Kapitel 29

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„Wieso muss ausgerechnet ich das Ablenkungsmanöver veranstalten?", fragte James, als sie mit ihrer Erklärung des Plans geendet war.
„Kannst du ein Portal aus dem Nichts erschaffen?", stellte sie eine Gegenfrage, ließ ihm jedoch keine Zeit darauf zu antworten, da die Antwort offensichtlich war:"Nein, kannst du nicht. Allerdings bist du ein besserer Kämpfer als ich und deshalb ist die Chance, dass du einen Kampf überlebst, größer, als wenn ich es versuchen würde."
Als James ihre Erklärung hörte, musste er zugeben, dass sie damit recht hatte. Wenn man es so betrachtete, war die Aufteilung so tatsächlich am besten. Er würde damit vermutlich eher fertig werden, als sie, denn auch wenn er sie im Schwertkampf trainiert hatte, würde sie nicht so schnell an seine Fähigkeiten herankommen.
„Ja, da hast du recht", stimmte er ihr zu, nachdem er etwas genauer darüber nachgedacht hatte und ging ein weiteres Mal den Vorschlag durch, den Yennefer ihm bereitet hatte:"Also, werde ich sie gleich ablenken, sodass du dich rein schleichen, nach Grace suchen und dich mit ihr nach draußen teleportieren kannst."

Wenn er ehrlich war, musste er zugeben, dass ihr Plan gar nicht schlecht war und besser als das, was ihm selbst eingefallen war. Allerdings würde es vermutlich nicht leicht werden herauszufinden, wo sie Grace versteckt hielten. Soweit er sich erinnerte, war das Gebäude zwar nicht weitläufig, bestand jedoch aus mehreren Stockwerken, die eine Suche erschweren konnten.
„Das Gebäude hat drei Stockwerke. Zwei über der Erde und ein Unterirdisches", teilte er ihr das mit, woran er sich erinnerte:"Das hier war früher mal eine Burg, in der sie auch Leute gefangen genommen haben, weshalb es im Keller Kerker geben sollte."
„Denkst du, dass sie die Prinzessin dorthin gebracht haben?", hakte sie nach.
„Möglicherweise", er zuckte mit den Schultern:"Mit Sicherheit sagen kann ich es aber nicht. Das wirst du erst sehen können, wenn du drinnen bist."

„Okay, danke. Ich werde es schon herausfinden", sagte sie mit einem Nicken:"Pass aber bitte auf dich auf. Bleib nicht zu lange dort und verschwinde sofort wieder, wenn es zu gefährlich wird. Ich will nicht, dass dir etwas passiert."
Während sie sprach, hielt er den Blick auf ihr Gesicht gerichtet und konnte selbst in der Dunkelheit in ihren Augen sehen, dass es ernst meinte. Bei ihren Worten musste er erneut daran denken, wie sehr sich ihre Beziehung zueinander mittlerweile verändert hatte. Nicht nur hatte sie angefangen ihm wichtig zu werden, sondern so wie es klang, lag ihr auch etwas an ihm. Auch, wenn sie es vermutlich nicht so leicht zugeben würde.

„Dann fang ich jetzt wohl mal mit dem Ablenken an", unterbrach er den stillen Moment zwischen ihnen, in dem beide einander einfach nur angesehen hatten:"Warte hier, bis du hörst, dass sie auf mich aufmerksam geworden sind."
 Bevor sie noch etwas einwenden konnte, löste er sich von seiner Position und bewegte sich völlig lautlos auf die Mauer zu. Nach einigen Metern wurden seine Schritte allerdings schwerer und sie meinte vernehmen zu können, wie er sein Schwert absichtlich klirren ließ. Yennefer musste sich ein kleines Lächeln verbergen. So wie es aussah, war er doch besser in seiner Rolle als Ablenkung, als er gedacht hatte.

Als sie plötzlich lauter werdende Stimmen und dann ein „Stehen bleiben. Hier ist kein Durchgang für Unbefugte" vernahm, trat auch sie hinter dem Baum hervor, hinter dem sie sich verborgen hatten, um sich so geräuschlos wie möglich in Gang zu setzen. An der Stelle, an der die Mauer einen Durchgang bot, machte sie einen Halt und spähte um die Ecke in den Hof. Dort stand James, der genau im selben Moment wie die beiden anderen Männer, sein Schwert zückte. Beide hatten einen alarmierten Gesichtsausdruck aufgesetzt und begannen James mit ihren Schwertern zu belagern, wobei sie sich nicht gerade leise verhielten. Genauso, wie sie es gehofft hatte. So würde James alle hinauslocken und das Feld für sie freimachen.

Kaum einen Moment dauerte es, bis von dem Geschrei zwei weitere Männer mit gezückten Schwertern aus dem Gebäude traten. Damit waren es dann nur noch sechs, die sich im Inneren aufhielten. Ihr Herz begann schneller zu schlagen, doch sie zögerte nicht, als sie sich wieder in Bewegung setzte. In den Schatten, die die Mauer warf, bewegte sie sich, so gut verborgen wie möglich, auf die Tür des Gemäuers zu. Dabei warf sie aus dem Augenwinkel kurz einen Blick auf James, der damit begonnen hatte sich gegen seine Angreifer zu verteidigen, doch sie versuchte ihre Konzentration weiterhin auf die Tür gerichtet zu halten, durch die ein Lichtstrahl hinaus in die Dunkelheit drang. Kurz warf sie einen Blick über ihre Schulter auf die Alterianer, doch keiner von ihnen schien noch auf etwas anderes zu achten, als James. Schnell wandte sie sich ab und schlüpfte durch den engen Türspalt.

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