ᴛʀᴇs

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PoV. Minho

Ich möchte die Schultoilette nicht verlassen, weil ich Angst davor habe, was als nächstes auf mich zukommt. Eigentlich muss ich keine Angst haben, da mich jetzt eh jede Person als ein emotionsloses, verständnisloses und kaltblütiges Arschloch sieht. Ich habe ihnen keine Angst zu zeigen, da die anderen jetzt denken werden, dass mir Gefühle anderer egal sind. Das stimmt auch, also habe ich sowieso nichts zu verlieren. Bleib stark, Minho!

Noch einmal hole ich ganz tief Luft, bevor ich die Schultoilette verlasse, um mich auf dem Weg zu meinem Klassenraum zu machen. Ich habe allerdings ein Problem: Ich muss noch meine Schulsachen für das jetzige Fach holen und ich weiß gar nicht mal, welches Fach ich die ersten beiden Stunden habe. Aus diesem Grund mache ich mich auf dem Weg zum Schließfach, denn an meiner Tür klebt immerhin mein persönlicher Stundenplan, den auch jeder aus meiner Klassen bekommen hat.

Ich bin nicht einmal in der Nähe meines Schließfachs und schon begegne ich zwei Leute aus meiner Klasse, die meine alten Schulfreunde in der Grundschule gewesen sind. Jeongin und Seungmin. Ich wollte zu ihnen gehen, um sie zu begrüßen, doch ist das wirklich keine gute Idee, wenn mich die beiden mit abwertenden Blicken anschauen? Egal. Ich habe nichts zu verlieren. Ich frage die beiden einfach, was für ein Schulfach wir jetzt haben und dann lasse ich die beiden in Ruhe.

„Hey." gebe ich leise von mir, als ich mich vor ihnen gestellt habe. Die beiden scheinen nicht mit mir reden zu wollen, was man an ihren Gesichtsausdrücken ablesen kann. Ach komm schon. Jetzt haben schon meine früheren Schulfreunde keine Lust mehr auf mich. „Was ist?" will Seungmin wissen, der sich an sein Schließfach lehnt, weil ich weiß, dass genau an der Stelle, an die er sich lehnt, das Schließfach ist, in dem er seine Sachen verstaut. Seungmin klingt absolut nicht begeistert, doch ich ignoriere es einfach.
„Wisst ihr, was für ein Schulfach wir jetzt haben? Ich muss meine Schulsachen noch aus dem Schließfach holen." frage ich und begründe mein Stören ziemlich schnell.

„Psychologie." antwortet Jeongin schnell, wobei ich feststelle, dass er es mir ziemlich monoton mitgeteilt hat. Was ist eigentlich euer Problem? Wieso übertreiben alle so sehr? Ich dachte schon, dass unser Verhältnis jetzt schon komisch war, doch dann muss Seungmin wirklich etwas sehr Unnötiges loswerden: „Das Fach, in dem du am besten aufpassen solltest. Man lernt dort viel über Mentalität anderer Menschen und wie man richtig mit Menschen umgeht, falls du dich fragst, worum es in dem Fach geht." Während Jeongin zustimmend nickte, verspürte ich einen immer größeren Hass gegenüber Seungmin, denn dieser Spruch ist absolut nicht in Ordnung gewesen. Am liebsten hätte ich ihn butterweich geschlagen, doch mir fehlt die Kraft. Außerdem muss ich mich zusammenreißen. Ich möchte nicht, dass man mich neben ,Herzensbrecher' auch als ‚Schlägertyp' kennt. Trotzdem weiß ich jetzt, dass mein Ruf in der Schule in Gefahr ist. Aber wirklich. Ganz und gar nicht übertrieben, denn jetzt fangen an, mich alle zu hassen. Ich spüre diesen Hass und ich nehme ebenso wahr, die dieser Hass gegenüber mir immer weiter wächst.

Ich eile zum Schließfach, weil der Unterricht gleich beginnt. Der Tag hat nicht einmal richtig angefangen und schon jetzt habe ich einfach keine Lust mehr. Ich bin schon fast bei meinem Schließfach und ich habe ernsthaft gedacht, dass das alles ein Ende hat, doch als ich Jisung gesehen habe, der sich vor mein Schließfach hingestellt hat, ist mir bewusst geworden, was ich wirklich getan habe? Jisung hat zumindest ein Motiv dafür, es weitererzählt zu haben. Immerhin ist er die Person, die ich am meisten ausgenutzt habe. Ich nähere mich meinem Schließfach und dabei auch Jisung, der erstmal nicht gemerkt hat, dass ich immer näher an diesem unschuldigen Jungen gewesen bin. Allerdings dreht er sich schlagartig zu mir, weil er gewusst hat, dass jemand auf ihn zugeht.

Als er mich gesehen hat, hat er sich immer mehr von seiner traurigen Seite gezeigt. Er stampft immer weiter bedrückend zu mir, bis er nun jetzt vor mir steht. Hat er geweint? Seine Augen sind sehr glasig und rötlicher als sonst aus.
„Jisung..." nuschle ich vor mich hin und ich habe das Bedürfnis, ihm die Tränen wegzuwischen. Er sagt einfach nichts. Er will nichts sagen. Oder kann er es nicht, weil seine Tränen kurz davor gewesen sind, auszubrechen? Ist er kurz davor, zusammenzubrechen? Was soll ich tun.
„Du-.." ist aus ihm herausgekommen, während ich weiterhin vor ihm stehe. Mit mir und Jisung ist alles gut gewesen, doch jetzt habe ich mehr das Gefühl, dass ich auch ihn verlieren werde. Den einzigen Menschen, den ich wirklich wertgeschätzt habe. Was rede ich da eigentlich? Mir sind die anderen Seelen egal. Mich interessieren die anderen nicht. Hauptsache ich kann befriedigt werden.

„Ich?" von mir, als wäre nie etwas gewesen. Ich will erstmal wissen, was Jisung zu sagen hat, doch jetzt denke ich, dass es dazu nicht mehr kommt, weil Jisung vor mir einen emotionalen Zusammenbruch bekommt. Wieso ausgerechnet jetzt!
„Jisung.. was ist?" frage ich sofort, als würde ich Interesse zeigen. Habe ich schon jemals Interesse gezeigt? Ja. Ist das jemals geschätzt worden? Vielleicht. Denken die Leute, dass ich Interesse zeige? Nein. Alles Arschlöcher und ich bin mir sicher, dass Jisung genauso wird. Er ist der einzige Mensch, dem ich alles gegeben habe, egal was vorgefallen ist. Er denkt wahrscheinlich, dass es meine Absicht ist. Wir werden sehen.

„Wie konnte ich dir vertrauen?" fragt der sensible Junge schluchzend, während ich ihn nur dabei anschaue.
„Du glaubst das also, was hier rum erzählt wird oder hast du diese Nachrichten selber verbreitet. Sei bitte ehrlich!" will ich wissen und verschränke meine Arme langsam vor meinem Bauch. Wenn er diese Sache weitererzählt hat, dann verdient er echt einen Tritt in den Bauch, weil es zwischen uns beiden einfach perfekt gelaufen ist.

„Hyunjin hat mir erzählt, dass du was mit ihm gehabt hast. Ihr hattet Sex. Du hattest mit so vielen davor Sex. Die Gefühle der anderen haben dich nie interessiert..." jammert er schluchzend und dabei stelle ich fest, dass er es wirklich auf dem Punkt gebracht hat. Ja, ich bin eine Bitch, die sich an jeden ranmacht, nur damit ich meinen Sex bekomme. Sex macht sogar viel süchtiger als Energie.
„Es musste es tun. Es tut mir Leid, auch wenn jede sämtliche Entschuldung nichts bringen wird.. aber lass es mich erklären. Zumindest." bitte ich ihm darum, denn irgendwie ist es mir wichtig, dass er zumindest hinter mir steht. Jisung ist ein wirklich toller Mensch und ich möchte nicht, dass er mich hasst, obwohl mir andere Menschen egal sind. Ich verstehe mich selber nicht so ganz.

„Nein!" von Jisung. Das ist jetzt sehr plötzlich gewonnen.
„Ich will mit dir nichts mehr zu tun haben. Du bist ein Arschloch, was sich nur für Sex interessiert. Du weißt gar nicht, wie kaputt du mich damit gemacht hast! Ich habe dich wirklich gerne gehabt und dann ziehst du so etwas ab?" setzt er fort und langsam hört er auf, mir in die Augen zu schauen, als hätte ich keine Chance mehr bei ihm. Ich habe endgültig verkackt.

„Aber Jisung.. es ist nicht so wie du denkst. Bitte lass es mi-.." Ich versuche die ganze Zeit, ein richtiges Gespräch zu finden, wobei ich merke, dass es nichts bringt, mit Jisung zu reden. Es ist grade wirklich schwer, mit ihm auf der selben Wellenlänge zu sein.
Ich beobachte, wie er seine Hände zu Fäuste bildet und er scheint, seine restlichen Tränen, die aus seinen Augenwinkeln runterkommen wollen, zu unterdrücken.

„NEIN! LASS MICH IN RUHE! MEAN HOE." schreit er durch den Schulflur und als er diesen Namen losgeworden ist, sind alle Leute, die im selben Flur wie wir sind, auf uns aufmerksam geworden.
„Warte.. wie hast du mich genannt?" frage ich, weil ich das Gefühl habe, dass er meinen Namen sehr englisch ausgesprochen hat. Nun öffnet Jisung seinen Mund und er buchstabiert es noch einmal für mich, damit mir im Klaren ist, wie er mich paar Sekunden davor genannt hat. Mean Hoe? Ist das jetzt mein neuer Spitzname, den jetzt jeder benutzen wird, wenn man über mich redet?

Ich möchte diesen Tag aus meinem Leben löschen. Zum ersten Mal in meinem ganzen Leben habe ich das Verlangen dazu, heulend vor einem Menschen zusammenzubrechen, aber nein. Niemand soll mich weinen sehen, denn niemand darf meine wirkliche Schwäche kennenlernen. Ich will nicht mehr.

ᴡʜᴏ's ɴᴇxᴛ? ᵐⁱⁿˢᵘⁿᵍ ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt