Lorcan war unglaublich. Er war wie ein todbringender Sturm. Würde er nicht gegen seinen eigenen Sohn kämpfen, sondern auf einem Schlachtfeld stehen und tausend Feinde wären auf dem Weg zu ihm, er würde sie alle niedermetzeln. Er bewegte sich so filigran und wehrte jeden einzelnen Schlag ab, als hätte er sein ganzes Leben nichts anderes getan. Es war unfassbar spannend den beiden zuzusehen.
„Wie konntest du gegen Gareth gewinnen, wenn Lorcan sein Vater ist?" flüsterte ich Njal zu. Dieser zuckte mit den Schultern. Er war nicht minder von Lorcan beeindruckt.
„Ich glaube ich habe mich verliebt." Hauchte er, als Lorcan zum wiederholten Male seinen Sohn auf der Matte festnagelte. Schwer atmend stand Gareth auf und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
„Zu schade, dass er verheiratet ist." Flüsterte ich zurück.
„Das ist mir egal. Lord Lorcan Lochan darf alles mit mir machen, was er möchte." Njal konnte kaum die Augen von ihm nehmen. „Auch wenn der Name ziemlich bescheuert klingt."
In diesem Moment warf Lorcan uns einen finsteren Blick zu.
„Ich dachte du wolltest Gareth Dalia ausspannen?"
„Was? Nein!" jetzt hatte Njal seinen Blick von Lorcan abwenden können und sah mich entsetzt an. „Nachdem klar war, dass sie sich Hals über Kopf in Gareth verliebt hatte, habe ich es sein gelassen. Ich habe so etwas wie Anstand und Ehre. Wenn eine Frau nicht an mir interessiert ist, dann belasse ich es dabei."
„Dann versuche das auch bei Männern." Es war das erste Mal seit Tagen, dass ich herzhaft lachte. Njal sah mich einen Augenblick wütend an, bis er auch in mein Gelächter mit einfiel. „Ich versuche es." Japste er.
Immer noch lachend stand ich auf und reichte ihm meine Hand. „Na komm, du Charmebolzen. Bevor sich alle Ritter in dich verlieben." Njal ergriff meine Hand und zog sich an ihr hoch.
„Ich glaub um die muss ich mir gar keine Sorgen machen. Vielmehr um Lyria."
„Wieso denn um die Prinzessin?" Wir verließen den Trainingsraum und liefen ziellos durch das Schloss. Es tat gut sich ein wenig zu bewegen und nicht mehr im Zimmer zu sitzen. Mir schwirrten zwar immer noch tausend Fragen durch den Kopf und ich wollte Erklärungen weswegen das ganze heute Morgen geschehen war aber fürs erste war e schön mit Njal an meiner Seite etwas Zeit zu verbringen. Zu Beginn hatte er mich gefoltert mit seinen ganzen Übungen aber im Nachhinein bin ich ihm wirklich dankbar. Ansonsten hätte ich heute noch schlechter ausgesehen, als ohnehin schon.
„Sie versucht die ganze Zeit meine Aufmerksamkeit zu erregen und läuft mir ständig über den Weg. Ich glaube sie mag mich etwas zu sehr." Njal schien die Situation nicht ganz geheuer zu sein.
„Sie ist doch erst zehn oder so."
„Zwölf. Ich habe nachgefragt. Ayla, ich bin 21. Ich bin viel zu alt für sie." Ich lächelte bei der Vorstellung, wie Lyria durch das Schloss lief, auf der Suche nach Njal, der wirklich viel zu alt für sie war.
„Du bist halt der erste Mann für den sie sich etwas mehr interessiert. Mein erster Freund war doppelt so alt, wie ich." Ein großer Unterschied war allerdings, dass ich etwas älter war, als Lyria und eine Sklavin. Zu dem Zeitpunkt war es nur eine Frage der Zeit, bis ich als Prostituierte arbeiten sollte. Den Göttern sei Dank habe ich das nie gemusst. Lyria war eine Prinzessin. Sie musste vielmehr darauf achten, was sie tat. Sollte herauskommen, dass sie ihr erstes Mal an eine Wache aus Adarlan verloren hatte, wurde Njal ins Gefängnis geworfen und Lyria wurde sicherlich weggeschickt. Allerdings konnte ich das bei Aelin und Rowan absolut nicht einschätzen, wie sie reagieren würden.
„Du bist keine Prinzessin." Njal dachte also ähnlich wie ich. „Ich habe meine Erfahrungen gemacht. Mehrmals. Ich bin allerdings auch wesentlich älter, ein einfacher Mann und nichts Besonderes."
