Kapitel 14: Erkenntnis

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Sergios Sicht:
"Sergio, du..., du bist doch nicht gegangen ohne dich von ihr zu verabschieden oder?"

Tatjanas Blick durchbohrte mich, als sie sie eilig von ihrem Platz neben mir auf der Couch erhob und sich vor mich stellte. Unruhig rutschte ich hin und her. Wird sie mir meine Entscheidungen nun vorhalten und mich damit noch mehr demütigen als ich es in dieser Situation schon war?
Ich wollte ihr nicht von meinen Problemen und Gefühlen erzählen. Doch sie hat mir keine Wahl gelassen. Nun wusste sie über alles Bescheid. Dabei war es eigentlich mein Ziel gewesen alles, bis zu dem Rest meines Lebens, für mich zu behalten. Ich hatte mich so lange an meiner Fassade festgehalten. Ich habe den Professor umklammert wie einen Rettungsring, weil ich nicht zulassen konnte, dass jemand herausfindet, wie zerbrochen und impulsiv ich in Wirklichkeit war. Doch jetzt war alles aufgeflogen, so viele Menschen wussten nun, wie ich mich fühlte. Ich habe mich verletzlich gemacht. Und obwohl ich wusste, dass ich es gebraucht habe, mit jemandem zu reden, hatte ich das Gefühl, es bereuen zu müssen.

"Sergio, warum hast du ihr nicht verraten wohin du gehst?", bohrte Tatjana weiter. Warum interessierte sie sich nur so sehr für Raquel? Verwirrt  bemerkte ich erst jetzt, dass sie mir eine weitere Frage gestellt hatte. "Sie weiß wo ich bin", antwortete ich und hoffte, dass das stimmte. "Du bist dir hoffentlich bewusst, dass ich deine Situation nachempfinden kann. Du kannst mit die Wahrheit sagen! ich hasse dich nicht. Das könnte ich gar nicht." Ihre sorgenvollen braunen Augen trafen die Meinen und sie legte mir sanft ihre beiden Hände auf meine Schultern. Ich wusste nicht ob ich ihr vertrauen konnte. Doch sie hat es verdient. Ich habe ihr den wichtigsten Menschen in ihrem Leben genommen. Also beschloss ich, weiterhin aufrichtig zu ihr zu sein. Denn Tatjana ist zu mir zurück gekommen um mehr zu erfahren. Sie hat mir vergeben! Und dass, obwohl ich es nicht verdient hatte. „Ich habe die Koordinaten meines Standortes auf Postkarten geschrieben die ich ihr geschenkt habe." Meine Stimme war brüchig und ich versuchte die Verzweiflung darin zu verbergen, indem ich den Kopf auf die Hände stützte. „Du hast was? Oh man Sergio, da kommt sie doch nie drauf! Sie wird mit deinem Verlust erst einmal zu kämpfen haben. Ich denke nicht, dass sie sich irgendetwas anschauen wird was sie an dich erinnert."

Schockiert schaute ich sie an und mir wurde bewusst, dass sie Recht hatte. Alle Hoffnung, die ich auf diese kleinen quadratischen Stücken Papier gesetzt hatte, schwand dahin und wurde, wie von einer Strömung des Meeres, hinfort getrieben.

Ich werde sie nie wieder sehen.

Die Erkenntnis traf mich und ich wurde mir dieser Worte zum ersten Mal bewusst.

„Ich werde sie nie wieder sehen", flüsterte ich und mir wurde klar, dass ich diese Worte unbewusst ausgesprochen hatte. Wie ein Mantra wiederholten sie sich in meinem Kopf und mir war zum Weinen zu mute. Das erste Mal in meinem Leben wollte ich weinen. Doch ich konnte nicht. Zu sehr Beschäftigte mich ihr Verlust. Ein Verlust, den ich schon viel früher erlitten hatte, als es mir klar wurde.  Erinnerungen blitzten vor meinem inneren Augen auf du plötzlich war ich wieder in dieser verdammten Finka. Spürte die eiskalten Fesseln an meinen Handgelenken. Ich war gefangen und während ich mich nicht bewegen konnte, sah ich, wie ihr Herz langsam brach und schallend zu Boden fiel. Die Enttäuschung und der Hass in ihren Augen haben mich innerlich zerrissen. In diesem Moment konnte ich die Panik und den Schmerz wieder spüren. Ich merkte wie er in mir hoch kroch und mir die Luft zum Atmen nahm. Er schnürte mich ein. Ich rang nach Luft und versuchte die Wortfetzen und Raquels vor Wut  verzehrtes Gesicht aus meinem Kopf zu vertreiben, doch es gelang mir nicht. Immer wieder stahlen sich ihre braunen Augen in mein Gedächtnis und durchbohrten mich. Ich versank in meiner eigenen schmerzhaften Vorstellung, ihre Lippen auf meinen zu spüren und ihr Lachen zu hören. Mir wurde bewusst, wie sehr ich sie vermisste. Alles in mir verzehrte sich nach ihr und der Gedanke, dass ich sie nie wieder sehen konnte, lies mich innerlich verbluten. Niemals hatte ich gedacht, dass ich so etwas fühlen konnte. Erbarmungslos traf mich der Schmerz und warf mich zu Boden. Er zerriss mich. Ich sank in mir zusammen wie ein Häufen Elend. Und endlich stiegen die Tränen in mir hinauf. Wie Sturzbäche rannen sie mir die heißen Wangen hinab und ich  gab mich ihnen hin, während ich weiterhin von Raquels wunderschönen Augen verfolgt wurde. Alles tat weh. Meine Brust verkrampfte sich, meine Arme schmerzten. Mein ganzer Körper zitterte und lies das Gefühl des erbarmungslosen Leidens über sich ergehen.
Ich nahm nicht wahr, dass Tatjana vollkommen mit der  Situation überfordert war. Das Einzige, was ich spürte, waren  ihre zierlichen Arme, die sich um mich gelegt hatten. Diese menschliche Nähe, war das was mir seit langem gefehlt hatte. Seit ich Raquel verloren hatte, war ich vollkommen am Ende. Werde ich jemals aufhören zu weinen und stattdessen glücklich sein?

 Werde ich jemals aufhören zu weinen und stattdessen glücklich sein?

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 14, 2020 ⏰

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