Seite an Seite liefen sie hinter Freya her, die sie zu einer Kammer führte. Vor der Tür kam die Blondine zum Stehen und zog sie auf, um ihnen den Blick auf den alten Meister zu eröffnen. Er hatte ihnen den Rücken zugewandt und schien die Seiten eines Buches zu studieren, das er in seinen Händen hielt.
„Meister, sie sind hier", kündigte Freya sie an und brachte Alaric damit dazu seinen Kopf zu heben. Als er sie im Türrahmen erspähte, schloss er das Buch langsam und stellte es zurück an seinen rechtmäßigen Platz im Regal. Dann ging er auf einen runden, hölzernen Tisch zu, auf dem er eine Karte ausgerollt hatte. An ihren Rändern, war sie leicht zerfetzt und das vergilbte Papier verriet, dass sie bereits sehr alt sein musste.„Gut, dass ihr gekommen seid", begrüßte er sie und nickte Freya zu, um ihr damit zu signalisieren, dass sie nun gehen konnte. Sie protestierte nicht, sondern verließ die Gruppe einfach. Währenddessen traten James und Yennefer weiter in den Raum hinein und blieben erst vor dem Tisch stehen. Der Monsterjäger ließ seinen Blick über das Papier wandern und erkannte so zweifellos, dass darauf Dorn zu sehen war. Vermutlich würde sie genutzt werden, um damit das Portal aufzuspüren, doch wie genau das funktionierten würde, konnte er nicht sagen. Denn auch wenn er mehr über Magier wusste, als die meisten Menschen es taten, war ihm nicht klar, wie genau es ablaufen würde.
„Wir werden diese Karte nutzen, um herauszufinden, wohin sie mit dem Portal verschwunden sind", erklärte der Meister, richtete sich dabei jedoch mehr an Yennefer, als an James:"Den Spruch dafür kennst du noch?"
„Ja, kenne ich", antwortete sie mit einem Nicken. Auch wenn es bereits lange her war, dass sie zum letzten Mal ein Portal aufgespürt hatte. Jedoch erinnerte sie sich nach wie vor an den Spruch und daran, wie man ihn durchführte.Ohne zu zögern, streckte Yennefer ihm ihre beiden Hände hin und er griff danach, sodass sich ihre Finger mitten über der Karte verschränkten. Kurz warf die Dunkelhaarige einen Blick zu James herüber, der einen Schritt auf sie zugemacht hatte. Aus seinem Gesicht konnte sie lesen, dass er teils interessiert und, teils skeptisch war. Allerdings zweifelte sie nicht daran, dass es gut funktionieren würde. Der Zauber war nicht wirklich schwer und da sie ihn gemeinsam durchführten, war die Chance eines Versagens gering. Für ihn gab es also eigentlich keinen Grund beunruhigt zu sein.
Kurz warf sie noch einen Blick zu ihrem Meister, der die stille Frage danach enthielt, ob er bereit war. Er nickte kaum merklich und das reichte, damit sie ihre Augen schloss und darauf wartete, dass ihre Magie sie zu durchfließen begann. Langsam und beinahe bedächtig begann sie die Worte auszusprechen, die sich gemeinsam zu einem magischen Spruch zusammen fügten und langsam ihre Wirkung zu entfalten beginnen würden. Jedes weitere Wort sorgte dafür, dass ihre Hände warm wurden und auch mit geschlossenen Augen wusste sie, was sich in diesem Moment bei der Karte tat.
Sobald sie den Spruch zum dritten Mal im Einklang mit ihrem Meister wiederholt hatte, schlug sie ihre Augen wieder auf, während sie ihre Hände zurückzog.
„War es das?", hörte sie James hinter sich mit Skepsis sprechen. Yennefer antwortete mit einem kurzen Nicken:"Ja, das war alles. Wir sind fertig."
Ihren Blick hielt sie dabei weiter auf die Karte gerichtet. Auf dieser hatte sich mittlerweile ein kleines, schwarzes Brandloch gebildet. Sie beugte sich leicht nach vorne und fuhr mit dem Finger über das Loch.
„Sie sind tatsächlich nicht weit gekommen", erklärte sie und warf nun einen Blick zurück zu James:"Mit dem Portal sind sie nur eine kurze Strecke gereist. Sie sind nicht weit vom Sehgen See wieder aufgetaucht."
„Und sind sie danach noch weiter gereist?", James Stirn legte sich in Falten. Er stand nun ebenfalls neben ihr am Tisch und ließ seinen Blick zwischen beiden Magiern hin und her wandern.„Nein, sind sie nicht. Zumindest nicht mit einem Portal, denn eine weitere Signatur habe ich nicht gespürt", erklärte nun Alaric mit einem Kopfschütteln.
„Also können sie entweder nur weiter geritten sein oder sie sind noch immer in der Nähe", führte Yennefer den Gedanken weiter, während sie eine Augenbraue hob. Doch warum hatten sie kein Portal genutzt, um damit zumindest einen größeren Abstand zu ihnen zu gewinnen? Immerhin hatten sie nicht damit rechnen können, dass sie irgendwo anders nach Hilfe suchen würden und hätten stattdessen davon ausgehen müssen, dass sie ihnen folgen würden. Weshalb waren sie also dort geblieben? Irgendeinen besonderen Grund musste es ja geben.
„Aber wohin genau könnten sie gegangen sein? Auch wenn ein paar Tage seit Grace' Verschwinden vergangen sind, können sie noch nicht wieder zurück in Altera sein. Dafür wäre die Zeit viel zu kurz gewesen", fragte sie in die Runde hinein. In der Vergangenheit war sie bereits einmal nach Altera geritten und wusste deshalb, dass es in so kurzer Zeit nicht zu erreichen war. Besonders nicht, wenn das Ziel der Palast war, der im Inneren des Landes und nicht an der südlichen Grenze zu Dorn lag.
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Kingdom of Despair
Fantasía| 2022 & 2021 WATTY'S SHORTLIST | James lebt als Monsterjäger in einer Welt, in der es nicht angesehen ist, anders zu sein, und fühlt sich nichts verschrieben außer sich selbst. Von dem aufkommenden Krieg zwischen zweien der drei Königreiche will er...