Ich verstand ihn. Lyria und auch Jara konnten als Prinzessinnen sich nicht alles erlauben. Ihre Brüder hatten es da einfacher. Aber auch hier stellte sich mir die Frage, wie Aelin und Rowan reagieren würden. Ich hatte kaum Erfahrungen am Hof. Bei Dorian und Caeda war es nie ein Thema gewesen. Caeda interessierte sich bloß für Wyvern, ihre Familie und Mode. Mit Jara und Lyria hatte ich bisher kaum Zeit verbracht. Das musste sich definitiv ändern.
„Hast du denn jemand anderes gefunden? Abgesehen von Lorcan?" Njal boxte mich spielerisch in die Seite. Ich würde ihn sicherlich öfter damit aufziehen. Njal schüttete den Kopf. „Ich bin ja auch erst seit zwei Wochen hier. Die meiste Zeit habe ich mir Sorgen um dich gemacht und die restliche Zeit habe ich trainiert und wurde von dem Captain der Garde herumgeführt. König Dorian hat nicht gesagt, wie lange ich hierbleiben soll. Vielleicht kommt in ein paar Wochen der Befehl, dass ich zurück nach Rifthold kehren soll. Vielleicht bleibe ich auch solange hier, wie du." Er sah recht unschlüssig aus. Bei dem Gedanken, dass ich ohne Njal in Orynth bleiben soll, zog sich alles in mir zusammen. In den letzten Tagen war ich eine schreckliche Freundin. Ich habe mich lieber in meinem Zimmer eingesperrt, anstatt die Zeit hier zu nutzen. Egal, was mich hierhergebracht hatte, es tat mir jedenfalls gut. Ich hatte an Gewicht zugelegt, hatte neues Selbstbewusstsein erworben und neue Freunde gefunden. Selbst Aelin schien eigentlich ganz okay zu sein, wenn ich länger darüber nachdachte. Klar, ihre Art brachte mich ganz schön auf die Palme aber sie ließ mich auch in einem recht luxuriösen Zimmer wohnen, von ihrem Essen essen und mich trainieren. Ich sollte dankbar sein, dass ich noch lebte.
Dennoch flüsterte diese eine Stimme in meinem Kopf, dass ich meine Eltern rächen musste und Aelin töten sollte. Ich kann sie einfach nicht zum schweigen bringen.
„Ist alles okay bei dir?" Njal hatte mir eine Hand auf den Oberarm gelegt und mich gestoppt.
„Ich möchte nicht, dass du nach Rifthold zurückkehrst. Nicht ohne mich." Tränen waren mir in die Augen getreten. Njal lächelte mich nur wehmütig an und zog mich dann in seine Arme. „Das werde ich nicht."
„Du hast doch gerade gesagt, dass du nicht weißt, wie lange du bleiben wirst." Mit aller Macht versuchte ich gegen die Tränen anzukämpfen.
„Ganz genau. Ich weiß es nicht. Und selbst wenn der Befehl eines Tages kommen würde. Vielleicht darf ich hier in Orynth arbeiten. Der Captain meinte, dass ich Potenzial habe und er sich freuen würde, wenn ich länger bleiben würde. Aelin wird das schon mit Dorian klären, wenn wir mit ihr reden." Beruhigend fuhr er mir über den Rücken. In seinen Armen entspannte ich ein wenig.
„Danka, Njal. Für alles." Meine Worte waren kaum verständlich, da ich sie an seine Brust murmelte aber Njal verstand mich offenbar, denn seine Umarmung wurde etwas fester.
Wir standen sicherlich noch fünf Minuten so eng umschlungen im Flur, bis wir uns lösten.
„Besser?" fragte er nach und ich nickte.
„Sehr gut. Ich mag es nicht, wenn Menschen, die mir etwas bedeuten weinen." Diese Aussage machte mich noch etwas trauriger aber das war egal. Noch nie habe ich das von jemanden gehört. Bisher war ich immer nur eine Sklavin von vielen gewesen und jetzt war ich die Verrückte, die die Königin von Terrassen umbringen wollte. Ich selbst bezeichnete Njal als meinen Freund aber bis grade wusste ich nicht, ob ich ebenfalls seine Freundin war.
„Danke." Brachte ich heraus.
„Nicht dafür." Er drücktemich noch einmal an sich, dann setzten wir unseren Spaziergang durch dasSchloss fort.
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Throne of Glass- Dienerin des Lichts
FantasiTeil 1 BEENDET! Die Geschichte spielt ca. zwanzig Jahre nach den Ereignissen des 7. Bandes. Deshalb SPOILERWARNUNG!! (auch bei der Beschreibung) Ayla Caru verlor bei dem Krieg gegen Erawan und Maeve ihre ganze Familie und muss als Schneiderin für...