Gedankenströme

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"Leia, hoch mit dir!" versuchte ich am nächsten Morgen meine Schwester zu wecken. "Wir müssen uns schleunigst fertigmachen und dann in den Wald!" Langsam schob sich ein verstrubbelter braun-schwarzer Haarschopf unter der Decke hervor.
"Kaiaaa, lass mich noch schlafen!" murmelte Leia und ließ sich wieder ins Bett plumpsen. "Es ist doch Sonntag!"
"Wir sollen doch in den Wald kommen! Außerdem wirst du bestimmt noch einige andere Sonntage leben, und Ally ist auch schon auf!"
Nun kam Allys tiefe Frauenstimme aus dem Bad: "Genau, Leia! Mach schon!" stimmte sie mir zu, während sie den plätschernden Wasserhahn ausstellte.

Als wir dann um viertel nach Acht fertig waren, machten wir uns noch schnell ein paar Lachs-Sandwiches mit in der Cafeteria und schnappten uns ein paar Schokoriegel, die wir auf dem Weg in den Wald verschlangen.
Elaine und Tim waren schon da, ebenso wie unsere Lehrer und Ms White-Feather.
Mit einem "Hallo" begrüßte ernst. "Ja, er ist wohl nun wirklich schon so schnell gekommen, der Auftrag. Jetzt wäre es Zeit, zu sagen, wenn ihr euch noch nicht bereit fühlt. Das würde euch auch niemand übelnehmen, wenn ihr Angst habt, oder nicht mitmachen wollt." Die beiden Lehrer nickten zustimmend, während Leia, Ally und ich einfach nachdenklich die Köpfe wogen und Elaine die Direktorin mit einem Ja-schon-klar-aber-laber-jetzt-weiter-Blick gelangweilt ansah. Kurz dachte ich, die Direktorin wolle etwas darauf erwidern, doch anscheinend war dem nicht so und sie fuhr fort: "Ihr Spione werdet von den Kämpfern die wichtigsten Verteidigungstechniken lernen, die Kämpfer lernen von euch ein wenig Gedankenflüstern ihr werdet zusammen noch Schleich- und Anpirschtechniken lernen." Kurz sah sie uns auffordernd an, doch dann sah sie nochmals jedem von uns in die Augen. "Und denkt an die Pfeiler!" Kaum hatte sie das Wort Pfeiler ausgesprochen, wandte sie sich auch schon ab und joggte durch den Wald in Richtung Schule.
Manchmal war wohl jeder ein wenig undurchschaubar, dachte ich und ertappte mich dabei, wie ich Elaine in die Augen starrte. Selbst ich war mir selbst manchmal ein Rätsel bemerkte ich, während ich blitzschnell meinen Blick in Richtung Ally lenkte und so tat, als hätte ich schon die ganze Zeit nur sie angeschaut, als wäre es das normalste der Welt.
"Wir fangen an", ergriff diese auch schon das Wort, und sie fing an uns Spionen zu erklären, wie man mit der flachen Hand zwischen die Brüste schlagen musste, um kurzzeitig jemanden wirkungsvoll außer Gefecht setzte. Ich war überrascht von Allys Präzision beim Sprung, als sie plötzlich vorschoss um diesen Keuchstoß - wie Ally ihn nannte - an mir zu demonstrieren, natürlich ohne mich dabei zu verletzen. Nun erklärte Elaine uns, was an einem Handkantenschlag zu beachten war wobei ich auch sie - trotz meiner Abneigung gegenüber der Zicke - staunend betrachtete.
"Leia, willst du uns das Gedankenflüstern vormachen?" fragte Mr Evans vorsichtig, als die Kämpfer uns das wichtigste erklärt hatten.
"Äh, klar, aber meine Schwester ist besser darin..." antwortete meine Schwester halb verunsichert, halb sarkastisch und legte los.
Kaia, kannst du mich hören? versuchte Leia mir zuzuflüstern.
Äh, ja, aber ich denke, du solltest leiser reden... stell dir deine Gedanken als Strahlen vor, die du streuen, oder bündeln kannst, je mehr Personen deine Gedanken lesen sollen, desto weiter musst du sie streuen, und wenn du mit deinen Gedanken nur eine Person erreichen willst, bündle sie und denke ganz leise, okay? versuchte ich Leia mit Federn im Haar zu erklären, wie sie ihre Gedanken am besten kontrollieren könnte.
Alle anderen sahen mich erstaunt an, wie gut ich es erklärte und kurz darauf wimmelte es in meinem Kopf nur so von Gedankenflüstern. Kannst du mich jetzt hören? fragten vier Stimmen gleichzeitig leise in meinen Kopf. Sogar Elaines war dabei. Hörte ich da etwa einen Funken Bewunderung in ihrer Stimme? fragte ich mich und vergaß vor Erstaunen mal wieder leise zu denken. Nein! fauchte Elaine mich an und die anderen verstanden nur Bahnhof. Anscheinend hatte nur Elaine meine Gedanken verstanden. Peinlich berührt stand ich da, verwandelte meine Federn zurück in Haare und sagte: "Ach nichts... Ach und ja... Ich habe euch Alle gehört. Das war sehr gut" sagte ich mehr oder weniger zu Allen, aber vor Allem zu meiner Schwester.
"Toll erklärt, Kaia, das war wirklich gut. Ich muss nochmals sagen: Du bist wirklich ZU gut. Ich denke, du solltest meditieren, um zu lernen, deine Gedanken und Verwandlungen nicht so plötzlich ohne deinen Willen passieren zu lassen. Ich würde dir dabei helfen, wenn du deinen Freunden im Gegenzug beibringst, wie sie sich am Besten teilverwandeln können. Lust bekommen?" strömte es da plötzlich aus Mr Evans heraus, der mich immer noch erstaunt musterte. Lust bekommen? Ähm, ja, da war es also wieder. Meine ungewollten Gedankenströme. "Okay" antwortete ich ein kleines Bisschen verunsichert, obwohl ich eigentlich nicht wirklich "Lust bekommen" hatte, Lehrerin zu spielen, doch das Training konnte ich wirklich gebrauchen.

