9) Vermisst. 🗺️

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Doch was mir entgegentrat, war ganz und gar nicht Frau Winter.

Im Gegenteil. Es war ein blonder, niedlicher Junge, welcher mich mit großen Augen anstarrte. Ich schätze ihn auf Sieben oder Acht Jahre, er war wirklich nicht sonderlich groß.

"MAMMMAAAAAAA, DALIRA KOMMT UNS BESUCHENNNN!!!!!" schrie er hysterisch und eine gestresste Mutter kam hinter ihm zum Vorschein.

Erst schien sie im Widersprechen zu wollen, doch als sie mich erblickte, weiteten sich ihre Augen.

"Du meine Güte-", brachte sie heraus.

Ich war etwas überfordert, denn in den nächsten Sekunden, welche nicht zu enden schienen, starrten die beiden mich an als wäre ich ein Alien.

Der Junge hatte etwas wie 'Dalira' geschrien, ich war mir aber nicht sicher, was er meinte. Ich hieß Dalia, was die Sache irgendwie gruselig machte, denn woher sollte er meinen Namen kennen? Aber Dalira? Noch nie gehört.

Die Mutter fasste sich als Erste wieder und meldete sich zu Wort.
"Können wir Ihnen irgendwie bei etwas helfen, Dalira?"
Ihre Stimme und ihre ganze Erscheinung wirkte als eine Mutter sehr freundlich, und eine kurze Welle der Eifersucht gegenüber dem Jungen durchzuckte mich.

"Ja, sehr gerne. Ich suche eine Susanna Winter. Sie hat früher hier gewohnt... Ist sie... Wo befindet sie sich zur Zeit?" fragte ich neugierig, ja es interessierte mich wirklich. Ich schien endlich etwas gefunden zu haben, was ich kannte, aber natürlich hatte sich selbst das verändert.

"Oh..." begann die Frau. Sie wirkte etwas verwirrt.
Meine Güte, konnte ich nicht aufhören irgendwelche anscheinend offensichtlichen Fragen zu stellen? Ich brachte mich dadurch wie es schien nur in unangenehme Situationen.
"Sie wohnt schon seit fünf Jahren nicht mehr hier... da sie tot ist."

"Sie ist was???" geschockt starrte ich die arme Frau an. Sie wirkte etwas unter Druck gesetzt, sie schien diese Reaktion wohl nicht erwartet zu haben.

Das durfte nicht wahr sein. Es war ein Albtraum. Was sollte ich ohne sie tun?? Ich würde für immer in meiner Zukunft hängenbleiben.
Hoffnungslos griff ich an mein Amulette, welches mir um den Hals hing.

Diese Erkenntnis trieb mir die Tränen in die Augen und ich unterdrückte ein Schniefen. Und das Frau Winter tot war? Ich wollte in Tränen ausbrechen und endlich aus diesem Albtraum erwachen.

Aber es war kein Traum.

Ohne Zweifel, wie auch immer ich es erklären sollte, kein Mensch würde mir glauben. Aber ich war in der Zeit gereist.

"Wo... wurde sie begraben?", fragte ich leise und sah zu Boden. Ein kleines, ungewolltes Schniefen entfloh meinem Mund.

" Ich dachte das würden sie am besten wissen, Dalira. Sie haben ihr schließlich einen eigenen Song gewidmet oder nicht?" erwiderte sie kleinlaut. "Es ist der Friedhof hier im Ort, gleich hinter dem Park."

Das sie mich schon wieder Dalira nannte war mir gerade egal.
Ich dankte ihr und wollte gehen, doch da hielt mich der Junge auf.
"Dalira soll nicht weinen. Mama, darf ich ihr meinen Pulli zeigen?" fragte er kindlich.

"Natürlich darfst du, wenn das für Sie in Ordnung ist."

Ich drehte mich um und beschloss, seine süße Bitte nicht auszuschlagen. Letztendlich war ich zwar wirklich nicht hergekommen um mir Pullis anzusehen, aber vielleicht konnte ich etwas über mein zukünftiges Leben erfahren, was ich wirklich mal tun sollte. Darum nickte ich.

Er rannte kurz in sein Zimmer und kam zurück mit einem schwarzen, kleinen Pulli.
Auf der Vorderseite war -man kennts- MEIN Gesicht abgebildet, auf der Rückseite stand schon wieder dieser Name. 'Dalira.'

Ich betrachtete den Pulli skeptisch und versuchte, mir daraus irgendwelche Schlüsse auf meine Gegenwart zu ziehen.

Ohne Zweifel; ich schien eine Berühmtheit zu sein, dies verrieten mir auch die ganzen auf mir liegenden Blicke, als ich hergerannt war. Und nun das. Dieser Junge hatte einen Pulli mit meinem Gesicht drauf. Ich weiß nicht ob das gruselig oder irgendwie süß und cool war? Naja, abgedreht war es auf jeden Fall.

Die Mutter schmunzelte vielsagend und der Junge zog sich kurzerhand den Pulli über sein weißes Auto-shirt.

Ich lächelte über die beiden, sie hatten etwas, das ich verloren hatte. Es machte mich irgendwie froh für die beiden, allerdings traf es mich auch tief und schmerzte.

"Dann vielen Dank euch beiden.. " sagte ich entschuldigend. "Ich muss noch weiter. Aber der Pulli ist toll, Kleiner!"

Er strahlte von ganzem Herzen und entlockte mir ein weiteres Lächeln. Ich mochte die beiden, ich mochte sie wirklich. Sie schienen mich auf irgendeine Art zu bewundern und wollten mich scheinbar gleichzeitig nicht traurig sehen.

Mein Lächeln wurde dankbarer und ich winkte den beiden. Die gutmütige Frau schloss die Tür hinter mir.

Erst als ich den Weg zum Friedhof antrat, kam wieder diese Trauer zurück. Die Erkenntnis, das etwas fehlte. Eine alte Freundin... Die fast schon wie eine zweite Mutter gewirkt hatte.

Sie war jetzt weg.

Ganz egal wie viel Geld ich besaß, wenn das meine Zukunft war, dann wollte ich sie nicht.

on stage. [A time travel story]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt