Raquels Sicht:
Wie in einem Film zogen die nächsten Minuten an mir vorüber. Mit aller Mühe versuchte ich meine Aufmerksamkeit auf Ángel zu lenken doch es gelang mir nicht. Immer wieder durchströmten mich Erinnerungen und Bildfetzen der vorletzten Woche und ich konnte nichts dagegen tun. Konnte sie nicht aufhalten. Mit nervösem Blick bewegte ich mich unruhig auf der Stelle und versuchte Ángels Worte in mich aufzunehmen und mir sie so genau wie möglich zu merken. Jedoch rutschten sie, sobald er sie ausgesprochen hatte, sofort wieder aus meinen Kurzzeitgedächtnis und ich stand nun mit leeren Händen vor ihm. Unfähig, seinen Plan auch nur grob auszuführen. Ich wusste nicht was mit mir los war. Alle Bemühungen der letzten Woche, mich wieder auf den scheinbar richtigen Weg zu lenken, waren dahin.
„Raquel?!"
Ángel rüttelte mich an der Schulter und seine braunen Augen flogen hektisch durch den Raum, „Hast du mir überhaupt zugehört?!" Aufgebracht schnellten seine Arme in die Luft und wie ein kleines, verschüchtertes Mädchen senkte ich meinen Kopf. Ich sank in mir zusammen wie ein Häufchen Elend. Die Wochen, in denen ich die starke und eisige Frau gespielt hatte, hatten mich endgültig zum Fallen gebracht.
Ich konnte spüren, dass mein Geist, wie heißes Metall, in meinen Händen zerschmolz und als wertvolles Glas auf dem feuchten Boden zersprang. Die Scherben, welche ich mühsam wieder zusammensetzen wollte, schnitten tief in mein Fleisch und ließen mich verbluten.Würde ich es jemals aus diesem verdammten Loch schaffen? Ich habe immer gekämpft. Ich habe nie aufgegeben. Warum ging das jetzt nicht? Warum schaffte ich es nicht, Ángel mit gehobenem Haupt anzusehen und zu sagen, dass die letzten Wochen für mich eine Qual waren und ich nicht aufhören kann mich selbst zu zerstören? Dass ich seinem Plan verstanden habe und ihn befolgen werde?
Ganz einfach, weil die Zeit während diesem beschissenen Überfalls, mir meine letzten Kräfte genommen hat. Ich dachte wirklich, ich wäre stark genug, um allein wieder zu mir selbst zu finden, doch in Wirklichkeit hat er, Sergio mich wieder aufgebaut und mir meine Kraft für kurze Zeit zurückgegeben. Und als er ging, nahm er sie mit sich und stahl mir mein Herz. Ich konnte nicht glauben, dass eine Woche dazu geführt hatte, das ich mich gegen das System gestellt und mein ganzes Leben über den Haufen geworfen habe. Nur für ihn. In jedem Moment in dem ich dachte ich hätte es geschafft über ihn hinwegzukommen holte er mich ein, quälte mich mit Träumen und erinnerte mich daran, in welch erbärmlicher Lage ich mich gerade befand.
„Àngel, es wird Zeit. Was treibt du denn so lange?" Die rote Metalltür knarzte und Sanchés Schritte schallten durch den dunklen Gang. So leise er konnte, flüsterte mir mein bester Freund verärgert zu, dass ich mich nicht vom Fleck rühren sollte und ging mit einem, „Entschuldige ich dachte ich hätte noch was wichtiges gefunden", zügig auf seinen Kollegen zu. Gedämpft nahm ich war, dass Àngel diesen, mit gespielt ruhiger Stimme, dazu brachte, das Gebäude zu verlassen. Das Echo ihrer Worte klangen in der nassen Halle nach.
Àngels Sicht:
Unauffällig ließ ich mein Handy aus der Hosentasche gleiten und legte es auf einen der Metalltische, als Sanchés erneut stehen blieb und mich immer noch ungläubig anschaute. „Und du verheimlichst mir nichts ?" Mistrauen lag in seinem Blick und ich zog, mit gespieltem Entsetzten, die Stirn in Falten. „Natürlich nicht, wie kommst du darauf?", antwortete ich unterdrückte das Zittern in meiner Stimme. Ich musste damit aufhören Raquel zu decken. Sie brachte mich damit immer in Gefahr und doch akzeptierte ich es immer wieder, da sie das Wichtigste in meinem Leben war. Nur leider erkannte sie das noch immer nicht. „Ich kann mir vorstellen, dass du Murillo in irgendeiner Weise deckst", beantwortete der braunhaarige Mann meine Frage und ich schnaubte verächtlich während ich mich wieder in Bewegung setzte. „Ich habe das einmal getan und das hat mir enorme Schwierigkeiten gebracht, denkst du ich bin so dumm und tue es wieder?" Natürlich konnte ich diese Frage mit einem klaren "Ja" beantworten, doch das behielt ich für mich. „Nein." Sanchés schüttelte bei seiner Antwort leicht seinen Kopf und folgte mir durch die Tür. Leise ließ ich die Luft entweichen, die ich unbewusst angehalten hatte und hielt die Hand gegen die blendende Mittagssonne. Als ich in den Polizeiwagen stieg, fragte ich mich noch immer, was Raquel um Gottesnamen in der Zentrale des "Professors" zu suchen hatte du ob sie etwas wusste, was für die Ermittlungen wichtig war. Warum hatte dermaßen leichtsinnig gehandelt?So wie ich sie kannte, wollte sie sich nur selbst verletzten, um herauszufinden ob sie stark genug war, diese Last zu ertragen. Doch in diesem Fall hatte sie sich zum erstem Mal selbst überschätzt. Ich habe es nur schwer ertragen sie so zusehen. Völlig aufgelöst und zerstört. Doch das schlimmste war, dass mein Inneres wusste wer Schuld daran war.
Raquels Sicht:
Ich wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, als mich das Klingeln eines Telefons aus meinem Selbstmittleid gleiten ließ. Ich saß zusammengekauert an der Wand und starrte in das dunkle Nichts. Doch das Klingeln durchdrang mich und wie automatisch stand ich auf. Meine Ohren leiteten mich zu Àngels vibrierendem Handy. Die Frage, wie es hier her gelangt war, wanderte durch meinen Kopf und ich blickte auf das Display. Eine unbekannte Nummer. Mit zitternden Händen und fragendem Blick nahm ich das Telefon in die Hand und wägte ab ob ich hingehen sollte oder nicht. Doch als mir klar wurde, dass Àngel sein Handy niemals irgendwo "liegen" ließ und dies wahrscheinlich geplant war, ging ich hin. „Raquel?", meldete er sich mit sorgenvoller Stimme zu Wort. „Ángel, von wo rufst du an?", antwortete ich, da dies das erste Sinnvolle war, was mir in den Sinn kam. Ich konnte hören, wie er ungläubig die Luft ausstieß. „Mich wundert es das du noch da bist, komm in fünf Minuten raus, dann warte ich auf dich. Wir müssen reden", erwiderte er, ohne auf meine Frage einzugehen. Ich antwortete mit einem kläglichen: „Okay", und er beendete das Gespräch. Mein Blick fiel auf die angezeigte Uhrzeit auf dem Display und ich fuhr mir nervös durch die blonden Haare. In einer viertel Stunde musste ich Paula von der Schule abholen.Wie ein Tier, lief ich auf und ab, wischte mir die feuchten Tränen von den Wangen und wartete, dass die Minuten endlich vergingen. Stein für Stein baute ich mich wieder auf, atmete tief durch und lief zur Tür. Als die fünfte Minute endlich um war, öffnete ich sie langsam und trat hinaus. Ich erblickte meinen besten Freund und erleichtert füllte ich meine Lungen mit frischer Luft, während ich mit gerader Haltung auf ihn zu lief. „Danke", sagte ich und steckte ihm sein Handy entgegen, welches er mit verwirrtem Blick entgegennahm, mich danach sorgenvoll musterte und versuchte Blickkontakt mit mir aufzubauen, was ihm nicht gelang. In einer schnellen Bewegung ergriff er meinen Ellbogen und zog mich die Straße entlang, um so schnell wie möglich aus der Gefahrenzone zu verschwinden, bevor erneut Polizisten auftauchten. „Ich kann nicht glauben, dass du so leichtsinnig warst!", durchbrach er die Stille und versuchte die Wut in seiner Stimme zu unterdrücken. Ich blieb stehen und er atmete laut aus, bevor auch er ein paar Meter neben mir zum stehen kam, als ihm bewusst wurde, dass er mich an meinem Arm nicht weiter ziehen konnte. „Ángel, wenn ich es nicht gewesen wäre...", doch weiter kam ich nicht, denn er zog mich wieder näher zu ihm heran, bevor ich ihm meinen Arm entreißen konnte. „Ich verstehe dich nicht Raquel, ich habe wieder für dich gelogen und das einzige was du zu mir sagst ist, Danke? Du weißt, ich würde alles für dich tun, aber denkst du nicht, du schuldest mir eine Erklärung?" Damit hatte er Recht. Natürlich. Ich schaute ihn zum ersten Mal an diesem Tag in die Augen. In ihnen war deutlich die Wut zu erkennen, sie funkelten wie Wassertropfen im Licht. Doch bevor ich etwas antworten konnte, kam er mir zuvor: „Ich schlage dir folgendes vor, du erzählst mir was los ist und ich verpfeife dich nicht." Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen und auch ich schmunzelte und willigte ein. Das wird ein langer Nachmittag. Doch vielleicht hilft es mir. Vielleicht schaffe ich es so, über das alles hinweg zu kommen.
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La Vida es un juego - Haus des Geldes
Fanfiction»Sein Blick wurde weich als er mich sah, Tränen schimmerten in seinen braun-goldenen Augen. Ich konnte nicht anders als zu ihm zu laufen und ihn in meine Arme zu schließen, ihn zu küssen« Was passiert wenn dein Leben plötzlich aus allen Angeln gehob...