Neue Zeiten

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Britta Unruh saß in einem blauen Morgenmantel und grünen Nachtkleid vor dem Spiegel, aus der Kommode schallte Musik. Eine Ballade über den Freier der aus dem Krieg als Held zurückkehrt. Der Kopf der blonden arbeitete auf Hochtouren, irgendwie musste sie dieses Geschöpf loswerden! Nein sie wollte Rochus nicht teilen! Sie wollte als seine Gattin an seiner Seite stehen und die neue Herrin im Haus werden.

Die Tür wurde geöffnet, gerade wollte sie Edda schallen das man gefälligst anklopfte, aber es war nicht ihre Tochter die dort stand. Nein es war Rochus in seiner prächtigen Uniform, in der Hand einen beinahe mickrigen Blumenstrauß, er hätte klopfen sollen! Beinahe schon beleidigt sah die Ältere in den Spiegel und ignorierte seine Finger auf ihrer Wange. Mit starkem Griff zwang der Obergruppenführer die Millionärin ihn anzusehen. "Ohne anzuklopfen? Ich hätte nicht angezogen sein können!"

Rochus grinste nur kühl und sah sie an. "Das wäre nichts was ich nicht schon kennen würde." Auch Britta musste er manchmal demonstrieren, dass er der Mann im Haus war. Doch der 36 jährigen entwich ein heller Schrei. "Du Flegel! Was denkst du was ich bin?! Ein Häschen wie diese Studentin?!" Die Millionärin schlug ihm die Blumen aus der Hand. Der kleine Strauß viel langsam zu Boden, wo er auf den Teppich liegen blieb. "Hat dein Mäuschen wieder ihren Spaß mit dem Arzt?" Ihre Worte waren spöttisch und kühl.

In Rochus gingen alle Sirenen an, die Wut brodelte als er an den Arzt dachte. "Nein, erwähne nie wieder seinen Namen! Nie wieder!" Schallendes Lachen erfüllte den Raum, diese dumme Frau lachte ihn aus. "Ah hat der Herr, ein Problem mit Eifersucht?! Doch keinen Mut und Grips, sondern einfach lächerlich und armselig. Ach wie niedlich du an ihrem Rockzipfel hängst!"

Britta grinste nur amüsiert über den hochroten Kopf des Liebhabers und wollte an ihm vorbeilaufen, doch Rochus stieß sie brutal zu Boden. "Halt deinen Mund! Halt dein dummes Maul!" Seine Faust war das erste, was seine Affäre berührte. Immer wieder schlug er zu, egal wie er sie verletzte. Ihm war egal wer das mitbekam, diese dumme Frau sollte einfach den Mund halten. Ein Schrei hinter ihn ließ den Obergruppenführer vernünftig werden, da stand Edda in einem Kleid was er ihr mal geschenkt hatte und schrie. Tränen liefen über die Wangen des Kindes und es drückte die Puppe fest an sich, ehe man nur noch sah wie sie aus der Tür rannte. Rochus erhob sich nahm seine Offiziersmütze und verließ die Wohnung, Britta ließ er einfach liegen.

Karl saß an dem Bett eines SS Soldaten. Den Mann hatte es schwer erwischt, dass rechte Bein war am dem Knie nicht mehr vorhanden. Im Auge ein Granatsplitter, die Einheit war auf polnische Widerstandskämpfer getroffen. Mit Handschuhen tastete sich Karl vorsichtig durch den Verband, irgendwo dort im verbrannten Fleisch steckten noch Splitter, die er rausnehmen sollte. Der Geruch war eklig, doch für ihn war nichts Unnormales. Wie viel Morphium dem gegeben wurde konnte er schlecht abschätzen, da der Scharfführer nur ohne Sinn und Verstand vor sich hin murmelte. "Wir...wir entsorgen die Juden."

Karl war bisher nicht auf ihn eingegangen, doch jetzt konnte der Mediziner nicht anders. "Auch Frauen?" Seine Stimme versuchte er so beiläufig wie möglich klingen zu lassen. Das Wort entsorgen war schon ein Graus für sein Herz. "Auch Kinder." Der Mann röchelte und wand sich wieder anderen Gesprächen zu. "Herr Wieser sie sind noch Chirurg, können sie sich bitte um ihn kümmern." Mit eiligen großen Schritten, verschwand Karl in seiner Kammer um sich einzuschließen. Die drei Ärzte des kleinen Lazaretts hatten das Privileg von ein wenig Privatsphäre.

Der weiße Kittel viel zu Boden und der Blonde übergab sich in der Blumenvase, was hatte er da gerade vernommen? Ihm war bewusst gewesen, dass es Hinrichtungen gab, doch nicht von Frauen und vor allem Kindern! Tränen verschleierten ihm das Gesicht, was war aus seinem Land geworden? Ein Haufen voller Mörder und Verbrecher, gedeckt und angestachelt von den Wahnsinnigen an der Macht. Wie gerne würde er Katharina jetzt bei sich haben und ihr berichten was vorgefallen war. Davon berichten konnte er ihr auch nicht, dass würde nur der Feldpost Zensur zum Opfer fallen! Es war zum Mäuse melken! Sein kleiner Hoffnungsschimmer war die zwei Wochen Urlaub in drei Monaten, an jenes kleine Glück würde er sich klammern. Zittrig holte er aus dem kleinen Kasten Papier und begann zu schreiben.

Meine Liebste Katharina,

mein Herz schreit nach dir, es brennt lichterloh. Mir geht es ganz gut, es ist noch nicht so schlimm hier. Wo genau ich bin und mit wem, darf ich ja nicht schreiben, aber nach meinen Aussagen der letzten Briefe kannst du dir es vermutlich denken. Wie geht es euch in der Heimat? Wie läuft das Lernen für das Examen? Aus meinem Arbeitszimmer kannst du dir alles nehmen, was du irgendwie benötigst. Grüße bitte auch deinen Bruder von mir. Was gibt es neues? Ich weiß nicht wann mein Brief dich erreicht, doch wenn du bereits geschrieben und bestanden hast gratuliere ich dir. Wenn das alles hier vorbei ist, werde ich dich wieder in die Arme nehmen und irgendwann werden wir auch heiraten. Das verspreche ich dir.

Dein dich liebender Karl

Zudem Brief legte Karl ein Foto, der Kamerad hatte ihn beim Essen fotografiert. Neben ihm saß eine Krankenschwester und die beiden unterhielten sich. 2 April 1940, der Kamerad Eduard fotografiert mich beim Essen. Seufzend erhob er sich und steckte alles ein, dass würde er nach der Arbeit abgeben, langsam musste er zurück.

In Deutschland saß Katharina gedankenverloren auf dem Klavierhocker und spielte vor sich hin. Stundenlang hatte sie über ihren Aufzeichnungen gesessen, doch heute konnte sie nichts mehr aufnehmen. Wie einsam sie doch war, Rochus war nur noch bei Britta. Das Haus war so unbelebt und leer, die einzige Person die sie noch hatte war Erich. Erich wollte nicht mehr im Edwards bleiben, er hielt es nicht mehr aus den ganzen Tag nichts zu tun. In wenigen Wochen wäre sie auch an einem fremden Ort, wenn Rochus es sich nicht anders überlegte. Der Obergruppenführer hatte davon gesprochen, dass er das verhindern konnte, doch warum sollte er das tun? Wenn sie weg war stand einer Liebe zwischen der Millionärin und dem Obergruppenführer nichts mehr im Weg. 

Gefangen im FaschismusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt