Kapitel 15

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Mit klopfendem Herzen stand ich noch eine ganze Weile vor der Türe. Ich weiß nicht was mich mehr erschütterte. Die Tatsache, dass Fenrys einfach verschwunden ist, als ob er sich teleportiert hatte oder die Tatsache, dass ich wirklich gedacht hatte, dass er mich eventuell küssen würde. Immerhin hatte er einen Schritt auf mich zu gemacht. Ist das kein Indiz? Oder bildete ich es mir ein?

Was auch immer es war, ich sollte nicht mehr darüber nachdenken. Es war bereits früher morgen, die Sonne stand am Himmel und ich war bestimmt schon einen Tag auf den Beinen. Ich sollte mir so viel Schlaf wie möglich holen, bevor Manon oder Njal mich wieder zum Training riefen.

So leise wie möglich öffnete ich die Tür zu unserem Zimmer und machte mich so leise und schnell fürs Bett fertig, wie es ging. Dalia schlief bestimmt noch, denn ihre Türe war geschlossen. Kaum hatte mein Körper die Matratze berührt, schlief ich ein.

Zwei Wochen später hatte ich die Ereignisse von dem Ball schon wieder vergessen. Njal stand tatsächlich kurz nachdem ich eingeschlafen bin an meinem Bett und kommandierte mich zum Training. Nachmittags wollte Manon auch noch mit mir trainieren. Übermüdet wie ich war, bin ich fast von Abraxos gefallen.

Das ging die letzten zwei Wochen so. Vormittags Training mit Njal und nachmittags mit Manon.

Dalia und Fenrys bekam ich sehr selten zu sehen.

Caeda war die einzige, die ich neben meinen beiden Lehrern regelmäßig sah und die einzige, die sich mit mir über alles Mögliche unterhielt, solange es nichts mit Kämpfen zu tun hatte.

Ich hatte das Mädchen in den vergangenen Wochen richtig lieben gelernt. Sie war beinahe wie eine Schwester für mich. Noch ein Grund wieso ich meinen ursprünglichen Plan, Aelin zu töten, noch einmal überdachte.

Das Leben am Hof hatte mir gezeigt, dass es so viel mehr gab, als Rache.

Tagtäglich war ich von so viel Liebe und Respekt umgeben, dass es schwierig war nicht ein wenig für sich selbst zu übernehmen.

Dorian vertraute mir so viel, dass ich an einem recht kühlen Nachmittag einen Ausflug in die Stadt unternehmen durfte. Caeda wollte mich ursprünglich begleiten, doch wurde kurzfristig aufgehalten. Irgendwelche Prinzessinnenaufgaben, wie Njal mir mitteilte.

Mit ihm verband mich mittlerweile auch eine Art Freundschaft. Er war zwar mein Trainer und nahm mich mitunter auch sehr hart ran aber außerhalb des Trainings verstanden wir uns ganz gut. Aus diesem Grund fragte ich ihn, ob er mich nicht begleiten wollte.

Fenrys fand ich nicht und ich hatte auch keine Lust nach ihm schicken zu lassen. Bei den wenigen malen, an denen wir uns gesehen hatten, war er immer sehr höflich zu mir. Wir hatten nur nie wieder die Chance uns so zu unterhalten, wie in der Nacht des Balls.

Njal kannte ein paar schöne Orte in Rifthold, die er mir alle zeigte. Dabei unterhielten wir uns über alles Mögliche. Es tat gut mal einen Tag frei zu haben und auch Njal schien den freien Tag sehr zu genießen.

Am frühen Abend hatten wir es uns mit einer warmen Tasse Kakao in einen der unzähligen Parkanlagen Riftholds bequem gemacht.

Njal erzählte mir gerade, dass König Dorian diese Parks anlegen ließ, damit die Menschen etwas von seinem Wohlstand abhaben konnten und die Kinder einen geschützten Ort zum Spielen hatten.

„Wie kommt es eigentlich, dass du die Ehre hast mich zu trainieren?" Diese Frage brannte mir schon lange auf der Seele. Njal war zwar gut in seinem Job aber bei weitem nicht der beste und längst nicht der ranghöchste Soldat. Vielleicht war das auch der Grund wieso er mich trainieren durfte. Er war entbehrlicher, als andere.

Njal lächelte mich nur an und nahm einen Schluck von seinem Kakao, ehe er mir antwortete. „Ehrlich gesagt habe ich darum gebeten. Ich hatte gehofft, dass ich so einen Grund hätte mit Dalia zu sprechen aber sie hatte ja von Anfang an ein Auge auf unseren kleinen Lord geworfen." Er seufzte leise. Ich konnte ihn verstehen. Gegen Gareth hatte er keine Chance. Er war ein Lord, sah unfassbar gut aus und war um einiges größer als Njal. Dieser konnte ihn allerdings in Sache Statur locker das Wasser reichen. Auf unserem kleinen Trip habe ich erfahren, dass Njal seit seiner frühesten Kindheit trainiert hatte, um eines Tages im Schloss als Soldat arbeiten zu können. Es war sein größter Traum gewesen und den hatte er sich erfüllt. Seine Familie war aus ärmlichen Verhältnissen und eine Anstellung im Schloss brachte viel Geld ein. So konnte er seine Eltern finanziell unterstützen.

„Du hättest jederzeit aufhören können. Nur meinetwegen musst du nicht weiter machen." Njal zuckte mit den Schultern. „So habe ich mir einen Namen unter den anderen Wachen gemacht. Die sind ziemlich eifersüchtig, dass ich den Ehrengast des Königs trainieren darf. Außerdem habe ich gemerkt, wie gerne ich Menschen foltere."

Jetzt verdrehte ich die Augen. Erst gestern hatte er mich gezwungen vor Morgengrauen in der eisigen Kälte um das Schlossgelände zu laufen, um mich auf die Temperaturen vorzubereiten, die mich auf dem Flug begleiten würden.

In ein paar Tagen war Herbstbeginn und dann würde es nicht mehr lange dauern, bis ich meinen Flug nach Orynth antreten würde und somit in eine ungewisse Zukunft.

„Keine Sorge. Du wirst es in Orynth guthaben. Königin Aelin ist zwar...speziell aber sie schien bisher immer sehr nett."

„Du kennst sie?" fragte ich überrascht.

„Natürlich. Sie ist ab und an in Rifthold, genauso wie König Dorian ab und an in Orynth ist. Dort war ich allerdings noch nie." Schob er hinterher, bevor ich irgendwelche Fragen zu Orynth stellen konnte.

„Ich verrate dir etwas. Freunde dich mit ihren Kindern an. Faes bekommen zwar nur sehr selten Kinder aber die beiden..." er fing an zu lachen. „Die beiden müssen es wie die Karnickel getrieben haben. Die haben fünf Kinder. FÜNF!! Manche Faes versuchen es ein Leben lang und bekommen keins und die beiden bekommen direkt fünf Kinder." Njal schüttelte lachend den Kopf. Als Ritter bekam er sicherlich den Klatsch und Tratsch der Dienerschaft mit und schnappte selbst die ein oder andere Information auf. Deswegen rückte ich noch etwas näher, um ja gar keine Information zu verpassen. Aelin weiß, dass ich ihr nach dem Leben trachte und ehrlich gesagt bin ich mir immer noch nicht sicher, ob ich meinen Plan weiter verfolgen soll oder nicht. Wenn aber nur ein Bruchteil der Gerüchte über die Königin stimmen, dann ist sie durchgeknallt und brillant aber vor allem durchgeknallt. Sie würde Spaß daran haben mich langsam zu zerfleischen. Sicherlich kannte Aelin nicht nur eine Methode, um ihre Opfer so lange wie möglich am Leben zu lassen, damit sie möglichst viel litten.

„Wie dem auch sei," Njal sah mich ernst an. „Sie haben fünf Kinder. Fünf Abbilder ihrer selbst. Das heißt die haben es drauf. Gerüchten zufolge sollen sie wohl schon auf dem Kampfplatz stehen, seit sie laufen können. Jara ist die älteste. Dann kommen Kian, Samuel, Lyria und Cailan. Vor Kian solltest du dich besonders in Acht nehmen. Er ist zwar noch ein halbes Kind aber wie ich gehört habe ist er das Problemkind. Kein Wunder bei der Familie. Stell dir vor deine Eltern sind lebende Legenden. Deine Onkeln und Tanten sind ebenfalls die größten."

„Ich glaub ich habe es verstanden." Unterbrach ich Njal. Die Truppe rund um Aelin und Dorian waren lebende Legenden. Sie hatten irgendwie die Welt gerettet. Zu mindestens redeten sich das die meisten ein, doch niemand wollte so wirklich über die Zeit des Krieges reden. Viele verloren ihre Familien, ihr zu Hause und ihr Leben. Mein innerer Hass auf Aelin wuchs wieder.

„Also Kian vermeiden, mich mit Jara anfreunden und dann wird Aelin mich leben lassen?"

„Naja..." Njal fuhr sich durch die blonden Haare und sah verlegen weg. „Eine Garantie kann dir niemand geben. Aber wenn du dich mit Jara anfreundest, wird diese vielleicht ein gutes Wort für dich einlegen."

Ich runzelte die Stirn und nickte langsam. Das waren ja tolle Voraussetzungen.

„Du schaffst das schon." Njal stupste mir in die Seite und sah ich aufmunternd an. „Ich trainiere dich ja, damit du eine mini Chance hast gegen die Königin."

Er machte mir nicht wirklich Mut aber irgendwie würde ich das schon überstehen.

Irgendwie...

Throne of Glass- Dienerin des LichtsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt