Kapitel 11 - Emotionslos

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Jorge

„Tini?“ Keine Antwort. „TINI!“ „Was ist?“ fragte Marcus beunruhigt. „Tini ist irgendetwas passiert.“ Antwortete ich und rief noch mal an. Keiner ging ran. „Scheiße, was soll ich jetzt tun? Sie geht nicht mehr an ihr Handy ran und es schein irgendwas passiert zu sein.“ „Du kannst nichts anderes machen als abwarten.“ „Ja, toll. Ich sitze hier, während Tini vielleicht in Gefahr ist.“ Marcus zuckte mit den Schultern. „Vielleicht ist alles ganz harmlos. Es kann sein, dass einfach ihr Akku leer ist.“ „Und der Schrei?“ „Jemand anderes?“ Eigentlich wollte er mich nur beruhigen, aber die ganze Zeit saß ich ungeduldig da und war furchtbar nervös.

Bis die nervige Stille von einem schrillen Klingeln unterbrochen wurde. Ich nahm ab und am Ende der Leitung meldete sich eine weibliche Stimme. „Tini?“ fragte ich, aber die Stimme verneinte. „Nein, hier ist Liza Torres, wir wollten ihnen nur mitteilen, dass ihre Freundin Martina Stoessel in die Clinica del Sol eingeliefert wurde. Sie hatte einen schlimmen Unfall und sie waren anscheinend der letzte, mit dem sie telefoniert hat.“ „Tin…Martina liegt im Krankenhaus? Wie…wie geht es ihr?“ „Sie wird gerade operiert. Wir wollten ihnen nur Bescheid sagen.“ „Danke. Ich komme so schnell, ich kann!“ meinte ich und legte auf.

„Wie meinst du das, du kommst so schnell du kannst?“ fragte Marcus. Während ich das wichtigste zusammenpackte in eine Reisetasche, erzählte ich ihm, was geschehen ist. „Und was hast du jetzt vor?“ „Blöde Frage. Ich fliege natürlich nach Buenos Aires.“

Eilig rannte ich zum nächsten Taxi, als ich am Flughafen in Buenos Aires ankam und schmiss meine Tasche auf den Rücksitz. „Zur Clinica del Sol!“ rief ich und setzte mich auf den Beifahrersitz. Der Taxifahrer fuhr los – und das in einem Schneckentempo. Ungeduldig rutschte ich auf meinem Sitz herum. „Können sie nicht etwas schneller fahren?“ tatsächlich gab er etwas mehr Gas und ich konnte mich immerhin ein kleines bisschen beruhigen.

Als wir beim Krankenhaus ankamen, drückte ich ihm einen Geldschein in die Hand, rief „Passt so!“ und lief mit der Tasche über der Schulter in die Klinik. „Wo ist sie?“ fragte ich die Krankenschwester aufgeregt. „Welcher Name?“ fragte sie langsam. Ich seufzte. „Martina Stoessel.“ „Zimmer 315.“ „Wie geht es ihr?“ „Sind sie mit ihr verwandt?“ Ich schüttelte den Kopf. „Ich bin ihr Freund.“ Erklärte ich. „Sie ist aus der Narkose noch nicht aufgewacht. Sie hatte ziemlich schwere Verletzungen, es war ein Wunder, dass sie die OP überlebt hat. Jetzt können wir nur abwarten, bis sie aufwacht.“

Schnell ging ich zum Zimmer 315 und öffnete die Tür ohne Anzuklopfen. Brachte ja eh nichts. Leise schloss ich die Tür hinter mir und setzte mich zu Tini ans Bett. Ich nahm ihre Hand in meine und drückte sie leicht. Sie sah schlimm aus. Einen Verband am Kopf und einen Gips am Bein. Dazu allerhand Schürfwunden und blaue Flecken. Behutsam strich ich mit meiner Hand über ihr Gesicht. Dabei zuckten ihre Augenlider und sie wachte auf. „Tini! Oh mein Gott, ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht!“ rief ich und umarmte sie, so gut es ging. „Jorge?“ Ich nickte. „Was machst du hier?“ Sie sah sich um. „Wo bin ich?“ Ich senkte den Blick. „An was kannst du dich als letztes Erinnern?“ fragte ich sie und sie überlegte. „Ich war beim Arzt. Dann habe ich dich doch angerufen, nicht? Aber danach weiß ich nichts mehr.“ „Du hattest einen Autounfall. Du bist jetzt im Krankenhaus. Wie fühlst du dich?“ „Mein Kopf pocht und mein Bein tut extrem weh.“

In dem Moment kam der Doktor ins Zimmer. „Ach, sie sind schon wach. Gut. Wie fühlen sie sich?“ Ich grinste, als Tini ihre Worte wiederholte. „Es tut mir leid, ihnen das mitzuteilen, aber ihr Kind ist bei dem Eingriff leider gestorben.“ Ich war geschockt und sah zu Tini. Sie hatte Tränen in den Augen. Sie drehte sich leicht weg, aber auch so sah ich, dass sie mit den Tränen kämpfte und schließlich verlor. Der Doktor verließ das Zimmer und Tini begann zu schluchzen. So gut es ging, tröstete ich sie und nach nur zehn Minuten hatte sie sich wieder gefangen.

„Ich hatte nicht mal einen Namen! Und jetzt ist er tot“ schniefte sie. „Tini, sei froh, dass du lebst! Die Ärzte meinten, du bist nur knapp durchgekommen durch die OP. Ihr Blick wurde ausdruckslos, aber sie nickte. „Wir können nichts an der jetzigen Situation ändern. Wir können nicht mal jemanden beschuldigen, abgesehen von dem Fahrer, der aber Fahrerflucht begangen hat.“ Sie wurde sichtlich wütend. „Sag, dass das nicht wahr ist!“ Ich nickte betrübt. „Doch, ich habe es vorhin im Radio gehört.“ Tini schloss die Augen und schüttelte leicht den Kopf. Ganz so, als ob sie sich an etwas erinnern möchte. „Es war ein schwarzes Auto… ein Cabrio. Ich glaube, es war ein Audi. Und er hatte eine Buenos Aires-Nummer.“ „Tini, das musst du unbedingt der Polizei erzählen. Vielleicht hilfst du ihnen dabei und sie können den Fahrer fassen.“

Jorge

Nachdem die Polizei Tini befragt hatte – und Tini wirklich helfen konnte – sagte Tini nichts mehr. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, aber ihr dauerhaftes Schweigen, irritierte mich. Als ich sie dann fragte, was mit ihr los sei, da begann sie endlich zu reden. „Findest du nicht auch, dass das zwischen uns nicht mehr so ist wie früher?“ fragte sie und ich musste ihr zustimmen. Aber worauf wollte sie hinaus?

„Sehe uns an, wie wir uns verändert haben. Wir sind zusammen und dennoch getrennt. Es gibt Missverständnisse und Streits, die es davor nie gab. Wir waren so glücklich und unsere Beziehung war einfach perfekt. Aber vielleicht waren wir nur für die kurze Zeit bestimmt. Und das mit dem Kind sehe ich als Zeichen.“ „Was willst du damit sagen?“ „Dass wir uns trennen sollten. Mit uns würde das eh nicht mehr lange gut gehen und ich finde, wir sollten uns im Guten trennen.“

Eigentlich wollte ich ihr widersprechen, wollte sie anflehen, dass wir es noch einmal versuchen könnte, aber ich verstand sie und sie hatte Recht. „Dann habe ich heute zwei Menschen verloren, die ich liebe.“ Stellte ich fest, aber sie schüttelte den Kopf. „Nein, mich hast du schon lange verloren.“ Widersprach sie und mal wieder musste ich ihr Recht geben. Das war mir bereits klar, als sie sich mit mir versöhnt hatte, obwohl sie sich davor von mir getrennt hatte. Ich hatte es richtig verbockt. Ich allein war schuld an all dem hier. „Okay, dann ist ja alles geklärt. Mach’s gut.“ Sagte ich noch zum Abschied, bevor ich aus dem Zimmer ging. Dabei ignorierte ich die Tränen, die sich in meinen Augen anstauten.

Tini

Sobald Jorge weg war, spürte ich, wie mir Tränen in die Augen schossen. Und ich konnte sie nicht aufhalten. Ich liebte ihn schließlich immer noch, aber irgendwer musste dem endlich mal ein Ende setzten. Denn ich war schon lange nicht mehr wirklich glücklich gewesen und das ging Jorge ähnlich, das konnte ich ihm ansehen.

Zwei Tage später wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen und ich konnte endlich nach Hause. Dort war – wie erwartet – einiges anders, als ich es verlassen hatte. Jorge hatte seinen ganzen Sachen mitgenommen, wodurch alles so leer wirkte. Wie mein Herz im Moment. Da bemerkte ich einen Zettel, der auf dem Bett lag. Er war – natürlich – von Jorge.

Tini – ich hoffe ich, ich darf dich weiterhin so nennen -

ich überlasse dir die Wohnung, da ich darin sowieso so wenig drinnen gewohnt habe. Ich hoffe, wir können trotz allem, was passiert ist, normal miteinander umgehen. Es tut mir leid, dass das zwischen uns so enden musste, aber vielleicht ist es wirklich besser so. Du wirst immer etwas Besonderes für mich sein und ich hoffe, das weißt du. Vielleicht könnten wir eines Tages alles vergessen und sogar Freunde sein, weil ich es schade fände, dich für immer zu verlieren.

Ruf mich einfach an, wenn du willst.

Jorge

Just Another Jortini Story - Life goes on ✅Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt