16.

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Octavia

Ich weiß nicht ganz genau wie lange ich geschlafen habe, aber es mussten nur ein paar Stunden gewesen sein, denn die Sterne waren immer noch deutlich am dunklen Himmel zu erkennen. Langsam öffnete ich meine Augen und musste mir erst in Erinnerung rufen, was alles eigentlich bis zu diesen Zeitpunkt passiert ist. Als ich endlich alles realisierte bekam ich ein äußerst bedrückendes Gefühl in meiner Brust, auch bemerkte ich erst dann, dass Mateo noch seinen Arm um mich geschlungen hatte. Vorsichtig entfernte ich ihn, dabei bedacht ihn nicht aufzuwecken, denn ich hatte, um ehrlich zu sein, keine Lust auf ihn oder irgendjemanden in dem Moment. Das Gefühl in meiner Brust wurde noch schlimmer, es fühlte sich an, als würde jemand sehr schweres darauf liegen. Ich brauchte unbedingt frische Luft und Abstand!

Abstand.

Sofort hatte ich das dringende Gefühl einfach abzuhauen. Einfach weg. Besonders, weg von Mateo. Da wurde mir klar, dass er auch nur ein Mann ist. Er wird nicht lange so nett zu mir bleiben, es ist nur eine Frage der Zeit bis auch er etwas verlangt. Etwas was man nie verlangen darf. Schnell kletterte ich nach vorne und öffnete die Tür, doch es wurden automatisch alle Türen entsperrt und ein lautes Klicken ertönte. Wie erstarrt blieb meine Hand an der Türklinke, doch anders als erwartet, wachte er nicht auf, sondern gab nur ein Brummen von sich und drehte sich zur anderen Seite. Mit angehaltenem Atem stieg ich also aus und sah mich um. Keiner war weit und breit zu sehen, nur die vorbeifahrenden Autos waren zu hören. Erleichtert atmete ich aus und ließ mich auf den kalten Asphalt nieder. Ich wollte weinen, so unfassbar sehr. Ich wollte zum ersten Mal aus ganzem Leibe weinen. Wollte all die aufgestauten Gefühle loswerden. Doch es klappte nicht!

Warum?

Ich kann doch so gut weinen. Mir wurde beigebracht auf Knopfdruck los zu weinen, doch es klappte nicht. Genau jetzt wo ich es mir doch wünschte. Nur der Kloß im Hals blieb.

Was wäre passiert, wenn mein leiblicher Vater damals geblieben wäre? Wäre Mama dann nicht so geworden? Wäre ich glücklich? Wäre ich normal?

Ich weiß es nicht.

Vielleicht.

Oft habe ich mir die Frage gestellt und ich war mir sicher, die Antwort schon zu kennen. Unzwar, dass ich es gewesen wäre, doch jetzt bin ich mir nicht sicher.

Ich müsste doch etwas fühlen, oder?

Ich müsste doch nach all den versuchten Vergewaltigungen und Misshandlungen etwas spüren, es dürfte mir nicht egal sein. Doch genau das ist es.

Es ist mir egal.

Aber das einzige was mir nicht egal ist, was schon seit der Flucht in meinem Unterbewusstsein lungert, ist, wer zur Hölle Mateo ist.

Es ist unmöglich, dass er wirklich Mateo heißt, wenn er wirklich für Diego als Spitzel gearbeitet hat. Und warum sollte er sich für mich so in Gefahr begeben, das macht einfach keinen Sinn. Es ist fast so, als würde man seine eigene Sterbeurkunde unterzeichnen. Ich habe von Anfang an meinen echten Namen genannt, weil ich wusste, dass ich normalerweise nicht lebend da raus komme, doch warum sagt er mir dann nicht wir er wirklich heißt? Wie ist er da so einfach mit mir raus gekommen? Er müsste unfassbar viel Vertrauen von Atlas gehabt haben, denn für einen einfachen Mitarbeiter war das eine viel zu wichtige und vertrauenswürdige Aufgabe. Jemand der erst seit ein paar Monaten dort arbeitet hätte es zudem nie so schnell hochgeschafft. Da ist hundertprozentig was falsch! Er muss schon Jahre für Diaz gearbeitet haben und zudem auch noch ein enges Verhältnis mit ihnen geführt haben, denn anders kann ich mir es nicht erklären. So leichtsinnig sind die Diaz nicht. Auf keinen Fall!

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