Kapitel 16

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Das Knacken des Feuers, das sie vor etwa einer halben Stunde angezündet hatten, vermischte sich mit dem leisen Zirpen der Grillen und den anderen Geräuschen der Nacht. Es hatte nicht lange gedauert bist die Sonne völlig untergegangen war und die Umgebung in Dunkelheit getaucht hatte. Sobald er zurückgekehrt war, hatte James sich daran gemacht das Feuer aufzubauen und anzuzünden. Sie hatte ihm angeboten ihm dabei zu helfen es zu entfachen, nachdem sie ihm einige Minuten skeptisch zugesehen hatte, doch er hatte abgelehnt und stattdessen alleine weiter gemacht, bis eine beträchtliche Flamme aufloderte und sich das Holz langsam einverleibte.

So wurde die Lichtung von nichts anderem mehr, als dem flackernden Feuer erhellt und warf Schatten auf Yennefers Gesicht. Nach einigen Sekunden wandte sie ihren Blick von der Lichtquelle ab und sah auf dem Augenwinkel lieber zu Grace herüber. Anfangs hatte das Mädchen James dabei geholfen das Lagerfeuer aufzubauen und der Monsterjäger hatte sie davon nicht abgehalten, doch nach einiger Zeit hatte sie sich daneben gelegt und ihr mussten die Augen zugefallen sein. Zumindest erweckte das Bild, das sich ihr in diesem Moment bot, dieses Gefühl.

Das Mädchen hatte sich auf dem Boden zusammen gerollt, Yennefers Mantel noch immer um ihren Körper geschlungen. Die Augen hatte sie fest geschlossen, doch auf ihrem Gesicht hatte sich ein seelenruhiger Ausdruck ausgebreitet. Ihre roten Haare lagen wild um ihren Kopf herum verteilt. In diesem Augenblick wirkte sie einfach, wie ein normales Kind und gar nicht, wie die zukünftige Prinzessin von Dorn, die ihre Heimat verlassen musste, in der Hoffnung so einem nahenden Krieg zu entkommen und für einen Moment sah Yennefer sich selbst ein wenig in ihr wieder.

Wie von selbst dachte sie an die Zeit, bevor sich ihre magische Begabung gezeigt hatte. Eine Zeit, in der sie einfach nur ein normales, unschuldiges Bauernkind gewesen war. Eine Zeit, bevor sie ihrer Familie entrissen worden war, ohne dass sich diese nur für einen Moment dagegen wehrte. Mittlerweile entdeckte sie kaum noch Überbleibsel von diesem Mädchen in sich. Die Jahre und ihre Ausbildung hatten an ihr gerüttelt und in ihr nicht nur ein Streben nach Macht, sondern auch danach sich zu beweisen, in ihr geweckt. Genau das war es auch, was sie dazu getrieben hatte diesen Auftrag anzunehmen und sich in diese Situation zu begeben.

Sie schlang ihre Arme enger um ihren Körper, als würde sie sich so vor den Erinnerungen beschützen können und versuchte die Gedanken von sich zu schieben. Das war ein schlechter Zeitpunkt, um alte Wunden wieder aufzureißen. Sie musste fokussiert bleiben und durfte sich nicht ablenken lassen.

Um nicht mehr die Chance zu haben sich mit sich selbst zu beschäftigen, löste sie ihren Blick wieder von Grace und ließ ihn stattdessen zu ihrem anderen Begleiter hinüberwandern. Er hatte sich etwa einen Meter von ihr entfernt ebenfalls vor dem Feuer niedergelassen und wechselte kein Wort mit ihr. So fiel es leicht zu vermuten, dass er ebenfalls nach seinen Gedanken hinterher hin, doch Yennefer meinte erahnen zu können, dass er noch immer wachsam war. Vielleicht nicht absichtlich, sondern eher aus einem antrainierten Instinkt heraus, wie es bei ihr selbst in bestimmten Situationen der Fall war. In dieser Sache ähnlichen sie beide sich aufgrund ihres Mutantendaseins vermutlich mehr, als sie es zwar glaubten. Denn auch wenn er kein Hexer war und sie keine Monsterjägerin, hatten sie beide Fähigkeiten, die einem normalen Menschen verwehrt blieben und waren einer besonderen Ausbildung unterzogen worden.

Was ihr allerdings auch auffiel, war die Art, auf die er seinen Oberarm positioniert hatte und sie musste gar nicht unter seinen Ärmel zu sehen, um zu wissen, dass sich darüber der lange Schnitt zog, den der Greif ihm dort mit seinen messerscharfen Krallen verpasst hatte. Das hier wäre ein guter Zeitpunkt, um sich darum zu kümmern, doch sie bezweifelte, dass er es zulassen würde. Immerhin hatte er bereits zuvor so getan, als wäre es nichts und sich dagegen gesträubt sich von ihr helfen zu lassen. Allerdings war das hier nun ein ruhiger Moment und bot sich deshalb eigentlich perfekt an. Da sie nicht wollte, dass aus der Verletzung eine wirkliche Beeinträchtigung für ihn und damit ihre ganze Gruppe wurde.

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