02 |𝗗𝝠𝗦 𝗠𝗘𝗘𝗧𝗜𝗡𝗚

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Genervt umrundete ich den langen Meeting Tisch und legte auf jeden einzelnen Platz einen Kugelschreiber, bevor ich einige Schritte zurück trat und mir das gesamte Bild anschaute. Okay, perfekt. Nachdem essen mit Cassandra, hatte Jonathan uns abgeholt und mich hier an der Firma abgesetzt. Dafür war ich ihm echt dankbar, denn sonst hätte ich mich sicherlich um einige Minuten verspätet. Und das wiederum hätte Mr. Davis mir übel genommen. Murrend zupfte ich an meinem engen Bleistiftrock und ging dann mit gelassenen Schritten hinüber zur Fensterfront, von der mal New York von oben betrachten konnte. Es war atemberaubend. Jedes Mal aufs Neue wenn ich aus diesen Fenstern schaute. Von hier oben sah alles so klein aus. Als wären die Menschen unwichtig und das was sie erschaffen hatten, bloß unbedeutende Reste der Menschheit, die irgendwann nicht mehr sichtbar sein würden. Und obwohl der Gedanke so schön war, war er dennoch so erschreckend. Menschen dachten immer sie wären die größten und schlausten, doch die Welt würde auch ohne uns weiterleben. Wir waren nur Besucher.

„Eine schöne Aussicht oder?", erschrocken zuckte ich zusammen und schaute zum Verursacher der Tiefen Stimme hinüber. Mein Boss trug seine alltägliche Miene, doch sein Stimmton hatte sich hörbar verändert. Irgendwie hörte er sich weicher, ja fast freundlich an. Sanfter. Ich musterte Noel einmal, um mich auch zu versichern, dass er es wirklich war und ließ mich dann auf den Stuhl neben ihn nieder. „Wo ist der Stick?", er sah mich prüfend an. „Neben ihrer Hand.", ich lächelte, wie immer wenn er mich prüfte und beobachtete wie er ihn zur Hand nahm. Schon seit drei Jahren arbeitete ich für Mr. Davis und trotzdessen prüfte er mich immer mal wieder. Langsam sollte er wirklich aufhören sich zu benehmen als wäre ich eine völlig Fremde, die mit der Arbeit die er einen auflegte nicht klar kam. Sein Blick wanderte noch einmal zu mir und musterte mich ausführlich. Ein Schauer kullerte über meinen Rücken. Ich wusste nicht was er gerade dachte, aber ich war mir sicher, das es nichts gutes war. Unser Hass kam beidseitig. -zumindest glaubte ich das. „Mr. Davis.", die Tür ging auf und drei weitere Männer, mit maßgeschneiderten Anzügen und teuren Uhren traten in den Raum. Männer mit zu hohen Meinungen von sich selbst. Wie aufs Kommando erwachte das Lächeln auf meinen Lippen und als würden Noel und ich wie ein Team arbeiten stellte ich mich zu ihm. Nur waren wir sicherlich kein Team. Er arbeitete für sich und ich für mich. Das brachte uns auch manchmal Probleme, weil wir aneinander vorbei redeten. „Ms. Nelson schön sie wieder zusehen.", einer der Männer reichte mir seine Hand, die ich augenblicklich annahm. Er kannte mich zwar, nur konnte ich sein Gesicht nicht zuordnen. Dennoch war er mir vertraut. „Ganz meinerseits.", ich lachte leicht und schüttelte seine Hand kurz, bevor ich sie fallen ließ. Mr. Davis räusperte sich, weshalb ich mich entfernte und mich auf meinen Stuhl setzte. Kurz blieb mein Blick in Noels hängen. Er schien nach etwas zu fragen und doch konnte ich diesen Blick von ihm nicht ganz einordnen. „Wie sie vermutlich auf diesem Diagramm sehen, steigen die Käufe des Holy Magazins rasant.", genau nach diesen Satz schaltete mein Gehirn aus, doch die Züge meines Gesichtes verblieben. Lächelnd. Meine Blicke fuhren immer wieder über meinen Boss und ich versuchte wirklich zu verstehen, was er dort vor sich hin babbelte, doch es ging nicht. Es war einfach nur ein unbedeutender Kauf der Holy Magazine, die in diesem Jahr wirklich viel Geld eingebracht hatten. Davon wollte mein arroganter Chef natürlich auch etwas abbekommen, weil er ja nicht schon reich genug war. „Kommen wir nun zur Besprechung des Vertrages.", Noel setzte sich auf seinen Platz und schob mir einen Kugelschreiber vor meine Finger, den ich zwischen meine Lippen niederließ und konzentriert auf das Blatt hinunter starrte. Stille nahm den Raum erneut ein, nur die angenehm tiefe Stimme von Mr. Davis schallte durch den Raum. Nach 65 Punkten, die abgeharkt, verändert oder gestrichen wurden, war das Meeting endlich nach mehreren Stunden beendet. Ich musste noch einige Dinge für meine neue Stelle vorbereiten und dazu brauchte ich nunmal Zeit. Noel gab mir nur nicht so viel davon. Gedankenverloren starrte ich auf den Tisch, noch immer mit dem Stift zwischen meinen Lippen. Eine warme, große Hand fuhr über meine Schulter und riss mich mit einem Mal aus meine Traumwelt. Ich zuckte erschrocken zusammen und sah zu Noel auf, der mich eindringlich anschaute. Fast durch mich hindurch sah. Als suchte er nach etwas. Ich wusste nur nicht was. Oft wusste ich nicht was Noel eigentlich von mir wollte. „Entschuldigen sie.", ich schenkte Mr. Davis ein Lächeln in der Hoffnung seine Hand los zu werden. Denn so wie ich dabei fühlte war das ganz und garnicht gut. Seine Hand entfernte sich aber nicht, sondern rutschte bloß auf den unteren Teil meines Rückens. Mein Atem stockte und meine Augen weiteten sich. Schock und doch durchstreifte mich die Hitze.

Was hatte er vor?

Noel Davis Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt