Kapitel 29

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Kian erzählte mir die Geschichten von den Namen auf der Tafel. Er konnte mir zu fast jedem mindestens einen Fakt nennen. Man merkte allerdings schnell, dass manche Namen wichtiger waren, als andere. Dabei standen wir uns so nah, dass ich von seiner Körperwärme profitierte. Mittlerweile war es noch kühler geworden und es hatte angefangen zu schneien. Als es das erste Mal geschneit hatte, war ich gerade mit Njal beim Training gewesen. Ich hatte ihn einfach stehen lassen, um raus zu gehen und den Flocken dabei zuzusehen, wie sie langsam zu Boden segelten, um dann zu schmelzen. Jetzt stand ich neben Kian und sah in den grauen Himmel, aus dem es unablässig schneite.

Ich hatte den Schnee schon immer gemocht. Vermutlich, weil es das Gegenteil zu Feuer war und sich der Himmel so schön dunkel färbte.
Der Abend mit Fenrys kam mir wieder ins Gedächtnis. Ich hatte ihn schon beinahe vergessen. „Lass uns heute Nacht die Sterne betrachten." Ich wirbelte zu Kian herum, der mich mit schiefgelegtem Kopf anschaute. „Die Sterne?" Ich nickte.

„Als ich in Rifthold war haben Fenrys und ich uns die Sterne einen Abend angeschaut. Es war wunderschön und so friedlich."

„Du hast dir mit Fenrys die Sterne angeschaut?" Wieso wiederholte Kian alles was ich sagte?

„Ja. Fenrys kennst du sicherlich."

„Natürlich. Er ist Mitglied unseres Hofes und einer der Blutgeschworenen meiner Mutter." Das wusste ich bereits. Fenrys hatte es mir erzählt, als er sich von mir verabschiedet hatte.

„Wir haben zumindest gemeinsam die Sterne uns angeschaut und ich würde das gerne nochmal machen." Ich senkte etwas den Blick, denn Kians machte mir ein wenig Angst. Er sah so aus, als würde er jeden Moment losstürmen, um Fenrys umzubringen.

„Das können wir gerne machen, Ayla." Er hob sanft mein Kinn an, sodass ich ihn anschauen musste. Der wilde Ausdruck in seinen Augen war verschwunden und hatte Platz für Wärme und Zärtlichkeit gemacht.

„Aber lass uns das morgen machen." Überrascht hob ich eine Augenbraue. „Ich möchte, dass alles angemessen ist, wenn du dich bei dieser Kälte draußen hinsetzen möchtest." Jetzt schmunzelte Kian und ließ mein Kinn los. „Es ist nämlich wirklich arschkalt."

Spielerisch boxte ich ihm in die Seite und verdrehte die Augen.

Der nächste Tag ging ziemlich langsam voran. Ich war mit den Gedanken bei Kian und bei Fenrys. Zwei vollkommen unterschiedliche Männer. Silber und Gold. Jung und Alt. Krieger und Prinz.

Kian war still und beherrscht gewesen zu beginn und taute langsam in meiner Anwesenheit auf. Ich erkannte nichts von dem rebellischen Jungen, von dem Njal geredet hatte. Er wirkte nicht, wie ein Mann, vor dem ich mich in Acht nehmen musste.

Fenrys hingegen war lustig, redete gerne und viel, hatte aber auch seine Geheimnisse, die er hütete, wie einen Schatz.

Fenrys war für mich immer ein Bekannter gewesen. Wir hätten Freunde werden können, wenn wir uns länger gesehen hätten. Kian und mich verband irgendwas.

Njal besiegte mich bei fast jedem Probekampf und freute sich sichtlich darüber, dass ich gedanklich woanders war. Abends tigerte ich durch mein Zimmer. Kian hatte zum Abschied am vorherigen Tag gesagt, dass er mich abholen würde, wenn alles soweit war.

Als ich beinahe die Nerven verlor, klopfte es an meiner Türe. Voller Vorfreude riss ich sie auf und versuchte meine Enttäuschung so gut, wie möglich zu verbergen, als eine Wache vor meiner Tür stand. Ich erkannte ihn sofort, denn gegen ihn hatte ich bisher auch ein paar Mal gekämpft.

Er führte mich einmal quer durch das Schloss. Hier war ich bereits einmal gewesen, als Aelin mir ihre persönliche Kleidung gegeben hatte. An dem Tag hatte ich kaum auf die Umgebung geachtet und gedacht, dass alles gleich aussah. Aber heute prägte ich mir jedes Detail ein. Dicke Teppiche kleideten den Flur aus und an den Wänden hingen Gemälde von vielen verschiedenen Menschen aber auch von Landschaften. Ich versuchte im Vorbeigehen einen kurzen Blick auf die einzelnen Gemälde zu erhaschen.
Auf ein paar erkannte ich Aelin und Rowan. Auf anderen wiederum eine jüngere Version von König Dorian und Lord Chaol Westfall gemeinsam mit Aelin. Ich erkannte sogar auf einem Bild einen weißen Wolf, um dessen Körper die Arme von Aelin geschlungen waren. Das musste Fenrys in seiner Tiergestalt sein. Es wirkte alles so privat, dass ich mich ein wenig fehl am Platz fühlte.

Throne of Glass- Dienerin des LichtsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt