Kapitel 6: Spiegel

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Tokios Sicht:
Das Rauschen des Wassers füllte meine Ohren als ich hinaus trat. Der Mond war in der Dunkelheit deutlich zu erkennen und lies das Wasser glitzern. Langsam lief ich zur Brüstung, blieb aber auf dem halben Weg stehen und sah, wie er dort stand und sich an das Geländer klammerte, als würde es sein Leben bedeuten. Er dachte warscheinlich er könnte seine Gefühle verstecken, uns denken lassen, er sei glücklich. Aber da hatte er sich getäuscht. Denn ich kannte dieses Gefühl und ich wusste, dass es nicht nur die Trauer um unsere verstorbenen Kammeraden war, die ihn quälte. Dieses Gefühl wenn man in einer ewigen Leere  versinkt, weil man einen Menschen verloren hat, der einem mehr bedeutet als man selbst. Man versucht verzweifelt, diesen Menschen wieder in seiner Nähe zu spüren und ihn zurück zu bringen. Das alles kannte ich zu gut und ich wollte nicht, dass er genauso leiden musste wie ich, damals, als ich die Liebe meines Lebens tötete und achtsam auf der Straße liegen ließ. Die Verzweiflung die in den nächsten Tagen auf die Trauer und Wut folgte und dann schlussendlich von der vollkommenen Taubheit abgelöst wurde, stürzte mich in ein schwarzes Loch und er, der Professor, war derjenige der mich davon befreite und mir half wieder so etwas wie Freundlichkeit und Liebe zu empfinden. Nun würde ich ihm helfen, meinem Schutzengel. Langsam lief ich auf ihn zu, sah wie er verzweifelt die Fäuste auf die Metallstange schlug. „Professor?" fragte ich und trat neben ihn. Er heftete seinen Blick auf das dunkle Wasser und einen Moment dachte ich, er habe mich nicht gehört, doch da flackerte etwas in seinen Augen auf und er schaute nun noch angestrengter auf das Meer. „Ist alles okay mit ihnen?" setzte ich meine Fragerei fort. Dabei war diese Frage total überflüssig. Ich sah das ihn irgendetwas fertig machte, ihn Schuldgefühle plagten. Er war damit nicht allein, denn ich fühlte mich in diesem Moment genauso. Er war mein verdammter Spiegel.
Die Worte von Helsinki kamen mir wieder in den Sinn.

„Er wollte verhindern das ich den Tunnel sprenge in dem Berlin sich noch befand. Er war völlig fertig, fast als würden sie sich schon vorher gekannt haben."

