9: Gute alte Zeiten

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Hätte ich mich mit meinen Gedanken nicht selbst deprimiert, könnte ich behaupten, der kleine Spaziergang war recht angenehm.

Tatsächlich hatte Taco mir den Gefallen getan und war schön brav bei mir geblieben.

Sogar als ich ihn im Park - voller Angst und Sorge er würde einfach wieder abhauen, wohlgemerkt - freigelassen hatte, war er bloß ein wenig herumgerannt, hatte an fremden Hundehintern geschnüffelt und war wieder zurückgekommen, als ich ihn gerufen hatte.

Das verbuchte ich einfach mal als riesigen Erfolg!

Ich sah das sogar als so einen enormen Erfolg an, dass sich die trüben Gedanken meiner womöglichen Nicht- Aufnahme an der U.A. nicht noch einmal in meinen Kopf schlichen.

Ziemlich zufrieden kam ich also wieder zu Hause an und warf schwungvoll die Tür hinter mir zu.

"Bin wieder dahaaa! Und Taco auch."

Mayumi kam, in einer rosa Schürze gekleidet und mit einem Pfannenwender bewaffnet, ins Wohnzimmer und grinste mich breit an.

"Na da scheint ja jemand gute Laune zu haben."

Ich zuckte bloß die Schultern und befreite den Hund von der Leine. Als wäre er gerade einen Marathon gelaufen, ließ er sich ausgelaugt vor die Couch fallen und schloss dann müde die Augen.

"Kann sein. Ich fühle mich auch gut.", meinte ich bloß recht teilnahmslos und ließ mich dann auch auf die Couch fallen.

"Aber ich würde mich mit Essen im Magen natürlich besser fühlen...", grinste ich und erhielt einen beinahe schon tadelnden Blick von meiner Schwester.

"Man müsste meinen, nachdem du so boshaft mein Sandwich verschlungen hast, wärst du satt.", warf sie mir trocken vor und ich streckte ihr bloß die Zunge raus.

"Pass ja auf, dass ich dir deine freche Zunge nicht abhacke!", fauchte sie und machte eine eindeutige Bewegung mit dem Wender, was mich dazu veranlasste, meine Zunge schnell wieder in meinem Mund verschwinden zu lassen.

Meine Schwester mochte vielleicht ein Engel sein, aber diese Furie hatte es faustdick hinter den Ohren. Auch früher schon hatte sie ihr Essen nicht gerne geteilt. Das ich ihr heute das Sandwich geklaut hatte, war für sie wohl so etwas wie Hochverrat.

Immer noch etwas müde von gestern, legte ich meine Beine auf dem Couchtisch ab und legte meinen Kopf auf die Sofalehne, während ich die Augen schloss und Mayumi zuhörte, wie sie irgendein Lied aus dem Radio mitsummte.

Ich hatte das wirklich vermisst. Klar, Tante Hanako war toll und so... aber meine Schwester für mir endlos vorkommende drei Jahre nicht zu sehen, war hart. Sie hatte sich so sehr verändert und doch wieder nicht. Ich hatte nichts davon mitbekommen.

Sie hatte zwar behauptet, dass sie meine Beweggründe nachvollziehen konnte, aber um ehrlich zu sein hatte ich sie selbst nicht verstanden. Ich hatte mich verhalten wie ein trotziges Kind, das nicht einsehen wollte, das die eigenen Eltern nicht mehr bei ihm waren. Ich hatte einfach alles ignorieren wollen. Alles abtun wollen.

Zu fliehen war manchmal einfacher, als sich der Wahrheit zu stellen. Das meine Eltern tot waren und nicht mehr wiederkommen würden. Das hatte ich allerdings erst nach drei Jahren geschnallt. Nachdem bereits alles zu spät war.

Mayumi verhielt sich zwar wie immer und unser Umgang schien äußerlich betrachtet nicht unter der langen Trennung gelitten zu haben, doch da war etwas Unausgesprochenes. Wie eine Schlucht, die sich zwischen uns befand und uns daran hinderte, uns den wahren Tatsachen zu stellen. Das wir nur noch uns hatten. Das wir jetzt allein auf dieser Welt waren.

Why so aggressive?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt