Kapitel 12

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Als am Morgen Licht durch das kleine Fenster drang und James weckte, war das Erste, was er wahrnahm, das Fehlen der Wärme, die er die ganze Nacht verspürt hatte. Mit einer Hand tastete er auf dem Laken herum, wurde allerdings nicht fündig. Langsam schlug er eines seiner Augen auf und sah, dass der Platz, an dem Yennefer geschlafen hatte, leer war. Nur noch das leicht zerknitterte Laken verriet, dass hier in der Nacht zuvor jemand geschlafen hatte.

Ihm entfuhr ein leichtes Brummen. Er kannte den Grund selbst nicht, doch es störte ihn, dass sie nicht mehr neben ihm lag. Denn auch wenn er es sich nicht erklären konnte, erinnerte sich an die vergangene Nacht, als eine ungewohnt erholsame. Etwas, was ihm sonst nur selten vergönnt war. Für gewöhnlich war sein Schlaf unruhig und von Albträumen geplagt. Vermutlich hatte er dieses Mal aber auch einfach nur Glück gehabt und es hatte nichts mit Yennefers Anwesenheit zu tun. Warum sollte es das auch?

Der Monsterjäger schlug auch sein zweites Auge auf und drehte sich auf den Rücken. Einige Sekunden lang starrte er einfach an die hölzerne Decke über ihm und ging alle Geschehnisse des vergangenen Tages nochmal durch. Vor ein paar Stunden hatten sie den Palast mit der Prinzessin verlassen und hatten nach einer Weile bei dem Gasthaus halt gemacht, in dem er sich in diesem Moment befand. Obwohl sie lange galoppiert waren, vermutete er, dass sie noch keine große Strecke zurückgelegt hatten. Dementsprechend hatten sie noch eine lange Reise vor sich, die ohne Zweifel auch bestimmt nicht völlig gefahren los ablaufen würde.

Bei dem Gedanken wanderte sein Blick zu seinem Schwert, welches noch immer dort lag, wo er es in der gestrigen Nacht abgelegt hatte. Zu wissen, dass es in seiner Nähe war, beruhigte ihn. Denn auch wenn er kein schlechter Nahkämpfer war, beruhigte ihn der Gedanke sich damit jederzeit verteidigen zu können. Besonders dann, wenn er noch andere bei sich hatte.

Nach einigen Sekunden setzte er sich in dem Bett auf und horchte nach, ob Yennefer sich im Bad befand. Als er allerdings keine Geräusche aus der Richtung wahrnahm, runzelte sich seine Stirn und er erhob sich ganz. Schweren Schrittes machte er sich auf den Weg zu besagtem Raum und öffnete die Tür einen Spalt breit. Als er sie jedoch immer noch nicht hörte, stieß er sie völlig auf und entdeckte zu seiner Unzufriedenheit, dass sie sich tatsächlich nicht darin befand. Ein ungutes Gefühl breitete sich in seinem Inneren aus und er trat zurück in den Hauptraum. Sein Blick wanderte über das Mobiliar, bis er an dem Zimmerschlüssel hängen blieb. Schnell griff er danach und verließ den Raum dann. Hinter sich schloss er ab. Eigentlich ging er nicht davon aus, doch in diesem Moment keimte in ihm der Gedanke auf, dass die beiden Frauen entweder ohne ihn weiter geritten sein könnten oder dass etwas passiert war, während er geschlafen hatte. Zwar traute er Yennefer erstes nicht zu – oder wollte es zumindest nicht -, konnte sie aber nur schwer einschätzen und diese Möglichkeit damit auch nicht ausschließen. Immerhin kannte er ihre Motivation nicht einmal.

Schnell stieg er die Stufen zum Hauptraum des Gasthauses hinunter, bis er am Treppenabsatz ankam. Dort blieb er stehen und ließ seinen Blick über die Tische und die Gäste wandern. Dabei zog eine schwarzhaarige Frau in einer Sitzecke wie von selbst seine Aufmerksamkeit auf sich und er machte instinktiv ein paar Schritte auf sie zu. Dadurch konnte er ihr Gesicht genauer betrachten und erblickte Yennefers stechend grüne Augen, deren Ausdruck sich bereits jetzt in seine Erinnerungen gebrannt hatte. Erleichterung machte sich breit und er nahm ein Gefühl wahr, was andere vielleicht als Reue beschreiben würden, das James allerdings dachte aus seinem Repertoire an Gefühlsregungen verbannt zu haben. Er konnte es sich nur so erklären, dass er sich schlecht fühlte, weil er gedacht hatte, sie würde ihn hintergehen, in dem sie mit der Prinzessin ohne ihn weiter reiste. Das erste Mal, dass er so etwas erlebte, wäre es ja nicht.

Bevor er etwas tun konnte, traf Yennefers Blick seinen und ein Lächeln erschien auf ihren Lippen: "Seid Ihr auch endlich wach?"James hatte nicht damit gerechnet, dass sie auf ihn aufmerksam werden würde und war deshalb einen Moment perplex, bevor er nickte: "Augenscheinlich."
Dann trat er an ihren Tisch heran und stützte seine Hände leicht auf der Tischplatte ab, während er Grace musterte. Diese sah gut erholt aus. Scheinbar war es genau die richtige Entscheidung gewesen hier einen Halt einzulegen. Ein Frühstück zwischen anderen Reisenden einzulegen, die die Prinzessin jederzeit erkennen könnten, war allerdings kein Teil seines Plans gewesen. Deshalb wandte er sich erneut an Yennefer: "Könnte ich kurz mit Euch sprechen?"

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