Chapter 21

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Gezwungen ruhig erhob ich mich und holte mein Handy aus der Tasche meiner Jacke, wartete, bis es hochgefahren war und wählte die Nummer meiner Mutter. Ich wartete, doch sie nahm nicht ab. Das selbe wiederholte ich mit den Nummern meines Vaters und meines Bruders, doch auch die beiden gingen nicht ans Telefon. 

Ich wurde etwas unruhig, was würde mit mir geschehen, falls ihnen etwas zugestoßen war? In ein Waisenhaus würde ich nicht gehen und nichts und niemand würde mich dazu bringen können, bei ''Tante'' Kate einzuziehen. Mein Kopf schwirrte voller Gedanken und mir wurde etwas schwindelig, ich brauchte Ablenkung. 

Hastig schnappte ich mir meine Kopfhörer, stöpselte sie in mein Handy und durchsuchte es nach Musik, die mich hundertprozentig ablenken würde. Als ich etwas gefunden hatte, drehte ich die Lautstärke hoch und ignorierte gepflegt die Warnung, dass sie gefährlich für meine Trommelfelle werden könnte. 

Nachdem ich die Kopfhörer aufgesetzt hatte drückte ich auf den play-button und zuckte zusammen, wobei ich meinen Kopf gegen die Wand knallte. Jetzt taten sowohl mein Kopf, als auch meine Ohren durch die Musik weh. Doch sobald ich mich daran gewöhnt hatte, dass mein ganzer Kopf durch die der Klänge vibrierte, entspannte sich mein Körper und ich schloss die Augen. 

Einige Titel später bemerkte ich, wie ich unterbewusst angefangen hatte, mitzusingen und mir eine Träne das Gesicht runtergeronnen war. Die Musik nahm mich auf, wie eine alte Freundin, hörte mir zu, verstand mich und meine Emotionen. Sie gab ihnen ein Zuhause, half mir, sie herauszulassen. 

Sie gab mir das Gefühl, wieder ein kleines Mädchen zu sein, das sorglos zum Takt über die blühenden Sommerwiesen tanzte und hüpfte, immer wieder den Gleichgewichtssinn verlieren und dennoch nicht aufgebend, frei wie ein Schmetterling und lebensfroh.Aufgeben. 

Das hatte ich schon vor, wie es sich anfühlte, langer Zeit getan. Ich war es satt zu kämpfen, konnte nicht mehr, war vollkommen ausgelaugt und müde. Gewollt hatte ich es nie, es war einfach geschehen. Eines Tages war etwas in mir zerbrochen, das zu lange gekämpft hatte, von dem ich nicht einmal bemerkt hatte, wie erschöpft es gewesen war. 

Und mit ihm war auch meine Hoffnung und die bis dahin erlangte Lebensfreude gestorben und inzwischen war es beinahe aussichtslos, dass ihre Bruchstücke je wieder zu einander finden würden und zusammengeflickt werden könnten. 

Die Tür bewegte sich ein Stück weit, was bewirkte, dass ich aufhörte zu singen. Ein Blick auf meinen Wecker zeigte, dass es erst vier Uhr morgens war. Etwas verwirrt zog ich die Augenbraue hoch, wer würde denn freiwillig so früh wach sein? Diese Frage klärte sich gleich darauf, als sich ein verstrubbelter, hellblonder Haarschopf durch den Spalt zwischen Tür und Wand schob, dem der Körper meiner besten Freundin folgte. 

Erleichtert dass sie es war, schaltete ich die Musik aus und legte Handy und Kopfhörer beiseite und lächelte sie zaghaft an, den möglichen Tod meiner Adoptiv-Familie verdrängend. 

