Geheimversteck

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"Hallo, Tim. Darf ich mich zu dir setzen?" fragte ich vorsichtig, als ich an seinem Tisch angekommen war. Leia und Milo hatten mich von dem Moment an, in dem ich so plötzlich aufgestanden war nur schräg angeschaut, und begannen jetzt einfach weiterzuessen, als hätte ich ihnen nicht gesagt, was ich vorhatte. Oh, ich HATTE es ihnen nicht gesagt. "Hm" machte Tim nur und zuckte die Schultern, ohne mich anzusehen. "Es tut mir leid, Tim..." versuchte ich mich zu entschuldigen. "Du konntest es ja nicht wissen." erwiderte er und versuchte mit seiner emotionslosen Stimme seine Trauer vor mir zu verbergen. Ich war vielleicht unsensibel, aber trotzdem hatte ich - wie alle Wandler - geschärfte Sinne, mit denen ich Gefühle anderer teilweise spüren konnte. Und ich kann sagen: Emotionslos war Tim in diesem Moment sicher nicht! "Wenn ich dir irgendwie helfen kann, dann lass es mich wissen, OK?" sagte ich so unsicher, wie ich es schon lange nicht mehr gewesen war. Und ich hoffte, dass ich ihm irgendwie helfen konnte. "Bring mich einfach auf andere Gedanken." antwortete Tim leise, fast flüsternd und richtete sich auf. "Darf ich mich zu euch setzen?" fragte er noch und richtete seinen Blick auf mich. Endlich! Endlich schaute er mich wieder an. Völlig gefangen in seinen orangefarbenen Augen, stand ich auf und ging ein paar Schritte rückwärts in irgendeine Richtung. "Ähm, du sitzt doch an diesem Tisch!" sagte Tim, während er sein Tablett nahm und mit seinem Kinn in die Richtung unseres Tisches wies. Ach du heilige Möwenkacke war das peinlich! Ich war genau in die entgegengesetzte Richtung gelaufen! Geistesabwesend stellte ich fest, dass ich das ja immer noch tat, und stoppte genau rechtzeitig, bevor ich mit meinem Po gegen den nächsten Tisch geprallt wäre. Peinlich berührt ging ich - nun selbstverständlich nicht rückwärts - zu unserem Tisch und spürte, wie ich von so ziemlich jedem in diesem Raum angestarrt wurde. "Was war das denn jetzt?" fragte Milo und schaute mich schräg grinsend an. Auch meine Zwillingsschwester und Tim, der sich gerade dazugesetzt hatte mussten lachen. Da konnte ich nicht anders, als trotz meiner Peinlichkeit laut loszulachen. Da meldete sich Tim zu Wort: "Ich muss euch unbedingt etwas zeigen. Habt ihr Zeit nach dem Essen?" Ich wollte schon ja sagen, doch dann fiel mir ein, dass Leia und Anya und unseren Eltern versprochen hatte sie heute Mittag anzurufen, um zu erzählen, wie es uns so ging. Darum machten wir aus, dass wir uns Alle nach dem Telefonat bei Tim trafen, nachdem wir Milo aufgegabelt hätten.

