erhöhten Körperfettanteil und noch dazu von pubertätsbedingter Akne geplagt.
"Tommy, guten Morgen! Wie ich sehe, hast du dich heute für ein frisch gewaschenes T-Shirt entschieden. Es schmeichelt dir besser, als dein Letztes, denn die Farbe passt perfekt zu deinen geröteten, eitrigen Pickeln auf deinem Gesicht!", aufmunternd klopfte Harry ihm auf die Schulter und blickte nach oben in Tommys Augen.
Tommy war größer und stärker als Harry, denn er war zwei Klassenstufen über ihm. Er grummelte etwas unverständliches, ehe er seine rechte Hand aus der Hosentasche zog und Harry die nächste Ohrfeige verpasste.
Nach dieser erneut unerklärlichen Reaktion stand Harry wieder da; ratlos und verwirrt. Was hatte er denn nun schon wieder falsch gemacht? Denn dieses mal war er sich sicher: Das war wirklich keine Reaktion, die durch Freude und Verwunderung über Harrys plötzlichen Sinneswandel ausgelöst wurde.
Seine zunehmende Frustration versuchte der junge Knappe so gut es ging zu unterdrücken, doch er brauchte unbedingt ein Erfolgserlebnis. Aber woher sollte er sich dieses nur holen? Von seinen Mitschülern sicher nicht, das hatte er von seinen letzten beiden Anläufen bitter lernen müssen.
Doch lange konnte er sich keine Gedanken über andere Taktiken machen, denn seine erste Schulstunde fing an. Mathematik stand auf der Agenda, bei Mr. Fray.
Harry saß auf seinem Platz und wartete geduldig, dass der Pädagoge vor ihm den Unterricht begann. Dieser warf ihm immer wieder verwirrte Blicke zu, als ob Harry heute ein neuer Mensch wäre.
"Harry, warum heute so still?", fragte dieser dann prompt.
"Wissen sie Mr. Fray, ich denke es wird Zeit, dass wir hier alle zur Vernunft zurückkehren.", beantwortete er die Frage selbstbewusst. Mr. Fray konnte nur anerkennend nicken.
"Aber eine Frage hätte ich noch: Wie haben Sie es geschafft, so schnell zum Unterricht zurückzukehren, da ja die gesamte Schulfamilie von ihrer Affäre mit der Schulrektorin weiß. Ich persönlich wäre zu beschämt dafür. Aber ich bin stolz auf Sie, das spricht für ihren Charakter. Sie scheinen keinerlei Schamgefühl zu empfinden, das freut mich für Sie!", Harry war sich so sicher, dass er diesmal den Nagel auf dem Kopf getroffen hatte. Sein Mathelehrer muss mit diesem Kompliment einfach glücklich sein!
Aber lange hielt seine innere Freude nicht an.
"RAUS! Du gehst sofort ins Sekretariat und bist für die nächsten zwei Wochen suspendiert!", schrie Mr. Fray weiter und scheuchte den jungen Harry aus dem Klassenzimmer.
Bedröppelt stand er vor dem Raum und versuchte, sich zu sammeln und das eben Passierte aufzuarbeiten, ehe er sich auf den allzu bekannten Weg ins Sekretariat machte.
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I BIN SO SAUER
FanfictionBad. Was bedeutet es schon, 'bad' zu sein? Gibt es eine genaue Definition, ein Regelbuch, wie man sich zu verhalten hat, um als 'bad' zu gelten? Harry schwimmt in einer Suppe der Unwissenheit und merkt schon bald, dass er es nicht versuchen muss, '...