''Guten Morgen, Sweetie. Hatte ich doch recht mit meiner Annahme, dass du schon wach bist.'', begrüßte sie mich mit leicht gerunzelter Stirn, das im Gegensatz zu ihrem breiten Grinsen stand.Ungläubig schaute ich sie an, sie war noch nie wirklich die Person, die früh morgens schon gut gelaunt war, was einer der Gründe dafür war, dass ich sie so gut leiden konnte, denn auch ich war so kurz nach dem Aufstehen noch unleidlicher als sonst. ''Naja, wach ist ja immer relativ. Und ja, du hattest recht,'', ich unterbrach mich kurz und applaudierte für sie, ''ich bin früh aufgewacht und konnte nicht mehr einschlafen, was hätte ich sonst auch machen sollen?'' 

Ihre Stirn glättete sich und sie fing an zu strahlen. ''Schon gut, kein Grund so gut gelaunt zu sein.'', schmunzelte sie. ''Ich hatte nur das Knallen aus deinem Zimmer gehört und da ich angenommen hatte, das du wach seist, wollte ich dich etwas fragen..'' 

Nun musste ich doch grinsen und konnte nicht mehr an mich halten: ''So so, du warst also schon wach? Was haben Fyona und du denn heute schon so gemacht? Morgengymnastik, Yoga oder vielleicht etwas anderes? Ach, warum wirst du denn jetzt auf einmal rot, ich habe doch noch gar nicht angefangen?'' 

Sie war tatsächlich leicht errötet und schlug sanft mit ihrer linken Hand nach meinem Oberarm, den ich wegzog und daraufhin rasch aus ihrer Reichweite flüchtete. Sich mit Maya anzulegen, war noch nie eine gute Idee gewesen, auch wenn sie mich noch nie angegriffen hatte, weder physisch noch mündlich, worüber ich sehr froh war. 

Plötzlich wich die spielerische Wut in ihrem Gesicht einer seligen, verträumten Ruhe. ''Falls du dich fragst, nein, wir hatten in den letzten zwei Stunden keinen Sex, davor... naja, ich erspare dir die Details. Aber Fyonas kleine Geschwister sind zu uns gekommen und du kennst ja kleine Kinder; sie sind so anstrengend, dass du einfach nicht mehr zum Schlafen kommst.'' 

''Sie hat Geschwister?'', wunderte ich mich, ich hatte im ganzen Haus noch keine Kinder gesehen. Das lag aber vermutlich daran, dass ich einfach zu selbstbezogen war, ich hatte so viel um den Ohren, dass ich überhaupt nicht mehr auf mein Umfeld achtete. Vermutlich sollte ich wieder anfangen, etwas mehr aufzupassen, was um mich herum passierte. 

''Ja, zwei 6 Jahre alte Zwillinge, Jake und Sofia. Die beiden sind einfach Zucker, so lieb und clever! Du wirst sie mögen, sie erinnern mich irgendwie an uns beide, als wir noch kleiner waren, weißt du?'', schwärmte sie, sichtlich ergriffen. Trocken antwortete ich: ''Nein, weißt du, es ist ja auch schon so lange her. Außerdem, irgendwie bist du nicht so viel erwachsener geworden.'' 

''Was? Das ist doch..!'', sie stoppte und murmelte dann etwas in sich herein. ''Naja, vielleicht, aber das ist nicht der Grund, warum ich hergekommen bin. Ich wollte dich fragen, ob du mit uns vielleicht einen kleinen Ausflug machen willst?'', ihr Gesicht trug einen bittenden Ausdruck und sie haspelte weiter: ''Du warst in den letzten Tagen immer so unglücklich und ich weiß, dass es dir nicht gut ging, also dachte ich, vielleicht würde dir ein wenig Ablenkung-''

''Maya, Cutie, alles gut. Einmal tief einatmen.", unterbrach ich sie, etwas belustigt. ''Ich würde gerne mit euch kommen, du hast recht, etwas Ablenkung dürfte mir im Moment nicht schaden. Wer ist denn eigentlich 'uns'? Also, mit wem wollen wir dahin? Und wo ist dahin?''

Die Frage hing schwebend im Raum, als Maya sich nervös auf die Lippe biss und nachdachte, wie viel sie mir erzählen konnte.



Mate? Let's see... (Slow Updates)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt