Kapitel 20

47 17 1
                                    

„Yennefer?", Grace hob den Kopf, als sie Schritte vernahm und bemerkte die dunkelhaarige Magierin, die sich in diesem Moment zwischen den Bäumen hindurch auf ihre Reisebegleiter zubewegte. Damit brachte er auch den Monsterjäger dazu den Blick von seinem Schwert zu heben, mit dessen Schärfung er sich in den letzten Minuten beschäftigt hatte. Immerhin konnte man ja nie wissen, wann es wider zum Einsatz kommen würde und so, wie er es gewohnt war, würde er schneller in so eine Situation kommen, als ihm lieb war. Als er die Magierin jedoch entdeckte, steckte er die Waffe wieder weg und erhob sich von seinem eingenommenen Platz. 

„Habt Ihr alles bekommen, was Ihr braucht?", fragte er sie sofort. Es überraschte ihn ehrlich, dass sie bereits jetzt zurück war. Eigentlich war er davon ausgegangen, dass sie zumindest für eine Stunde weg sein würde. Deshalb war er sich unsicher, ob ihre schnelle Rückkehr nicht ein schlechtes Zeichen war.
„Ja", nickte sie und öffnete ihre Hand ein wenig, damit er den Beutel darin entdecken konnte, bevor sie ihn in ihrer Tasche verschwinden ließ: "Ihr wart doch so sehr darauf aus, dass ich mich beeile. Warum seid Ihr also so überrascht?" 

„Bin ich nicht", antwortete er einfach nur knapp, da er weder bereit war zuzugeben, dass er froh über ihre schnelle Rückkehr und gleichzeitig davon überrascht war. Immerhin kannte er Sehgen. Die Stadt war am Tag meist voller Menschen und es konnte schwer sein den richtigen Laden zu finden, wenn man sich dort nicht auskannte. Außerdem war es kein Geheimnis, das die Stadt nicht nur Reisende, sondern auch Diebe anzuziehen schien.
„Dann sollten wir jetzt wohl besser weiterreiten", schlug er vor und ging auf sein Pferd zu, um dessen Zügel vom Baumstamm zu lösen, an dem er es festgemacht hatte. 

Dagegen protestierte Yennefer nicht. Auch sie konnte es ehrlich gesagt nicht erwarten diesen Ort wieder zu verlassen und ihre Gedanken wieder auf die Reise zu lenken. Zumal sie aus den Worten der alten Frau im Kräuterladen, die in ihrem Kopf herumgeisterten, auch nicht schlau wurde.
„In Ordnung", antwortete sie deshalb und folgte seinem Beispiel. Immerhin hatten sie noch immer den Auftrag zu erfüllen, der sie erst an diesen Ort geführt hatte. Bei diesem Gedanken wandte sie sich mit einem kleinen Lächeln Grace zu und nickte in Richtung ihres Pferdes: "Kommst du?" 

Kurz warf Grace einen Blick zu James, der ihr in diesem Moment jedoch den Rücken zuwandte. Er schien nicht vorzuhaben Yennefer von dem Dschinn zu erzählen. Andernfalls hätte er es vermutlich bereits getan. Was sie davon halten sollte, wusste sie allerdings beim besten Willen nicht. In den Sagen, die sie gehört hatte, waren diese Wesen nämlich nicht von der freundlichsten Natur. Stattdessen neigten sie dazu die, die die Flasche geöffnet hatten, auszutricksen und ihre Wünsche meist zu verdrehen, wie es ihnen gefiel, da viele den Fehler machten sie nicht präzise genug zu formulieren. Andererseits hätte Yennefer ihnen doch vielleicht davon erzählt und sie gewarnt, wenn es wahr wäre. Schließlich war sie selbst eine Magierin. Obwohl sie sich das einzureden versuchte, hatte sie jedoch kein gutes Gefühl bei dieser Sache.
„Ja, ich komme", antwortete sie dann allerdings einfach nur, wieder an Yennefer gewandt, und erhob sich von dem Platz am Baum, den sie noch immer eingenommen hatte. 

Bemerkt hatte James ihren Blick nicht, sondern sich seinem Pferd zugewandt, das in diesem Moment ganz und gar nicht, wie es selbst wirkte. Es scharrte fast schon nervös mit den Hufen auf dem sandigen Boden und warf seinen Kopf immer wieder hoch, wenn James versuchte nach den Zügeln zu greifen. Ein unkooperatives Verhalten, das er von seinem tierischen Reisebegleiter sonst alles andere als gewohnt war.
„Was ist los?", Yennefer warf über ihre Schulter einen Blick zu dem Monsterjäger herüber. Das war eine gute Frage, auf die James allerdings selbst keine genaue Antwort hatte. Der Zustand seines Pferdes erinnerte ihn an einen Auftrag in der Vergangenheit, bei dem er in große Schwierigkeiten geraten und nur knapp entkommen war. Davor war es fast so gewesen, als würde Raven wissen, dass etwas bevorstand, noch bevor er selbst es entdeckte. 

Kingdom of DespairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt