Prolog

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Überarbeitete Version 


Langsam drückte ich mit meinem rechten Fuß auf die Bremse und ließ meinen alten klapprigen Golf hinter einem schwarzen Familienwagen zum Halten kommen. Ich drehte den Schlüssel und der Motor erstarb, erst dann zog ich die Handbremse fest. Prüfend blickte ich noch einmal in den Rückspiegel und frischte den knallroten Lippenstift auf. Ich blickte an mir herunter: schwarze Jeans mit Cuts an den Knien und die Knöchel hochgekrempelt, geblümtes Top und schwarz/weiße Sneaker. Ich war mit meinem Outfit zufrieden, daher griff ich zu meiner kleinen Lederhandtasche und öffnete die Fahrertür. Ich schloss meinen Wagen ab und überquerte die Straße, stockte jedoch als ich sah, was da für ein Auto in der Einfahrt stand. Frisch poliert glänzte der rote Lack und die verchromten Fenster des alten Porsche 911 Cabriolets in der Abendsonne. Und ich kannte in meinem Bekanntenkreis nur eine einzige Person, die ausgerechnet dieses Auto fuhr. Leon, der Bruder von Louisa, meiner besten Freundin schien laut des Autokennzeichen der Besitzer zu sein. Louisa wurde heute 23 Jahre alt und hatte daher einige Freunde und die Familie eingeladen. Und auch ich, als ihre beste Freundin, hatte mich von Flensburg auf den Weg nach Bochum gemacht. Jedoch hatte ich die ganze Zeit, seitdem ihre Einladung persönlich

in einem Telefonat und im Briefkasten gehabt hatte, gehofft, dass er dem Tag fern blieb. Aber anscheinend meinte das Schicksal: „Fick Dich." und ließ mich nun in die Hölle wandern. Es war ja nicht das Schlimmste, dass Leon ihr Bruder war, das Schlimmere war, dass er zusätzlich zu dieser Tatsache mein Exfreund war, mit dem ich meine halbe Schulzeit zusammen gewesen war. Ich war mit 13 Jahren neu nach Bochum und in seine Klasse gekommen.

~ Flashback ~

Ich hatte mich von meinen Eltern und meinem kleinen Bruder verabschiedet und lief die paar Meter zu der Bushaltestelle, wo der Bus halten sollte, der mich zu meiner neuen Schule bringen sollte. Heute war für mich der erste Schultag hier in Bochum, meine Familie und ich waren von Münster aus hierher gezogen, weil meine Vater einen besseren Job bekommen hatte. Schon am Morgen war ich mega nervös und wachte um sechs Uhr früh auf, obwohl ich erst eine knappe Stunde später aufstehen müsste. An der Haltestelle standen einige andere Schüler und Schülerinnen, unterschiedlichster Altersstufen. Ich stellte mich dazu und blickte mich neugierig um. Da ich erst seit ein paar Tagen hier wohnte, hatte ich noch nicht viel Zeit gehabt um mich in meiner neuen Heimat um zu schauen.

Schließlich kam der Bus und ich folgte den anderen hinein. Es waren nur noch recht wenige Plätze frei, doch im hinteren Teil war auf einem Viererplatz drei Plätze frei. Ich durchquerte den Bus, die neugierigen Blicke der anderen so gut wie es ging ignorierend und blieb vor dem freien Platz stehen. Der blonde circa 13 jährige Junge, der alleine auf dem Platz saß, blickte mich an und nahm anschließend mit einem kleinen Lächeln seine Tasche vom Platz neben sich. Ich bedankte mich und ließ mich neben ihn auf den Platz fallen. „Du bist neu hier?" Fragend wandte er sich an mich. Ich nickte: „Ja ich wohne seit ein paar Tagen hier", erklärte ich Tim, wie sich der Blonde vorstellte. Anschließend nannte ich ihm meinen Namen. „Woher kommst du?" Doch bevor ich weiter antworten konnte, ließen sich zwei dunkelhaarige Jungs in unserem Alter sich gegenüber auf die beiden letzten Plätze fallen. Sie begrüßten Tim mit einem Grinsen und einem kompliziert aussehenden Handschlag, bevor sie mich neugierig musterten. „Wer bist du denn?", fragte der rechte, der im Gegensatz zum links sitzenden grüne Augen hatte. „Ich bin Elena und neu hier", erklärte ich mit einem Lächeln. „Sie kommt in unsere Klasse", fügte Tim hinzu. „Echt? Hey herzlich Willkommen, ich bin Leon", stellte sich der linke der beiden Brünetten vor, der dunkelbraune Augen besaß. „Und ich bin Marius!" Der rechte reichte mir mit einem frechen Grinsen seine Hand und ich schlug ein.

Schließlich hielt der Bus vor der Schule und die drei bestanden darauf mich gemeinsam zum Sekretariat zu bringen. Ab diesem Moment hatte ich in Marius, Tim und Leon die besten Freunde gefunden, die ich nur haben konnte. 