"Okay, jetzt versuchen wir es jetzt mit Gedanken-Flüsterpost." sagte ich eine Weile danach, schon viel selbstbewusster. Es sollte noch ein letztes Training sein, bevor Mr Evans uns zum "Tatort" fahren würde.
Bis jetzt, hatten wir Alle schnell sehr viel gelernt, ich hatte das Gefühl, dass das alles wichtig war, und wenn ich dieses Gefühl hatte, merkte ich mir auch sehr viele Dinge, obwohl ich sonst eher vergesslich war.
Wir waren bereit! Wir alle. Naja, ich jedenfalls. Das redete ich mir zumindest ein. Kurz kamen mir Zweifel, ob dem wirklich so war, doch als ich sah, wie entschlossen Tim, Ally und Leia waren, schaute ich mir das einfach ab und stolzierte neben ihnen zum schuleigenen Geländewagen.
"Ihr Alle seit wirklich sehr gut, ich hoffe ihr habt euch alles gemerkt, denn jetzt fahren wir los." sagte Mr Evans, der schon dabei war einige Utensilien in den Kofferraum des  Autos zu packen. Darunter waren Ferngläser, Fischernetze und ein paar Sandwiches, die der Lehrer mit einem "Ihr müsst ja auch was essen." als letzten in den Kofferraum packte.
Langsam wurden wir alle - förmlich spürbar - sehr hibbelig. Wir redeten nicht mehr sehr viel, und die von uns die auch vorher nicht gesprochen hatten - nun ja, eigentlich war es ja nur Elaine -, sahen ein wenig nachdenklich aus.

"Okay, ich erkläre euch jetzt am besten mal den Ablauf des Ganzen hier." unterbrach Mr Evans unser Schweigen, nachdem wir schon circa drei Minuten gefahren waren.
"Die Spione unter euch werden die Teamleiter sein, ihr Kämpfer werdet bitte auf sie hören, und wenn ihr erwischt werdet, dann kämpft, und gebt Leia Deckung. Sie wird ein Funkgerät von mir bekommen, ich werde in der Nähe sein, und das Gegenstück bei mir tragen, falls etwas passieren sollte, also bitte ruf mich dann, ja? Aber bitte nur im absoluten Notfall und wenn ihr euch wirklich nicht selber helfen könnt!"
Dass nicht Elaine in der Gruppe der "Teamleiter" war, störte sie anscheinend, doch außer einem kleinen Stöhnen, brachte sie dazu nicht heraus.
Stattdessen fragte sie unseren Lehrer: "Warum machen Sie das Ganze nicht einfach? Oder einer Ihrer Lehrerkollegen?"
Tja, ich gab es nicht wirklich gerne zu, doch ich musste leider sagen, dass das eine sehr gute Frage war.
"Nun,"
antwortete der Lehrer und hatte anscheinend keine so schnelle Antwort auf Lager, wie sonst "das ist eine lange Geschichte. Und wir sollten den Auftrag noch fertigbesprechen. Die Täter schlagen nämlich immer um die gleiche Uhrzeit zu. Und wir müssen - Entschuldigt. - Ihr müsst genau dann dort sein."
Wow, wer hatte denn an dieser Schule bitte noch alles Geheimnisse? Erst Tim, dann Ms Jenkins und jetzt noch einer der Lehrer! Oder bildete ich mir das Ganze nur ein und fantasierte ich mir da einfach irgendeinen Humbug zusammen? Na hoffentlich würde ich das bald herausfinden! Da niemand mehr nachfragte, widmete sich Mr Evans nun wieder dem eigentlichen Thema zu, nämlich unserem Fall.
Er erzählte, dass es angeblich drei Täter waren, die fast jeden Tag an den touristenbefüllten Stränden von Edinburgh ihr Unwesen mit Menschen trieben. Es waren zwei graue Greifvögel, deren genaue Art noch nicht herausgefunden worden war und ein weiblicher Steinadler, berichtete unser Lehrer uns. Keiner von uns fragte mehr etwas, wir hörten nun Alle aufmerksam zu, als er uns erklärte, was wir zu tun hatten: Als erstes sollten wir uns an einer unbemerkbaren Körperstelle teilverwandeln, damit wir uns per Gedankenflüstern unterhalten könnten, dann würden wir uns auf die Suche machen, mitten im Menschen-Gewimmel der Saison. Zwischendrin bläute er uns aber immer wieder ein, dass wir versuchen sollten, uns keinesfalls bei Wandlerdingen erwischen zu lassen, was uns natürlich auch schon in den Zusatzfächern erklärt worden war.

Letztendlich stiegen wir dann aufgeregt und mit viel zu vielen Information in unseren Köpfen endlich aus dem Auto aus.

Tja, hier ist endlich ein neues Kapitel!
Ja, es hat diesmal seeehr lange gedauert, aber dafür ist es auch ein wenig länger als die anderen. (Ja, nur ein bisschen, aber immerhin)
Aber das Ganze hat auch einen Grund: Ich bin gerade an ein paar anderen Geschichten dran, insgesamt drei, aber zwei davon werde ich auch hier veröffentlichen. Erstens eine Jurawalker-Geschichte (Dino-Wandler) und dann noch eine FF zur Welt von Alea Aquarius, von denen jeweils das erste Kapi so um Weihnachten rum erscheinen soll...

Windwalkers - Die Verwandlung der MöwenzwillingeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt