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Lea

Meine Schwestern und ich sitzen im Wohnzimmer unseres Verbindungshauses und besprechen das erste Auswärtsspiel, das in zwei Tagen stattfinden wird. Zu behaupten, ich wäre aufgeregt, wäre noch absolut untertrieben. Seit ein paar Tagen schon laufe ich mit diesem unterschwelligen Gefühl von Panik herum, denn dieses Spiel wird auch mein erster offizieller Auftritt mit dem Team sein und das vor einem deutlich größeren Publikum als dem in River Falls.

Vielleicht wäre ich weniger aufgeregt, wenn ich mich besser auf unsere Trainingseinheiten hätte konzentrieren können, aber ich kann an kaum etwas anderes denken als an Ian, der noch am Dienstag seine Stelle im Café gekündigt hat, weil er glaubt, dass es einfacher für uns ist, wenn wir uns seltener sehen. Vielleicht hätte er recht damit gehabt, wenn da nicht Liz wäre, die neben mir sitzt und Nachrichten mit Ian austauscht, die sie immer wieder kichernd mit mir teilt. Ich habe mich schon lange nicht mehr so schlecht gefühlt wie in den letzten Minuten, in denen Liz mich an der Wochenendplanung zwischen ihr und Ian teilhaben lässt.

Um mir meinen Schmerz nicht anmerken zu lassen, stehe ich von der Couch auf und entschuldige mich mit der Ausrede, dass es mir nicht gut ginge und ich mich auskurieren wolle, weil ich das Wochenende unbedingt miterleben wolle. Die Mädchen nicken und schicken mich mit mitleidigen Blicken in mein Zimmer, aber wahrscheinlich befürchten sie nur, dass ich sie anstecken könnte. Warum auch immer sie mich gehen lassen, eigentlich ist es mir egal. Ich will nur nicht länger zusehen müssen, wie Ian mit Liz einfach weitermacht, als hätte es unseren gemeinsamen Abend nie gegeben. Und eigentlich habe ich nicht einmal gelogen, denn mir geht es wirklich schlecht. Mein Magen krampft und mein Herz fühlt sich an, als wäre es wund und an einer Million Stellen gerissen, wie ein zersplitterter Spiegel. In jeder Scherbe steckt eine Erinnerung an Ians Küsse, an seinen Geruch, das Gefühl seiner Haut auf meiner.

Ich lasse mich auf das Bett fallen und starre minutenlang an die Decke, bis der Piepton einer eingehenden Nachricht mich aus meinem Schmerz reißt. Fast möchte ich einfach liegenbleiben und die Nachricht ignorieren, aber die leise Hoffnung, dass die Nachricht von Ian sein könnte, lässt mich doch nach meinem Handy angeln, das in meiner Handtasche steckt, wo ich es die meiste Zeit einfach vergesse.

Es ist eine Nachricht von meiner Mutter, sie hat mir in der letzten Stunde mehrere Bilder von Brautjungfernkleidern geschickt. Ich soll ihre Brautjungfer sein und Ian der Trauzeuge seines Vaters. In dem Moment, in dem diese Szene vor meinem inneren Auge Gestalt annimmt, möchte ich nur noch schreien. Wir werden nebeneinander vor dem Altar stehen und keiner von uns wird jemals laut aussprechen, was diese Heirat für uns bedeutet. Nein, was sie mir bedeutet, denn Ian scheint besser damit klarzukommen als ich. Er hat Liz.

Ich suche eins der Kleider aus und setze einen Smiley unter das Bild. Meiner Mutter zuliebe habe ich sogar ehrlich entschieden und nicht einfach eine Wahl getroffen, nur um eine Wahl getroffen zu haben.

Das gefällt mir auch am besten, schreibt sie zurück und ich lächle, als könne sie es sehen. Weil ich das nicht kann, schicke ich ihr noch einen lachenden Smiley, auch wenn ich viel lieber weinen möchte. Ich starre wieder an die weiße Decke.

»Ich habe dir einen Tee gekocht«, sagt Penny und ich lasse vor Schreck das Handy fallen, es landet auf meiner Brust, dann rutscht es von meinem Körper und bleibt neben mir auf der Matratze liegen.

Penny kommt mit einer Tasse in unser Zimmer und stellt sie auf meinen Nachttisch. »Ich hoffe du magst Kamille?«, will sie wissen und mustert mich besorgt, dann betastet sie meine Stirn. »Kein Fieber, kein Schweiß. Du bist doch nicht schwanger?«

Ich richte mich auf und lehne mich gegen die Rückwand meines Betts. »Nein, alles okay. Ich bin nur etwas übermüdet«, beruhige ich sie. Niemand darf wissen, was wirklich mit mir los ist, dabei würde ich gern mit einer Freundin darüber reden, wie verrückt und schwer plötzlich alles in meinem Leben geworden ist. Jahrelang versuche ich meinen Gefühlen für Ian aus dem Weg zu gehen, wir streiten uns, weil Ian mich einengt, während er halb River Falls vor meinen Augen vögelt und mich von sich stößt, ich verletze ihn, weil ich ihm nicht die Wahrheit über Trevor sage und dann verschwindet er zwei Jahre aus meinem Leben. Und als wir endlich einen Weg zueinander finden, reißen ausgerechnet unsere Kindheitsträume uns brutal auseinander.

The Distance between usWo Geschichten leben. Entdecke jetzt