~ Flashback Ende ~

Irgendwann hatte ich dann bemerkt dass ich nicht nur freundschaftliche Gefühle für ihn hegte und in der achten Klasse hatte es dann zwischen uns gefunkt. Wir kamen schließlich zusammen, nach einer kurzen Trennung als wir 16/ 17 Jahre alt waren versuchten wir es erneut, bis es dann kurz nach dem Abitur die endgültige Trennung war. Das Arschloch ( Leon) hatte nach den geschriebenen Abiturprüfungen mit einigen Jungs aus seiner alten Bochumer Mannschaft Urlaub gemacht und hatte mich währenddessen anscheinend mehrfach betrogen. Ich hatte das einzig Richtige gemacht und den Schlussstrich nach fünf Jahren Beziehung gemacht. Seine Beteuerungen es täte ihm so leid, er liebe mich über alles und er wäre betrunken, die Mädels haben das voll ausgenutzt, blablabla...die fast täglich kamen, hatte ich konsequent ignoriert. Da ich zu diesem Zeitpunkt schon bei einigen Unis nach einem Platz gefragt hatte, musste ich nur noch warten, wohin es mich verschlagen würde. Ich hatte mich schlussendlich für Flensburg entschieden, da dies am weitesten weg war und die Stadt mich auch einfach angesprochen hatte.

Ohne den Wagen weiter zu beachten und auch den Schmerz in meiner Brust ignorierend lief ich in Richtung der Haustüre. Die kurzweilige Idee, den roten Lack mit meinem Autoschlüssel zu zerkratzen, unterließ ich schweren Herzens, da der Wagen nichts für meine schlechte Vergangenheit zu dessen Besitzer konnte.

Kaum hatte ich den Finger von der Klingel genommen, hatte sich die Türe schon geöffnet und ich stand Andrea (Louisas und Leons Mutter) gegenüber. Als sie mich, ihre "vierte Ziehtochter und Wunschschwägerin", das waren früher immer ihre Worte gewesen, erkannte, erstrahlten ihre Augen und sie zog mich mit einem breiten Lächeln in die Arme. „Elena! Wie schön. Lange nicht mehr gesehen!" Es war schön wieder ihre mütterliche Umarmung spüren zu können. Früher zur Schulzeit war sie wie meine zweite Mutter und in Leons Schwestern hatte ich meine Ziehschwestern gesehen. „Hey Andrea. Wie geht es dir?" Fragend blickte ich die fünffache Mutter an. „Mir geht es gut. Dir anscheinend auch. Die Seeluft scheint dir gut zu bekommen. Du siehst gut aus, bisschen dünn vielleicht?" Sie zwickte mir mit einem Zwinkern in meine Wange und ich musste grinsen. Sie zog mich in den Flur und während sie die Türe wieder schloss, blickte ich mich neugierig um. Es sah noch genauso aus wie vor fünf Jahren, als ich zum letzten Mal hier im Hause Goretzka war. Überall an den Wänden hingen Fotos und es war eine heimelige Atmosphäre zu spüren und ich wusste was mir in den letzten vier Jahren gefehlt hatte. Das Hause Goretzka, mein zweites Zuhause.

„Es hat sich kaum etwas verändert", stellte ich fest und schaute Andrea an. „Bis auf die obere Etage. Jürgen hat sie abgetrennt, sodass Leon dort oben eine eigene Wohnung besitzt", erklärte sie mir. Schließlich standen wir im Wohnzimmer an der halb geöffneten Terrassentür und blickten nach draußen. Bisher hatte mich noch keiner der anwesenden Personen gesehen. Ich entdeckte Louisa sofort, sie stand mit dem Rücken zu mir, bei ihr ihre älteren Schwestern Charlotte, die aber nur Charly gerufen wurde und Laura und warf gerade lachend den Kopf in den Nacken. „Na los, trau dich", ermunterte mich Andrea auf und gab mir einen sanften Stupser. Ich seufzte schwer und schob die Türe ein Stückchen weiter auf. Sie quietschte leise. Ich hielt sofort inne, in der Hoffnung, dass die Musik, das Quietschen übertönt hatte. Ich wurde enttäuscht, denn alle Anwesenden blickten nun in meine Richtung. „Elly", kreischte Louisa los, als sie mich erkannt hatte und lief auf ihren Sandalen so schnell wie es ging auf mich zu. Ich verzog mein Gesicht zu einer Grimasse, hasste ich doch ihren Spitznamen für mich. Bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, fiel sie mir grinsend um den Hals. Ich taumelte wegen ihres Schwungs einen Schritt nach hinten. Wie sehr hatte ich diese Umarmungen von ihr vermisst.

Bevor sie sich von mir löste, flüsterte ich: „Happy Birthday", und drückte ihr einen Kuss auf die Wange, erst dann ließ ich sie wieder los. „Danke Elena." Sie lächelte mich mit dem Lächeln an, was mich sofort wieder an Leon erinnerte, sodass ich mich im Garten umschaute.


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