Besuch

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"Kaia, Leia, ein Telefongespräch für euch. Es ist Ms Wilde." rief Mr Evans uns nach einer Kampf-Stunde aus der Umkleide." Oh, Anya? Na, ich bin ja mal gespannt, was sie von uns will." sagte meine Schwester übertrieben fröhlich zu mir, wahrscheinlich da sie erleichtert war, dass sie eine 2 auf ihren ersten benoteten Kampf bekommen hatte. Ja, ich auch dachte ich mir leise und lief Leia aufgeregt hinterher. "Hallo ihr. Wie gehts euch?" fragte Anya uns angespannt. "Hi Anya, hast du nicht gesagt, ihr ruft erst morgen wieder an? Ist etwas passiert?" antwortete ich für uns Zwillinge. "Jain, ach, ich erkläre euch das lieber später, wenn wir uns sehen." Hatte ich das richtig verstanden? Sie würden schon heute kommen um uns zu besuchen? "Ihr kommt uns besuchen?" griff Leia genau das Thema auf, das mir gerade durch den Kopf gegangen war. Doch dann ertönte eine dumpfe Stimme über die Lautsprecher des Flughafens, die uns verstehen lies, dass ihr Flug nach Edinbourgh gleich ging. Nur noch ein kurzes "Tschüss" von Anya, dann legte sie auf. Das war wirklich merkwürdig. Selbst für jemanden, den ich noch nicht lange kannte. Leia brauchte nichts zu sagen, um mir zu zeigen, dass es ihr genauso ging. Ein Blick und ich wusste es. "Okaaayyy" grummelte ich und rief Mr Evans, der mir schnell das Telefon abnahm und sich abwandte um zu gehen.

"Und Anya ist wirklich eure Mentorin? Fast Alle Schüler haben sie schon das ein oder andere Mal an der Schule gesehen, aber dass sie so viel Zeit hat, dass sie noch Mentorin sein kann?" fragte Milo uns erstaunt, als ich mich nach dem Nachmittagsunterricht mit meiner Schwester, Milo und Tim auf den Weg ins Schwimmbad machten. Hm, darüber hatte ich mir noch nie so wirklich Gedanken gemacht. "Puh, gute Frage, ich könnte mir wirklich gut vorstellen, dass sie Multi-Tasking-fähig ist, oder sowas." behauptete ich nachdenklich. "Hm, von dem was wir bis jetzt so von ihr wissen, scheint es wirklich fast so..." meinte Leia leicht nickend, so als wollte sie sich selbst zustimmen. "Wie wäre es, wenn wir sie nachher selbst fragen, und jetzt endlich baden gehen?" brach ich das Thema ab und wir zogen unsere Kleidung aus, sodass wir nur noch unsere Badesachen anhatten, die wir uns nach dem Mittagessen schnell angezogen hatten. So schnell wie möglich sprinteten wir nun zum Beckenrand und sprangen mit einem Kopfsprung ins kühle Nass.

Als Anya dann am frühen Nachmittag mit Leias und meinen Eltern ankam, sah ich sofort, dass etwas nicht stimmte. "Hallo", begrüßte Leia sie vorsichtig. Was ist nur passiert, fragte ich mich mit einer Mischung aus Wiedersehensfreude und einem sehr ungutem Gefühl. Auch ich war sehr verunsichert und ich spürte, wie mir vor lauter Anspannung schon Krallen aus den Fingern wuchsen, und hinter meinen Schulterblättern langsam Ansätze von Flügeln mein T-Shirt ausbeulten. In diesem Moment kam Miss Jenkins in die Aula. Sie guckte mich einmal kurz prüfend an, dann drehte sie sich weg und ging. Wie peinlich! dachte ich mir, und natürlich hörte es mal wieder jeder Wandler der neben mir stand. Schnell reichte mir Leia ihre Hand, sah mir in die Augen und lächelte. Sofort wurde meine Anspannung weniger und meine Krallen und Ansätze von Flügeln verschwanden langsam. Puh! Ich könnte dringend mal Nachhilfe in Gedankensprache und Verwandlung unter Druck gebrauchen! dachte ich laut. "Hallo ihr" begrüßten uns unsere Eltern und Anya knapp. "Ich hoffe, es geht euch gut. Am besten komme ich gleich zu Punkt. " Anya redete schnell und man merkte auch an ihrer Stimme, dass sie sehr beunruhigt war. Ausnahmsweise erwiderte ich mal nichts und hörte einfach still zu. "Wir haben eine Dachswandlerin
gefunden. In Brighton. Sie kommt gleich rein mit Till." Okay, so schlecht war diese Nachricht doch nicht, oder? Verwirrt guckte ich zu großen Eingangstor. Ich sah die große Limo und Till, der einem mittelgroßen Mädchen gerade eine prall gefüllte Reisetasche aus dem Kofferraum überreichte. "Bitte zeigt ihr dann Alles, wir müssen schon bald wieder weiter. Wir wurden bestohlen! Jemand hat die gefälschten Papiere gestohlen! Die Papiere meiner illegalen Asylanten- und Straßenkinder-Wandler, die so niemals einen Ausweis bekommen hätten! Und wir können nicht einfach neue besorgen. Wenn man uns beobachtet, dann sind wir dran!" Ach du heilige Scheiße! dachte ich, diesmal aber nicht mit Absicht laut. Anya und meine Eltern nickten nur betreten. Leia guckte mich traurig an. "Es wird wohl das sicherste sein, wenn wir uns nicht mehr sehen, bis wir den Täter haben. Diese Schule darf auf keinen Fall entdeckt werden!" Als mein Vater das sagte, schaute ich ihn entgeistert an. Irgendwie machte ich mir Sorgen um sie, aber andererseits waren wir hier auf einer tollen Schule, mit tollen Lehrern und mit Freunden. Ich nahm mir sofort fest vor, Anya und unsere Eltern von hier aus zu unterstützen, ich wusste zwar nicht wie, aber ich nahm es mir fest vor. "Wir sind Möwen Mom, wir kommen schon klar", sagte Leia zu meiner Mutter, die uns anschaute, als würden wir uns 3 Jahre lang nicht sehen. Und so lange würde es bestimmt auch nicht dauern.

Obwohl wir nun Alle ein wenig bedrückt waren, ließen wir es uns nicht nehmen, den Erwachsenen von unseren Fortschritte zu erzählen und ihnen auch manches zu zeigen. Zum Beispiel unsere Teilverwandlungen. Ich verwandelte mich immer sehr schnell und hatte Talent, wie Leia immer zu mir sagte, denn sie brauchte immer ein bisschen länger als die meisten anderen aus unserer Klasse. Ich dafür verwandelte mich gefühlt bei jeder noch so kleinen Stimmungsschwankung und konnte es auch nicht zurückhalten, wie man manchmal sehr gut merken konnte. Darum baten mich meine Eltern auch, dass ich mir jemanden suchte, der mir beibringen konnte, mein Verwandlungskünste in Zaum zu halten. Ja, das war wahrscheinlich gar keine so schlechte Idee. Nach kurzer Zeit kam Till mit unserer neuen Mitschülerin zurück. Anscheinend hatte er mit ihr noch ihr Gepäck in ihr neues Zimmer gebracht. Till stellte uns einander vor und erklärte Ally, dass Leia und ich das Mädchen in der Schule herumführen würden. Wie unterhielten uns noch eine Weile mit dem langhaarigen Mädchen, dessen zweite Gestalt ein Dachs war. Als die Erwachsenen merkten, dass wir uns sehr gut mit ihr verstanden, machten sie es kurz und schmerzlos. Jeder bekam eine Umarmung und ein kurzes "Tschüss, bis hoffentlich bald", dann fuhren sie weg.

Eine Weile später zeigten wir Ally die ganze Schule, so wie es Anya mit uns gemacht hatte. Doch so fröhlich wie damals konnten wir leider nicht sein. Ally, die wie man unschwer an ihren schwarzen Haaren mit den weißen Strähnen erkennen konnte eine Dachswandlerin war, hatte uns viel zu erzählen, was uns von unserem Abschied ablenkte. Sie war in Brighton als Dachsweibchen allein auf der Straße aufgewachsen, da ihre Eltern von einem Auto überfahren wurden. Von da an musste sie sich alleine in der Stadt herumschlagen und hat irgendwann herausgefunden, dass sie sich verwandeln konnte. Und gestern hatten meine Eltern sie dann aus dem verlassenen Keller einer Ruine geborgen und schnellstmöglich hergebracht. "So haben sie mich gefunden. Und ich denke, ich bin sehr froh darüber. Womöglich wäre ich sonst in einem Waisenhaus gelandet" beendete Ally ihre Erzählung mit einem erleichtertem Blick.
Nun war auch unsere kleine Führung vorbei und wir beschlossen Milo und Tim in ihrer Hütte zu besuchen. "Milo, Tim!" rief Leia, während ich energisch gegen ihre Türe klopfte. "Wir müssen euch jemanden vorstellen." Als Milo nach einer Weile seinen strubbeligen Haarschopf aus der Türe schob und uns hineinließ, stellten wir ihnen schnell unsere neue Dachsfreundin vor und erzählten ihm die Geschichte mit dem Diebstahl. "Ach du springendes Känguru! Und ihr wollt, das wir zusammen recherchieren, wer dahintersteckt?" fragten Milo und Tim uns mit großen Augen. "Ja", antworteten Leia und ich wie aus einem Mund. "Und Ally ist auch mit dabei. Schließlich sind Dachse doch sehr schlau, oder?"

Windwalkers - Die Verwandlung der MöwenzwillingeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt