Will redete einfach weiter, er hatte wohl mein Zusammenzucken wirklich nicht bemerkt: "Nachdem ich also das von ihr gehört hatte, bin ich ohnmächtig geworden, es war einfach zu viel Information auf einmal, ich konnte es nicht verstehen, ein Teil von mir weigerte sich auch schlichtweg, es überhaupt zu versuchen. War ich denn nicht vorher glücklich gewesen, ohne etwas über meine Herkunft zu wissen? Ich war versucht wieder nach Hause zu gehen, zu den Eltern, bei denen ich aufgewachsen war.
Aber dann wurde mir klar, dass ich nicht einfach wieder zurückgehen konnte, ich wusste zu viel, als dass ich mein altes Leben wieder aufnehmen konnte. Ich irrte also tagelang durch den Wald, bis ich mehrere Tagesmärsche von hier, das Rudel fand, in dem ich jetzt bin. Sie haben mich zwar aufgenommen, aber ich weiß nicht, ob das besser ist, als alleine und unbeholfen, aber zumindest frei im Wald zu leben.
Weißt du, ich konnte zwar kaum für mich sorgen, habe von Blättern, Wurzeln und Beeren gelebt, aber das war auch die einzige Zeit in meinem Leben, in der ich mich wirklich frei gefühlt habe. Mein ganzes Leben lang wurde von mir erwartet, der perfekte Sohn, Freund, Schüler zu sein, immer war jemand da, der zumindest passiv über mich bestimmt hat. In der Zeit, konnte ich selber bestimmen, was ich mache und wie ich es mache.
Aber als ich dann in das Rudel aufgenommen wurde, war ich eigentlich sogar vom Stand her unter dem Omega-Tier. Denn das war ja immerhin ein 'ganzer Werwolf'", seine Stimme würde hart und verbittert, so hatte ich ihn noch nie gehört, "und er konnte sich ja auch verwandeln, er hatte alles, was zu einem Werwolf dazu gehört, ich hingegen wusste fast mein ganzes Leben lang nicht einmal, dass es Werwölfe gab.
Der Anfang war das schlimmste, ich musste lernen, zu akzeptieren, dass ich nie wie sie sein werde, dass sogar die neugeborenen Welpen über mich bestimmen dürfen, weil sie mehr wert sind, als ein Werwolf, der sich noch nie verwandelt hat, eigentlich nur ein verbittert er Krüppel, der aus Mitleid ins Rudel aufgenommen wurde, da man weiß, dass die achso tolle Mondgöttin sonst erzürnt wäre. Aber ich frage mich, was an ihr soll den so wunderbar sein? Hätte sie dann zugelassen, dass ein Welpe von seinem Rudel geraubt und von Menschen aufgezogen wird, dabei misshandelt? Wenn sie so weise und vorhersehend wäre, hätte sie dann nicht wissen müssen, dass ich immer noch Wolfswurz zu mir nehmen muss, da mein Körper davon abhängig geworden ist und ein kalter Entzug mich umbringen würde?
Ich weiß es nicht und vermutlich werde ich es auch nie wissen. Ich weiß ja nicht einmal, wer ich bin oder ob meine richtige Familie irgendwo da draußen noch lebt. Nicht einmal, ob ich eine richtige Familie habe! Vielleicht würde ich auch gar nicht geraubt, vielleicht war ich ungewollt und wurde weggegeben, verkauft, für Experimente, die man an mir ausprobieren konnte, oder um ein Exempel zu statuieren? Was habe ich denn getan, dass ich so gestraft werden muss?!" Er wurde immer lauter, bis er Letzteres nur noch hilflos herausschrie, verzweifelt nach einer Antwort suchend.
Doch ich konnte ihm auch keine geben, das Leben war einfach grausam, dafür gab es keine Erklärung und sowohl er, als auch ich, mussten das am eigenen Leibe erfahren, nicht nur er war durch eine erschütternde Zeit gegangen und nicht nur er hatte bleibende Schäden, äußerlich und innerlich davongetragen. Als ich in seine warmen, mit Tränen gefüllten Augen blickte, konnte ich sehen, wie sehr er litt und doch wusste ich nicht, was ich dagegen tun sollte. Eine Träne schlich sich langsam aus seinem Augenwinkel und mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen.
Ich dachte kurz daran, was ich im Halbschlaf nach meiner Ohnmacht gehört hatte, verdrängte es aber schnell wieder und suchte nach einer Lösung der jetzigen Situation. Selber wollte ich zwar immer alleine gelassen werden, wenn ich mal wieder eine solche Phase hatte, aber ich überwand mich und gab Will das, was er jetzt vermutlich brauchte. Obwohl ich mir nicht sicher war, ob ich das richtig tat, machte ich einen Schritt nach vorne und legte vorsichtig, meine Arme um ihn.
Er zuckte kurz zurück, ich hätte mir selber eine Kopfnuss geben können, warum hatte ich nicht daran gedacht, dass er noch die Verletzungen vom Kampf mit Alan hatte, aber dann schmiegte er sich bedächtig an mich und ich merkte, wie er tief aufatmete. Seine leise fallenden Tränen durchnässten mein Oberteil, aber in dem Moment war mir das unwichtig. Das erste Mal seit vielen Jahren, spürte ich eine Art von innerem Frieden, die sich in mir breitmachte. Ich wusste nicht, wie lange das anhalten würde, doch eines war mir klar geworden:
Wenn ich gehen sollte, würde ich einen winzigen Teil von mir hierlassen. Ich beschloss, obwohl ich vorher der Meinung war, es wäre besser, alles aus meinem früheren Leben bei der Flucht hinter mir zu lassen, trotzdem jemandem hier zu sagen, wie man mich erreichen könnte. Jemandem, der mir nach recht kurzer Zeit schon ans Herz gewachsen war, etwas, was ich nie wollte, hoffentlich nie wieder zulassen würde, aber was sich trotzdem, nach langer Zeit, wieder befreiend anfühlte.
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Mate? Let's see... (Slow Updates)
Lupi mannariEin temperamentvolles Mädchen, welches schon vor Jahren durch ein tragisches Ereignis gelernt hat, ihre Gefühle zu unterdrücken und zu verstecken. Und jetzt kommt so mir nichts dir nichts so ein Werwolf dahergelaufen und will sie für sich erobern? M...