"Hallo Kaia, hallo Leia, wie geht es euch? Habt ihr euch gut eingefunden? Wie sind eure Lehrer so?" löcherten unsere Eltern, noch bevor wir sie überhaupt begrüßen konnten. "Langsam, langsam. Und erstmal Hallo!" bremste meine Schwester deren Neugierde. "Ja, hi Mom, Hi Dad. Erstens: Die Schule ist wirklich toll, zweitens: Manche von ihnen sind... wie soll ich sagen... naja, etwas merkwürdig. Und drittens: Was ist mit euch? Also, wo seid ihr, was macht ihr und wie geht's euch?" erwiderte ich so schnell wie möglich, damit sie auch mal merkten, wie es ist so gelöchert zu werden. "Ja, wir haben schon verstanden. Aber ihr solltet uns eigentlich ein Vorbild sein, wenn ihr etwas bestimmtes wollt." "Ach ja? Wer soll hier wen erziehen? Die Eltern die Kinder, oder umgekehrt? ". Dieser Kommentar kam von Leia, und was für ein Wunder, natürlich gab ich ihr recht. Auch unsere Eltern sahen das ein. Nach dem sie uns erzählt hatten, dass sie gerade in Brighton waren, auf der Suche nach ein paar Woodwalker-Straßenkindern, die dort angeblich lebten, und auch wir noch so einiges erzählt hatten, gaben meine Eltern das Telefon -das bei ihnen so wie bei uns die ganze Zeit auf Lautsprecher gestellt war - an unsere Mentorin Anya weiter: "Toll, das euch die neue Schule so gut gefällt. Und mit Milo versteht ihr euch auch ganz gut, oder? Von seiner Familie muss ich euch ja bestimmt nichts erzählen, oder? Danach könnt ihr ihn ja selber fragen. Wir kommen euch übrigens in der schule besuchen, sobald wir die Wandler gefunden haben. Könntet ihr euch vorstellen die nächsten Schüler einzuweisen, so wie ich es mit euch gemacht habe?" "Öhm, meinst du die Führung durch die Schule und so? Wir sind ja selbst noch nicht lange hier. Aber versuchen können wir es, oder Leia? erwiderte ich etwas unsicher."Klaro!" antwortete mir Leia, die im Gegensatz zu mir sofort begeistert über diese Verantwortung war. "Kaia, du machst das bestimmt gut, ihr seid besser geeignet als jeder Drittklässler an eurer Schule, das verspreche ich dir! Ich habe noch niemanden getroffen, der so fröhlich ist, wie ihr es seid unserer ersten Begegnung seit. Aber ihr müsst es natürlich nicht machen." beruhigte Anya mich. "Ich kann es ja mal versuchen." Damit endete das Gespräch nach einer halben Stunde, und wir legten auf.

Gespannt klopften wir mit unseren Schnäbeln an Milos und Tims Türe. Wir kommen,kam es kurz darauf aus der Hütte und Milo das Känguru kam heraus. Auch Tim, der direkt nach dem Känguru aus der Türe spazierte, hatte seine zweite Gestalt angenommen. Er sah auch in seiner Möwengestalt noch traurig aus, doch er gab sich einen Ruch, flog in die Luft und sagte: Folgt mir, ich denke, es wird euch Allen gefallen. Auch Leia und ich flogen nun wieder und Milo hüpfte uns eilig hinterher. Tim führte uns ungefähr einen halben Kilometer südlich von der Schule weg, bis wir auf eine hohe Felswand stießen. Ungefähr zwei Meter über uns erblickten wir eine kleine Einhöhlung und mehrere kleine Plateaus, die wie eine kleine Treppe knapp unter die Höhle führten. Wow! kam es aus meinem Kopf, genau gleichzeitig mit Leias Cool. Und Milo war schon dabei leichtfüßig die "Treppe" hinaufzuhüpfen. Ich habe euch nicht zu viel versprochen, oder? fragte uns Milo, aber wir Alle wussten, dass er keine Antwort darauf verlangte. Einen Augenblick lang saßen wir alle einfach nur schweigend da und hörten zu, wie der Wind mit den Blättern und Farnen die unvergleichliche Melodie des Waldes summte, dann sagte ich flüsternd zu Leia: Jetzt ist wirklich alles wie zuhause. Oder nein, es ist besser als zuhause, auch wenn das hier nicht Tinybay ist. Innerlich lächelnd sah ich meine Schwester an, dann Milo und Tim. Dann begann ich zu kreischen. Leia und Tim stimmten nach kurzer Zeit mit ein. Und sogar Milo versuchte sich an einem Möwenschrei. Naja, er war halt keine Möwe, weshalb es bei ihm eher so klang, wie ein alter Wasserkocher, der immer zu quietschen begann, sobald das Wasser kochte. Doch in diesem Moment war uns das egal, denn wir waren glücklich, und wir wollten einfach nur, das jedes Geschöpf in diesem Wald uns hören konnte, und etwas von unserem Glück abbekam. Egal ob Mensch, Wandler, Tier oder Pflanze.

Und, wie hat euch das neue Kapitel gefallen? Wow, schon das fünfte! Ich möchte nochmals erwähnen, dass ich mich über Kritik und Rechtschreibverbesserungen freue...

Windwalkers - Die Verwandlung der MöwenzwillingeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt