Nachdem ich mir was drübergezogen hatte, ging ich in den kleinen Vorraum, in dem Fenrys auf mich wartete.
„Was möchtest du?" fragte ich und schlang meine Arme um meinen Körper. Ein blöder Abwehrmechanismus, den ich mir im Laufe meines Lebens angeeignet hatte. Der Druck um meinen Bauch beruhigte mich.
Fenrys betrachtete mich wieder aus seinen dunklen Augen, als ob er mich vorher noch nie gesehen hatte. Streng genommen hatte er mich vorher auch noch nie nackt gesehen. Dieser Anblick musste ihm gefallen haben, denn er grinste mich wieder mit diesem dämlichen anzüglichen Grinsen an, bei dem es mir eiskalt den Rücken hinunterlief. Das war beinahe noch schlimmer, als die Blicke, die ich manchmal von Manon bekommen hatte, die ganz deutlich ausgesagt hatten, dass ich nur lebte, weil ihr Mann es so wollte.
„Ich wollte mich verabschieden. Ich reise morgen ab und du bist ab nächster Woche an dem Hof von Aelin."
„Wohin reist du morgen?"
„Nach Doranelle." Sein Blick driftete kurz in die Ferne.
„Wo die Faes herkommen?"
Fenrys nickte knapp. „Meine Familie lebt noch dort und in ein paar Tagen..." er schüttelte den Kopf, als wollte er eine Erinnerung verscheuchen. „Ich hatte mal einen Bruder. Einen Zwillingsbruder um genau zu sein. Da gibt es noch ein paar Dinge, die ich zu klären habe."
Von einem Bruder wusste ich nichts. „Ich dachte Faes bekommen nur selten Kinder?" Das war zumindest das, was Njal mir erzählt hatte vor ein paar Tagen.
Es war kein richtiger Themenwechsel aber Fenrys schien erleichtert zu sein über etwas anderes reden zu können, als über die Reise nach Doranelle. Seine Schulter sackten etwas herab und er lächelte wieder etwas. „Normalerweise ja. Wir waren damals auch eine kleine Sensation. Aelin und Rowan haben uns in den letzten zwanzig Jahren gezeigt, dass man mit sehr vielen Stunden im Bett auch viele Kinder zeugen kann." Das hatte Njal auch erwähnt.
„Sie haben fünf Kinder, nicht wahr?"
„Ja. Tolle Kinder. Aber das sind sie alle."
„Wünschst du dir das nicht auch? Eine Familie zu gründen?"
Wieder lag dieser undefinierbare Blick auf mir und ein Mundwinkel hob sich kurz. „Wünschst du dir das, Stern?"
Über diese Frage musste ich wirklich eine Weile nachdenken. Darüber hatte ich mir noch nie großartig Gedanken gemacht. Als ich Nycholas kennengelernt hatte war ich noch zu jung, um mir ernsthafte Gedanken über mein weiteres Leben machen zu können. Insbesondere über meine Familienplanung und in den letzten Jahren hatte ich keine Gelegenheit mehr dazu gehabt. Mittlerweile fühlte ich mich auch zu alt. Ich war zwar erst 25 Jahre alt und hatte somit noch einige Jahre vor mir. In meinem Alter waren die meisten Mädchen schon verheiratet und hatten Kinder.
„Nein. Vermutlich nicht. Ich weiß es nicht." Antwortete ich schließlich und zuckte mit den Schultern.
„Ich auch nicht. Versteh mich nicht falsch. Ich liebe meine Nichten und Neffen und freue mich sehr, dass meine Freunde alle irgendwie den Partner fürs Leben gefunden haben aber sowas war noch nie etwas für mich. Ich bin niemanden unterstellt, außer Aelin und von ihr bekomme ich kaum Befehle."
„Ich dachte ihr seid Freunde. Wieso sollte sie dir Befehle geben?"
„Sie ist meine Freundin aber gleichzeitig auch meine Königin. Ich bin durch einen Bluteid an sie gebunden." Fenrys musste gemerkt haben, dass ich mit der Information nicht viel anfangen konnte, denn er fing augenblicklich an zu lachen. „Ich vergesse immer wieder, wie wenig ihr Menschen euch für andere Gesellschaften interessiert." Sagte er amüsiert. „Durch einen Bluteid bin ich quasi an Aelin gebunden und muss jeden ihrer Befehle ausführen, den sie mir durch den Bluteid gibt. Wenn sie mir also befehlen sollte dich umzubringen, muss ich das tun. Egal ob ich es möchte oder nicht."
„Kann man ihn auflösen?" Es klang beängstigend, dass Aelin so viel Macht über einen einzelnen Mann haben konnte.
„Aelin könnte ihn auflösen. Ich...nun ja...das ist eine Geschichte für ein Wiedersehen."
Ich wollte schon protestieren, als Fenrys mir einen flehenden Blick schenkte. Er wollte ganz offensichtlich nicht darüber sprechen und ich muss es wohl oder übel akzeptieren.
„Kannst du mir wenigstens erklären, was du vor ein paar Tagen gemacht hast, als du mich zu meinem Zimmer begleitet hast? Du hast einen Schritt auf mich zugemacht und bist einfach verschwunden."
„Hat dich das beeindruckt?"
Ich schlug Fenrys spielerisch gegen den Arm. „Ich meine es ernst. Was hast du da gemacht? Können Faes sich jetzt auch noch in Luft auflösen?"
„Nein." Fenrys wirkte amüsiert über meine Aussage. „Wir haben alle verschiedene Fähigkeiten. Aelin beispielsweise kann das Feuer kontrollieren und Rowan Wind und Eis. Ich kann kurze Strecken zurücklegen, indem ich mich quasi teleportiere." Stolz und ein wenig Arroganz lagen in seinem Blick und dieses Mal war ich wirklich beeindruckt. „Du hast dich also an dem Tag direkt vor meinen Augen teleportiert?" Ich musste das ganze irgendwie in meinem Kopf sortieren.
„Ich kann es nicht allzu oft machen und eigentlich ist es auch kein Partytrick. Es kann auf dem Schlachtfeld ganz nützlich sein, wenn dich jemand angreift und du aber keine Möglichkeit hast auszuweichen."
„Wie machst du das?"
Fenrys überlegte kurz. „Stell dir ein Stück Stoff vor. Du bist auf der einen Seite und möchtest auf die gegenüberliegende Seite. Anstatt dorthin zu gehen, falte ich quasi den Stoff, sodass beide Punkte übereinander liegen. Ich brauche dann nur noch einen kleinen Schritt machen und befinde mich auf der gegenüberliegenden Seite, ohne dass ich dorthin gehen musste. Für dich würde es so aussehen, als ob ich unsichtbar geworden bin."
„Wow." Entfuhr es mir. Das war in der Tat sehr beeindruckend. Fenrys war der erste Fae gewesen, den ich aus nächster Nähe gesehen hatte und dementsprechend hatte ich auch noch nie Magie in diesem Ausmaß gesehen.
„Und deine Tierform?"
„Die ist ein weißer Wolf aber das weißt du ja schon."
„Schon klar aber wie machst du das?"
Fenrys runzelte die Stirn. „Es ist wie Atmen. Ich tue es einfach ohne groß darüber nachzudenken."
Es war nicht die Antwort, die ich erhofft hatte. „Erklär es mir." Bat ich.
„Ich kann es dir nicht erklären, weil es einfach passiert." Entschuldigend sah er auf mich herab. In seiner Anwesenheit habe ich mich bisher noch nie klein gefühlt. Ich war zwar ein ganzes Stück kleiner als er aber das hatte bei den wenigen Malen, die wir uns gesehen hatten, nicht gestört.
„Schlaf schön, Ayla. Wir werden uns sicherlich bald wiedersehen." Fenrys beugte sich zu mir herab und küsste mich sanft auf die Wange. An der Stelle breitete sich ein merkwürdiges Kribbeln aus, was durch meinen ganzen Körper strömte.
„Gute Nacht, Fenrys." Murmelte ich und sah zu, wie er die Tür öffnete und mit einem letzten Blick zu mir hindurchtrat.
Ich war wieder alleine, doch dieses Mal wollte ich nicht alleine sein. Fenrys hatte irgendwas in mir wachgerüttelt von dem ich dachte, dass ich es sehr tief in mir verborgen hatte- die Sehnsucht nach einer anderen Person.
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Throne of Glass- Dienerin des Lichts
FantasyTeil 1 BEENDET! Die Geschichte spielt ca. zwanzig Jahre nach den Ereignissen des 7. Bandes. Deshalb SPOILERWARNUNG!! (auch bei der Beschreibung) Ayla Caru verlor bei dem Krieg gegen Erawan und Maeve ihre ganze Familie und muss als Schneiderin für...