Ob das stimmte? Kannte er Berlin? Ich konnte es nur herausfinden. „Es ist wegen Berlin oder?" ich bemühte mich meine Stimme so sanft wie möglich klingen zu lassen. Der verwirrte Mann mit dem perfekten Anzug nickte leicht. Doch das war nicht alles, als ich ihn forschend ansah, sah ich einen weiteren Ausdruck als Trauer in seinem Augen. Ich konnte es nicht definieren. Liebe? Verzweiflung? Das konnte doch nicht sein oder ? Er war nicht fähig zu sprechen, sein Atem ging schwer und ruckartig. Ich konnte seine Qual sehen und spüren, aber ich fragte weiter, ich musste ihm zum Reden bekommen, er musste sich jemandem anvertrauen damit er nicht so endete wie ich. „Sie kannten ihn schon vorher habe ich recht ?". Einen Moment schien es so als würde er meine Frage einfach abblocken und deshalb legte ich ihm meine Hand auf die Schulter, als Zeichen dafür, dass ich ihm helfen wollte. Er zuckte zurück und ich beobachtete ihn dabei, wie sich seine dunklen Augen hinter den Brillengläsern bewegten. „Er war mein Bruder" krächzte er und da ergab für mich plötzlich alles einen Sinn, warum er ihm das Kommando gab, Helsinkis Vermutungen, sogar warum Berlin unser Lied "Bella Ciao" besser beherrschte als wir alle zusammen. „Ich, ich wusste nicht...es tut mir leid" antwortete Ich voller Trauer, nicht in der Lage einen vollen Satz zu bilden. Doch da war noch etwas anderes, eine Welle von Schuld rollte über mich hinweg und ich gab mir selbstverständlich die Schuld an seinem Tod. Endlich sah er mich an und erkannte sofort, dass ich mich schuldig fühlte. Wie machte er das bloß? „Es ist nicht deine Schuld und auch nicht die der anderen" versuchte er mich zu beruhigen. Seine Augen wurden glasig. Natürlich, er gab sich die Schuld dafür. Dieser Mann, machte sich über jeden und alles Sorgen, er ist total selbstlos und kümmert sich immer nur um andere. Diese Eigenschaften waren mir so vertraut, René, meine große Liebe, war genauso. Nur das er ein Räuber war und nicht der Chef dahinter.
„Sie können auch nichts dafür es war seine eigene Entscheidung!" entgegnete ich und hoffte, dass er die Härte in meiner Stimme nicht bemerkte. Plötzlich löste er seinen Blick entgültig von dem undefinierbaren Punkt in der Ferne und sah mir in die Augen. Die Mauer die er mühsam um sich herum gebaut hatte, krachte in sich zusammen und ich erkannte, dass der Mann der vor mir stand, gebrochen war. Auch meine Fassade begann zu bröckeln. Die Gefühle die er empfand erinnerten mich zu sehr an mich selbst. Tag für Tag versteckte ich mich hinter der thoughen Tokio, doch wenn ich allein war, verschwand diese Maske und ich war wider die acht Jährige Silene welche Angst hatte, dass ihre Mutter nicht mehr nach Hause kommt und sie allein zurücklässt. „Professor!" rief ich und packte ihn mit beiden Händen fest an den Schultern. Unfähig sich zu wehren schaute er mich weiter an, warscheinlich beobachtete er mich genauso aufmerksam wie ich ihn. Ich sah wie alle Dämme in ihm brachen als er unruhig seinen Kopf zum Wasser drehte und dann wieder zurück zu mir:„Tokio, ich ...ich weiß nicht, ich habe ihn in den Tod geschickt, ich habe zugelassen das er stirbt und ich habe sie verletzt..." er stockte und seine wilden Augen zeigten, das er sich selbst stoppen wollte, er konnte anscheinend nicht weiterreden oder wollte es nicht. Ich wusste es. „Wen haben sie verletzt?" fragte ich ihn, blickte ihn tröstlich an und versuchte ihm damit zu zeigen, dass er mit mir reden konnte, so wie ich mit ihm gesprochen habe, vor vier Wochen in dieser verdammten Finka.

Flashback:
Das Klopfen meiner Zimmertür riss mich aus meinem wenigen Erinnerungen. Seit heute Nachmittag habe ich mich hier eingeschlossen, nicht einmal Rio habe ich hineingelassen.
„Tokio, der Nachmittagsunterricht beginnt in 2 Minuten, was treibst du hier?" tönte die Stimme des Professors durch die Tür. Ich lief langsam und betäubt zu Tür und öffnete sie. Leider hatte ich vergessen, dass ich vor ein paar Minuten versucht hatte, den Heulkrampf der mich unerwartet schüttelte, in meinem Kopfkissen zu ersticken. Die Spuren waren in meinem Gesicht sichtbar und natürlich erkannte er, in welcher Stimmung ich mich befand. Seine Augen trafen mich und sein Ärger verschwand. „Du musst nicht kommen wenn du nicht willst" antwortete er sanft. Diese Worte klangen so ungewohnt aus seinem Mund, doch ich wusste das mehr dahinter steckte. Vielleicht hat er selbst mal einen wichtigen Menschen verloren? dachte ich und sah ihm genau an. „Wir können auch darüber reden wenn du magst" versuchte er mir entgegenkommen und ich nickte.
Flashback Ende

Es war der Tag gewesen an dem meine Mutter starb und ich mit Rio einen Ausflug zur Banknotendruckerei machte. Wir führten ein kurzes Gespräch, jedoch half es mir sehr, alles zu verarbeiten. Das selbe wollte ich nun auch für ihn tun. Ich wiederholte meine Frage, versuchte die Puzzleteile zusammenzusetzen. Der Professor rang mit sich, es sah so aus als seie er unschlüssig. Als schätzte er ab ob er mir vertrauen könnte. Doch ich kannte die Antwort auf meine Frage schon und plötzlich konnte ich das undefinierbare Gefühl in seinen Augen lesen. Es war tatsächlich Liebe, eher Trennungsschmerz. Ich löste meine Hände von seinen Schultern und verschränkte sie vor der Brust, denn der kühle Nachtwind ließ mich frösteln. Starr wie eine Säule stand er noch immer da, mit offenem Jacket und einem verzweifeltem Gesichtsausdruck. Er öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Ein neues Bild. So kannte ich ihn nicht.

 So kannte ich ihn nicht

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La Vida es un juego - Haus des GeldesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt